Analyse
Merkel gegen Merz:CDU: Der letzte Kampf der Alpha-Tiere
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Es ist nicht nur eine Neuauflage der alten Rivalität, die hinter der aktuellen Fehde zwischen Angela Merkel und Friedrich Merz steckt. Es geht um die Mitte der Gesellschaft.
Blumen von Merz? Zu Merkels 70. Geburtstag - Ja. Einigkeit? Weniger...
Quelle: dpa/Kay Nietfeld
Wo steht Angela Merkel? Wo steht die CDU? Und wohin führt Friedrich Merz die Christdemokraten? Die aktuellen auf Distanz geführten Wortgefechte zwischen der Alt-Kanzlerin und ihrem Nach-Nachfolger könnte man als letzten Kampf zweier Alpha-Tiere abtun.
In einer Dokumentation des WDR hatte Merkel die Zurückweisungen von Flüchtlingen an den deutschen Grenzen kritisiert. In einem Gespräch mit Asylbewerbern sagte sie:
Wenn jemand an der deutschen Grenze Asyl sagt, dann muss er erst mal ein Verfahren bekommen - meinetwegen direkt an der Grenze, aber ein Verfahren.
Angela Merkel, CDU
Doch Merkels Einlassungen zur Migrationspolitik der schwarz-roten Koalition offenbaren, dass es der ehemaligen CDU-Vorsitzenden um deutlich mehr geht, als einen Tritt gegen das Schienbein ihres ehemaligen Rivalen.
Wortduelle im Fernsehen
Angela Merkel macht deutlich, dass sie die restriktive Politik von Friedrich Merz und die seines Innenministers Alexander Dobrindt (CSU) prinzipiell für falsch hält. Nicht nur, weil es in ihren Augen gegen die geltenden Dublin-Regeln und damit gegen EU-Recht verstößt. Sondern auch, weil es den Fokus ihrer Partei deutlich nach rechts verschiebt.
Merz dagegen versucht, die Alt-Kanzlerin abtropfen zu lassen. Für ihn geht es darum, die CDU dem Zeitgeist anzupassen - und dazu gehöre, dass große Teile der Bevölkerung sich nicht mehr wiederfinden in Merkels Mantra: "Wir schaffen das."
Den Stil Merkels, sich von der politischen Seitenlinie zu Wort zu melden, findet er befremdlich, auch wenn er viele Jahre ähnlich agiert hatte: "Das muss ja jeder selbst entscheiden, ob er sich zu Wort meldet, wenn er aus dem Amt ausgeschieden ist, oder nicht", so Merz in der ARD-Sendung "Maischberger".
Merkel und ihre CDU haben sich entfremdet
Die Frequenz, mit der sich die Alt-Kanzlerin in die tagesaktuelle Debatte einbringt, ist schon erstaunlich. Dass sie von der Wende in der Migrationspolitik nicht besonders viel hält, hatte sie schon in ihren Memoiren im vergangenen Herbst klar gemacht:
Bis heute kann ich nicht nachvollziehen, dass man annehmen konnte, ein freundliches Gesicht auf einem Bild könnte scharenweise Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat bewegen.
Angela Merkel
Im Januar hatte sich Merkel prominent gegen die gemeinsame Abstimmung mit der AfD gewandt, auf die es Merz im Bundestag ankommen ließ. All das zeigt die Entfremdung, die zwischen der ehemaligen Vorsitzenden der CDU und ihrer Partei inzwischen eingekehrt ist.
Merkel fürchtet, dass ihre Partei "die Mitte" - die sie einst als Slogan plakatieren ließ - verlassen hat. Und damit nicht nur ihr politisches Erbe verrät, sondern die CDU für viele liberal gesinnte Menschen unwählbar macht.
Merz: Keine harte Abrechnung mit Merkel
Merz hält dagegen - oft, ohne ihren Namen zu nennen. Weiß er doch, dass es in der CDU immer noch viele gibt, die Merkel schätzen und mögen. Aus seiner Sicht hat die Welt sich verändert. Das Beharren auf alte Antworten - gerade in der Migrationspolitik - hält er für falsch.
Merz scheint - und das ist insofern erstaunlich, weil beide ja derselben Politikergeneration entstammen - Angela Merkel für von Gestern zu halten. So macht er in einer ZDF-Dokumentation vor der Wahl im März die Alt-Kanzlerin und ihre Politik direkt verantwortlich für den enormen Erfolg der AfD:
Der Name dieser Partei ist entstanden als Reaktion auf das Wort alternativlos. (...) Die AfD gäbe es mit diesem Namen nicht, wenn das Wort nicht vorher gefallen wäre.
Friedrich Merz, CDU
Eine allzu harte öffentliche Abrechnung mit Merkel aber könnte kontraproduktiv sein. Seine jüngste Erwiderung in der ARD triefte dann auch von Sarkasmus gegenüber der Alt-Kanzlerin. Man müsse im Augenblick "ein paar Probleme lösen, die in den letzten zehn Jahren entstanden sind."
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