Trump und Putin: Weshalb Europa nicht mehr warten darf

Interview

Trump, Putin und Europas Rolle:Bachmann: Nicht mehr auf Amerikaner warten

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Der deutsch-amerikanische Wissenschaftler Rüdiger Bachmann warnt: Europa muss sich strategisch neu aufstellen - und darf weder auf Trump hoffen noch Putins Drohungen unterschätzen.

Rüdiger Bachmann

Der deutsch-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Rüdiger Bachmann lehrt an der University of Michigan und ist Mitglied der Atlantikbrücke.

Quelle: Rüdiger Bachmann

Donald Trump ist derzeit zu Besuch in London - ein Auftritt, der auch bei den Nato-Partnern für Aufmerksamkeit sorgt. Doch die Hoffnung, ihn für europäische Interessen zu gewinnen, hält der deutsch-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Rüdiger Bachmann für trügerisch.

"Das wäre naiv", sagt Bachmann im ZDFheute-Interview mit Blick auf mögliche proeuropäische Unterstützung durch Trump. Europa müsse sich strategisch neu aufstellen und dürfe nicht länger auf die USA vertrauen. "Man tut in Berlin immer noch so, als seien die Amerikaner wie eh und je - diesen Zahn muss man sich endlich ziehen", kritisierte Bachmann, der am Donnerstag Gast bei maybrit illner sein wird.

Die Sendung "maybrit illner" mit dem Thema "Putins Drohnen, Trumps Spielchen - Europa nicht gerüstet?" sehen Sie diesen Donnerstag, 18. September 2025, um 22:15 Uhr im ZDF live im TV und auf der ZDF-Streamingplattform, auch auf Abruf.

Es diskutieren: Norbert Röttgen, Außenpolitiker und stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender, der Außenpolitiker und Abgeordnete des Bundestags Ralf Stegner (SPD), Rüdiger Bachmann, deutsch-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Michigan, Susanne Wiegand, Aufsichtsrätin der Volkswagen AG und ehemalige Vorstandsvorsitzende des Rüstungskonzerns Renk sowie Beraterin des Drohnenherstellers Quantum Systems und ZDF-Autor Johannes Hano (u.a. "Putins-Helfer - Trump, Musk und der Kreml").


ZDFheute: Trump in Großbritannien - ist das der Versuch der Europäer, ihn abermals politisch für unsere Zwecke zu gewinnen?

Rüdiger Bachmann: Das war sicher nicht die ursprüngliche Motivation, Trump einzuladen. Es gibt da ja eine gewisse Tradition, und man hat ihn auch schon in seiner ersten Amtszeit eingeladen.

Es kann sein, dass man es jetzt wieder versucht - also ihn politisch zu gewinnen für europäische Zwecke - und ich glaube, dass das nicht wirklich fruchten wird.

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ZDFheute: Sie glauben nicht, dass die Koalition der Willigen noch etwas von Trump erwarten kann in Sachen proeuropäischer Unterstützung?

Bachmann: Das wäre naiv. Die Amerikaner haben klargemacht, dass Europa sie letztlich nicht interessiert. Viele Trumpisten sehen es so: Wenn Europa schwach genug ist, dann können es die Russen ruhig übernehmen. Es wäre naiv, sich da Hoffnungen zu machen.

Die Europäer müssen verstehen, dass für die Amerikaner das liberale demokratische Europa, das wirtschaftlich erfolgreich ist, zu einem systemischen Rivalen wird.

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So wie eine erfolgreiche Ukraine ein Dorn im Auge von Putin ist. So wie Taiwan ein Dorn im Auge von Xi Jinping ist. Ein erfolgreiches liberales demokratisch-republikanisches Europa wäre eine permanente Gefahr für den Trumpismus, der unter anderem vom Antiliberalismus lebt. Man muss aufhören, diese Regime noch weiter als Verbündete zu sehen.

ZDFheute: Donald Trump wird also auch nach diesem Treffen keine härtere Politik gegen Putin machen?

Bachmann: Das erwarte ich nicht, woher soll man diese Hoffnung nehmen? Trumps Angebot an Europa - wenn ihr aufhört, von Russland Energie zu beziehen, dann bin ich bereit, härter durchzugreifen - das ist vergiftet.

Wenn er das durchsetzen wollte, hätte er es längst durchsetzen können, indem er seine Verbündeten Orban und Fico davon überzeugt, es nicht mehr zu tun.

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Trump hat hier den viel größeren Hebel im Vergleich zu den Westeuropäern, daher ist sein Angebot vergiftet und nicht ernst gemeint. Wenn auch seine Diagnose durchaus richtig ist.

ZDFheute: Welchen Effekt hätte das denn konkret?

Bachmann:

Das wäre eine sehr potente Waffe, wenn man wirklich kein russisches Öl mehr kaufen würde.

Für Russland wäre das schlecht, Putin würde der Geldhahn zugedreht. Und dem Regime geht es bereits nicht gut: Wir sehen Benzinknappheit in Russland, wir sehen eine hohe Inflation und geringes Wachstum. Es würde Russland wirtschaftlich massiv schaden.

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ZDFheute: Letzte Woche provozierte Putin die Nato massiv - und Europa schaut machtlos zu?

Bachmann: Ja, die Europäer haben es immer noch nicht geschafft, in die strategische Vorderhand zu kommen. Sie sind nach wie vor viel zu abhängig. Und man hat den Eindruck, dass die Aufrüstungsplanungen, die jetzt laufen, immer noch sehr stark von einer intakten Nato abhängen, also davon ausgehen, dass die Amerikaner mitspielen.

Man tut in Berlin immer noch so, als seien die Amerikaner zwar ein bisschen sonderbar, aber eigentlich immer noch so wie eh und je. Und diesen Zahn muss man sich endlich ziehen in Europa.

Und die Aufrüstungspolitik so schnell wie möglich in eine strategische Vorderhand bringen, wo man selbst das eigene Schicksal bestimmt und nicht mehr auf die Amerikaner wartet.

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ZDFheute: Was ist mit der Einigung innerhalb der Nato, die Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent zu erhöhen? Und wirken nicht die Sanktionen der EU gegenüber Russland, wie Sie gerade selbst andeuteten?

Bachmann: Ja, das stimmt schon. Aber die Sanktionen könnten eine ganz andere Durchschlagskraft haben, und man könnte sie auch noch viel stärker kontrollieren.

Wir schädigen Russland natürlich, aber nicht entscheidend. Und ja, man kann abwarten. Das wird vermutlich immer schlimmer für Russland. Aber hat die Ukraine diese Zeit?

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ZDFheute: Hohe europäische Militärs haben das Jahr 2029 genannt, in dem Putin die Nato angreifen könnte oder angreifen wird. Ist das für Sie nach den Drohnen von letzter Woche ein überholtes Datum?

Bachmann: Das ist ein rein politisches Datum. Man legt ein Bedrohungsszenario in die nächste Legislaturperiode, sodass da der politische Druck raus ist. Es wird den Tag X nicht geben, an dem das passiert - vorher erleben wir Drohnenangriffe und Cyberwar. Daher macht dieses Datum 2029 für mich keinen Sinn.

Es reicht nicht, bis dahin verteidigungsfähig zu sein, das muss schneller geschehen.

Und zwar nicht nur gegen traditionelle Artillerie, sondern vor allem gegen Drohnen und mit Cyberabwehr.

Das Interview führte Hendrick Fritzler aus der Redaktion "maybrit illner".

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