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Wirtschaftsgipfel spalten Ampel:Schwächelnde Konjunktur, streitende Regierung
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Am Dienstag trifft sich der Kanzler mit Wirtschaftsvertretern. Doch auch der Finanzminister lädt zu einem Gipfel. Eigentlich besteht Handlungsbedarf, doch es folgt - wieder Streit.
In einer idealen Welt würde eine Regierung die beiden am Dienstag geplanten Wirtschaftsgipfel als sinnvolle Ergänzung verkaufen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) will sich im Kanzleramt um die besonderen Nöte der Industrie kümmern; Finanzminister Christian Lindner (FDP) will mit dem Mittelstand sprechen. Allerdings ist die Ampel-Regierung alles andere als eine ideale Welt.
So hat es die Regierung geschafft, eine neue Koalitionskrise heraufzubeschwören. Der Kanzler lud ohne Abstimmung mit Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zum Auftakt einer Serie vertraulicher Treffen mit Wirtschaftsvertretern ins Kanzleramt ein.
Öffentlichkeitswirksam sammelte eine verschnupfte FDP danach ebenfalls verschnupfte Verbände ein, die im Kanzleramt nicht eingeladen sind. Nebenbei legte der eigentlich mitzuständige Wirtschaftsminister ein Konzept vor, wie er die Wirtschaft mit einem Investitionsfonds und steuerlichen Abschreibungen aus der Krise holen will.
Ampel-Streit verdeckt Positives
"Am Ende bleibt Verärgerung, dass sich ein Jahr vor den Wahlen nicht einmal das Kern-Trio der Ampel sauber abspricht", ärgert sich ein Regierungsvertreter über die unabgestimmte Kommunikation von SPD, Grünen und FDP.
Kopfschüttelnd wird bei anderen Regierungsvertretern registriert, dass durch den Streit wieder einmal gute Nachrichten verdeckt wurden: ein überraschend positiver Ifo-Index oder auch ein kräftiger Auftragszuwachs der Baubranche im August. Doch ein sichtlich verärgerter Finanzminister Lindner kritisiert öffentlich, dass die Ampel-Regierung für 50 Prozent der Zurückhaltung bei Firmen und Verbrauchern mit "politisch gemachter Unsicherheit" verantwortlich sei.
Dabei sind sich Scholz, Lindner und Habeck einig, dass etwas gegen die lahmende Konjunktur getan werden muss. Gemeinsam sieht das Trio die Dringlichkeit, dass die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft so nicht bleiben können - und der bisher geplante 49-Punkte-Wirtschaftspakt mit Reformschritten nicht ausreicht. Mit dem Vorschlag nach einem Bundeszuschuss zur Deckelung der Netzentgelte vor zehn Tagen schließt der Kanzler zudem die Kluft zu seiner SPD, die seit Monaten fordert, dass er einen Industriestrompreis durchsetzen solle.
Knackpunkt: Haushalt
Das Problem: Zumindest nach Ansicht von SPD und Grünen kostet der Aufschwung mehr Geld und erfordert eine andere Haushaltspolitik. Die lehnt FDP-Chef Lindner ab. Die steuerliche Förderung von Investitionen nach US-Vorbild, die sowohl SPD als auch Grüne jetzt wollen, verschärft den Haushaltsstreit ebenfalls.
Und beim Thema Entbürokratisierungen haben Scholz und Habeck zwar weitreichende Vorschläge gemacht. Aber der Kanzler stößt beim versprochenen Abspecken des nationalen Lieferkettensorgfaltsgesetzes auf EU-Niveau auf Widerstand. Und Habeck selbst wurde von seiner eigenen Partei gebremst, als er im Überschwang der Reformfreude die Abschaffung aller Berichtspflichten für Firmen forderte.
Ziel: Gemeinsamkeit zeigen
Dabei hatte Scholz auf dem Arbeitgebertag einen Schulterschluss von Politik und Wirtschaft gefordert und zur Gemeinsamkeit aufgerufen:
Wir müssen gemeinsam rauskommen aus dieser unguten Lage, in der schlechte Zahlen zu schlechter Stimmung führen - und schlechte Stimmung zu noch mehr schlechten Zahlen.
Olaf Scholz, Bundeskanzler
Tatsächlich bekam der Kanzler neben Kritik auch Lob von Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger, dass die Regierung nun die Nöte der Wirtschaft besser verstehe.
Aber dann folgte der nächste Frontalangriff der FDP: "Die Finanzpolitik kann nicht reparieren, was die Wirtschaftspolitik versäumt", wies Lindner Forderungen nach mehr Geld zurück. Seinem Koalitionspartner Habeck warf er gleich noch "konzeptionelle Hilflosigkeit" vor. Der Doppel-Gipfel droht deshalb eher zu einem neuen Gegeneinander als zum Schulterschluss der Ampel-Spitzen zu führen.
Quelle: Andreas Rinke, Reuters
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