Medikament gegen Alzheimer: Leqembi in Deutschland erhältlich

Neues Medikament gegen Alzheimer:Leqembi in Deutschland vor Markteinführung

von Christina-Maria Pfersdorf und Dagmar Noll
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Anfang September ist das erste Medikament zur Behandlung von Alzheimer auch für Patienten in Deutschland verfügbar. Doch viele praktische Fragen zu Leqembi sind noch nicht geklärt.

Ein Klebezettel mit dem Schriftzug «Herd aus?» klebt an einem Herd neben den Drehknöpfen.

Ein neues Medikament gegen Alzheimer kommt im September auf den Markt. Leqembi bekämpft die Ursachen der Krankheit, kommt jedoch nur für wenige Patienten in Frage.

25.08.2025 | 1:45 min

Das Medikament Leqembi mit dem Wirkstoff Lecanemab gilt als großer Hoffnungsträger. Ab dem 1. September 2025 wird es in Deutschland für die Alzheimer-Therapie zur Verfügung stehen. Es kann die Krankheit zwar nicht heilen, jedoch das Fortschreiten von Alzheimer im Frühstadium verzögern.

Neurologen wie Thomas Duning vom Klinikum Bremen Ost haben lange auf ein solches Medikament gewartet.

Das ist ein echter Gamechanger, weil jetzt das erste Mal ein kausaler oder krankheitsmodifizierender Ansatz da ist.

Prof. Dr. Thomas Duning, Neurologe

Bislang konnten bei Alzheimer lediglich Symptome und Begleiterscheinungen behandelt werden.

Lecanemab ist ein Antikörper-Wirkstoff, der gezielt eine Vorstufe der für Alzheimer typischen Amyloid-beta-Protein-Plaques im Gehirn erkennt und bindet. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem aktiviert und baut die Plaques ab beziehungsweise verhindert die Bildung neuer Plaques.
Die Plaques aus dem Protein Amyloid-beta im Gehirn werden mit der Schädigung und dem Absterben von Nervenzellen in Verbindung gebracht.

Quelle: Alzheimer Forschung Initiative e. V.


Nur wenige Alzheimer-Patienten profitieren von Lecanemab

Etwa eine Million Menschen in Deutschland haben Alzheimer-Demenz. Doch nur für ein Prozent von ihnen kommt das Medikament infrage. Denn: Lecanemab hilft nur in einem sehr frühen Stadium der Alzheimer-Erkrankung. Das zu erkennen, ist schwierig.

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Interview

Aufwendige Diagnostik vor Therapie mit Leqembi

Welche Patienten mit Lecanemab behandelt werden dürfen, muss individuell untersucht werden. Dazu gehört der Nachweis der für die Alzheimer-Erkrankung typischen Ablagerungen im Gehirn - entweder durch eine Untersuchung des Nervenwassers (Lumbalpunktion) oder durch spezielle bildgebende Verfahren (Amyloid-PET).

Mehrere CT-Aufnahmen des Gehirns von einem Alzheimer-Patienten.

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Hinzu kommt: Um das Risiko möglicher schwerer Nebenwirkungen zu senken, dürfen nur Patienten mit gewissen genetischen Voraussetzungen das Medikament erhalten. Dafür ist ein Gentest erforderlich.

Lecanemab wird als Infusion alle zwei Wochen verabreicht. Bei gut einem Viertel der Patienten kam es unter Lecanemab zu infusionsbedingten Reaktionen wie Schüttelfrost, Übelkeit oder Hautausschlag.

Bei 13 Prozent der Studienteilnehmer, die den Wirkstoff erhielten, verursachte er begrenzte Hirnschwellungen (Hirnödeme). Bei 17 Prozent traten - meist kleine - Blutungen in bestimmten Bereichen im Gehirn auf. Die Hirnveränderungen waren in der Mehrzahl der Fälle nur in der Kernspin-Tomografie (MRT) des Gehirns nachweisbar und verursachten keine klinischen Symptome.

Bei rund drei Prozent der Studienteilnehmenden, die Lecanemab erhielten, ging eine Hirnschwellung jedoch auch mit klinischen Symptomen einher, zumeist mit Kopfschmerzen, Sehstörungen und Verwirrtheit.

Bei 0,7 Prozent der mit Lecanemab behandelten Teilnehmenden trat eine große Hirnblutung mit zum Teil schweren neurologischen Symptomen auf.

Quelle: Faktencheck der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e. V.


Therapie mit Leqembi muss überwacht werden

Die Behandlung ist mit einer engmaschigen Kontrolle der Patienten verbunden. "Wenn Sie jemanden finden, der sich für die Therapie eignet, dann ist das nicht so, dass Sie den Tropf geben und fertig, sondern Sie müssen das monitoren oder überwachen", erklärt Duning.

Dazu gehört die regelmäßige Untersuchung per Magnetresonanztomografie (MRT).

Die MRT-Diagnostik ist jetzt schon ein Flaschenhals.

Prof. Dr. Thomas Duning, Neurologe

Außerdem müssen ausreichend Infusionsplätze für die Gabe des Medikaments zur Verfügung stehen, so der Neurologe weiter.

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Gesundheitssystem ist für Therapie schlecht ausgelegt

Bezüglich der Anwendung des Medikaments stellen die aktuellen Strukturen im deutschen Gesundheitssystem für Duning große Hürden dar. Hinzu komme, dass die ambulanten oder niedergelassenen Neurologen aktuell schon überlastet seien.

"Das ist ein Riesenproblem. Sie brauchen eigentlich eine Ambulanzstruktur im Krankenhaus. Aber der Weg der Krankenhausreform geht genau in die andere Richtung, dass Krankenhäuser nur noch stationäre Patienten behandeln und die ambulanten Patienten zu den Niedergelassenen gehen", so Duning. Genau in diese Lücke grätsche das Medikament nun hinein.

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Diagnose könnte künftig einfacher werden

Was die Diagnose-Möglichkeiten anbelangt, ist Gerontopsychiater Lutz Frölich optimistisch: "Die Biomarker-Diagnostik, die man bisher nur auf Nervenwasser oder Bildgebungsverfahren stützt, wird in naher Zukunft auch aus dem Blut möglich sein."

Und auch Neurologe Thomas Duning ist hoffnungsvoll: "Ich glaube, dass es in naher Zukunft so sein wird, dass Sie keine Infusionen mehr brauchen, sondern das Medikament subkutan, also unter die Haut applizieren, was dann nochmal viel einfacher wird."

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