AfD mit Umfrage-Höchstwert: Experte sieht Schwächen bei Union

Interview

AfD mit Umfrage-Höchstwert:Experte sieht Schwächen bei Merz-Union

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Im Politbarometer erreicht die AfD ihren bislang höchsten Wert. Um Wähler zurückzugewinnen, dürfe die Union nicht die Themen der AfD imitieren, erklärt der Politologe Korte.

Studiogespräch mit Prof.Dr. Karl-Rudolf Korte

Die Parteien der Mitte müssten echte Alternativen zur AfD anbieten anstelle deren Themen zu imitieren. Mehr Mut zur "Reformkanzlerschaft" könnte helfen, so Korte.

05.09.2025 | 5:10 min

Die AfD hat im ZDF-Politbarometer ihren bisherigen Höchstwert erreicht und als einzige Partei an Zustimmung gewonnen. Die Umfragewerte der schwarz-roten Koalition sinken derweil auf einen Tiefstand. Sein Ziel, die Unterstützung für die AfD zu halbieren, konnte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bislang nicht erreichen. Um wieder an Zustimmung zu gewinnen, brauche die Regierung Mut zu Reformen, meint der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte.

Im Interview mit dem ZDF heute journal spricht der Experte über die guten Umfragewerte der AfD, die Chancen der Bundesregierung und erklärt, was die Union den Wählerinnen und Wählern anbieten müsste.

Sehen Sie oben das Gespräch in voller Länge oder lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt der Politikwissenschaftler zu …

... den hohen Umfragewerten der AfD

Bei dem selbsterklärten Ziel des Kanzlers, die AfD zu halbieren, sei "noch viel Luft nach oben", bilanziert Korte. Mit einer Übernahme der AfD-Themenagenda könne es der Union nicht gelingen, Stimmen am rechten Rand zurückzugewinnen. Die vergleichende Parteienforschung in Europa zeige klar, "dass Parteien, die konservativ daherkommen, die Themen der autoritären, nationalen, der Radikalen, der Rechtsradikalen imitieren, am Ende nicht nur verlieren, sondern am Ende sich auflösen."

Wenn die anderen Parteien das übernehmen, ist das absolut ein Fehler, weil die AfD darin ihre Hauptunmutsaufsauger-Konstellation sieht.

Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler

Die Regierung müsse berücksichtigen, was das Wählerpotenzial der AfD ausmacht. "Die haben ja nicht nur Radikale, die haben auch welche, die aus Gesinnung, aus Überzeugung für eine andere Politik diese Partei wählen", erklärt der Experte. "Man kann schon sagen, Schlaglöcher ebnen geradezu den Weg der AfD".

Karl-Rudolf Korte
Quelle: Peter Frischmuth

... ist Politikwissenschaftler und seit 2003 Professor an der Universität Duisburg-Essen am Campus Duisburg und seit 2006 Direktor der NRW School of Governance.


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... Chancen der schwarz-roten Koalition

Wer diese Schlaglöcher beseitigt, habe auch die Chance, am Ende Mehrheiten in der Mitte wieder zu gewinnen, sagt der Politikwissenschaftler. Die Bundesregierung müsse Lösungen und eine "Politik des Gelingens" anbieten.

Man muss vielleicht auch eine radikale Reformkanzlerschaft anbieten, mit Zumutungsmut, vor allen Dingen Zukunft anbieten.

Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler

Die AfD sei eine "zukunftsängstliche Empörungsbewegung", erklärt der Experte. Sie arbeite nicht nur mit Angst, sondern auch mit "nostalgischer Verklärung einer besseren Zeit, die es irgendwann mal gab".

Wer also Zukunft im Programm hat, vielleicht auch enkelfähige Zukunft, hat damit auch eine Beschreibung der Erklärung, wie eine Demokratie funktionieren könnte.

Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler

"Zukunftsthemen lösen eine Sehnsucht aus bei der politischen Mitte", sagt Korte. Die Parteien der Mitte und vor allem die Union sollten daher ein entsprechendes Angebot machen, meint der Politikwissenschaftler.

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... der Debatte über den Markenkern der Union

Der Markenkern der Union sei nicht allein konservative Politik, betont der Experte mit Blick auf den Parteienwettbewerb. "Das Liberale, das Soziale, das Konservative, das ist die Ausrichtung der Union immer gewesen." Wer diese Ausrichtung auf eine konservative, rechte Partei verenge, könne das eigentliche Wählerpotenzial der Union nicht ausschöpfen, erklärt Korte.

Sie ist dann nur noch pragmatische Staatspartei, aber hat für die progressive Mitte, die Merkel angesprochen hat, nichts mehr anzubieten.

Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler

Es brauche daher mehr Vielfalt in der Union, meint der Politikwissenschaftler. Die AfD sei eine "Defizitpartei", die die Angebotslücken der Konkurrenz nutze. Um beispielsweise für eine progressive Mitte attraktiv zu sein, dürfe sich die Union nicht auf einen bestimmten Flügel verengen, sagt Korte. In der Koalition brauche es nun "Durchsetzungswut und Zumutungsmut", um dem Land neue Perspektiven zu bieten.

Das Interview führte Marietta Slomka im ZDF heute journal, zusammengefasst hat es Niklas Landmann.

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