Merz bei re:publica: Viel Gaza, nichts Digitales

Analyse

Kanzler besucht Digitalkonferenz:Merz bei re:publica: Viel Gaza, nichts Digitales

Dominik Rzepka
von Dominik Rzepka
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Kanzler Merz redet auf der Digitalkonferenz re:publica, doch die Halle ist so klein, dass kaum ein Besucher reinkommt. Und über Digitalpolitik redet Merz auch nicht.

Berlin: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nimmt im Rahmen der Medienkonferenz Re:publica an einem Bühnengespräch beim Internationalen WDR Europaforum teil.
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Vor Halle 5 ist das Gedränge jetzt ganz schön dicht. Hunderte re:publica-Besucher wollen zum Kanzler. Doch selbst wer 45 Minuten früher da ist, wird Friedrich Merz heute nicht zu Gesicht bekommen. Halle überfüllt. "Ich krieg hier niemanden mehr rein", sagt ein Ordner.
Es ist ein wenig paradox. Da kommt Merz zum ersten Mal auf eine der wichtigsten Digitalkonferenzen Europas. Doch Halle 5 bietet gerade einmal Platz für 400 Zuhörer. Warum redet der Kanzler nicht auf der Hauptbühne, so wie Olaf Scholz oder Robert Habeck in den Jahren zuvor?

Warum Merz nur vor 400 Leuten redet

Re:publica-Mitgründer Markus Beckedahl erklärt das damit, dass Merz auf einer Veranstaltung des WDR redet. Und dass die Zusage erst kurzfristig erfolgt sei. Die re:publica habe Merz bereits im vergangenen Jahr angefragt, damals noch in seiner Funktion als CDU-Chef. Schnell habe es eine Absage aus Termingründen gegeben.
Bärbel Bas, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, bei der Medienkonferenz Re:publica 25 in The Station am 26.05.25 in Berlin.
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Das WDR-Europaforum finde im Rahmen der re:publica statt und habe ihn als Kanzler zu sich ins Studio eingeladen und "mehr Glück gehabt". Beckedahl, der von 2002 bis 2003 Mitglied im Bundesvorstand der Grünen Jugend war, sagt ZDFheute:

Das gibt Friedrich Merz die Möglichkeit, etwas re:publica-Luft zu schnuppern, und wer weiß, vielleicht schafft er es im kommenden Jahr mal zu uns zur Diskussion über die digitale Gesellschaft.

Markus Beckedahl, re:publica-Mitgründer

Deutliche Kritik an Israel

Zwischen den Zeilen schwingt Kritik mit. Denn Merz redet zwar 45 Minuten. Um Digitalpolitik geht es bei seinem Auftritt auf der Digitalkonferenz allerdings nicht. Sondern um die EU, Russland und Israel.
Ungewöhnlich deutlich kritisiert Merz das Vorgehen Israels im Gazastreifen:

Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, wie das in den letzten Tagen immer mehr der Fall gewesen ist, lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen.

Friedrich Merz, CDU

Zwar müsse sich gerade Deutschland mit Kritik an Israel zurückhalten, sagt Merz. Aber: "Wenn Grenzen überschritten werden, wo einfach das humanitäre Völkerrecht jetzt wirklich verletzt wird, dann muss auch Deutschland, dann muss auch der deutsche Bundeskanzler dazu etwas sagen." Applaus im Publikum.
Ein palästinensischer Mann istzt auf Trümmern in der zerstörten Fahmi Al-Jarjawi Schule in Gaza-Stadt im Gazastreifen. Die Schule, die als Notunterkunft genutzt wurde, wurde bei einem israelischen Luftangriff zerstört.
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Merz ist als Kanzler öfter in Berlin

Merz äußert sich auch zum Zollstreit mit den USA. Er ruft Europa zu Geschlossenheit auf: "Wir sind keine Bittsteller", sagt er. Europa sei mit 500 Millionen Konsumenten für viele US-Unternehmen der zweitgrößte Markt nach den USA selbst.

Machen wir uns nicht kleiner, als wir sind.

Friedrich Merz, CDU

Am Ende bekommt Merz noch ein paar User-Fragen gestellt. Auf die Kritik, dass das Thema Umwelt kein Topthema im Wahlkampf gewesen sei, sagt Merz, er habe den Klimawandel immer als ein sehr ernsthaftes Problem bezeichnet.
Und auf die Frage einer siebten Klasse, wie es sei, jetzt Bundeskanzler zu sein, sagt Merz: Die Arbeitslast ist höher geworden. Er sei noch mehr in Berlin als früher. Außerdem sei sein Personenschutz jetzt höher. Die Beamten, die ihn schützen, seien aber sehr nett.
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Kritik an Scholz-Auftritt 2022

Es ist bereits der zweite Auftritt eines Kanzlers auf der re:publica. 2022 hatte sich Olaf Scholz von Moderatorin Linda Zervakis befragen lassen. Dabei hatte er die Moderatorin selbst ausgesucht. Zervakis soll dafür eine Kostenpauschale aus dem Kanzleramt erhalten haben.
Kritiker bemängelten seinerzeit, dass kritische Fragen weitgehend ausgeblieben waren. Zervakis wollte unter anderem wissen, ob Scholz bei Lieferdiensten online Essen bestelle.
Es gäbe genug digitalpolitische Fragen an die neue Bundesregierung unter Kanzler Merz. Etwa die nach dem Glasfaser-Ausbau oder der Speicherung von IP-Adressen. Morgen hat die re:publica eine neue Chance. Dann ist jedenfalls der neue Digitalminister Karsten Wildberger zu Gast.

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von Dominik Rzepka