Thüringen: CDU-Politiker Voigt zur Ministerpräsidenten-Wahl

Interview

Neuer Thüringer Ministerpräsident:Voigt: Lösungen auch ohne Mehrheit möglich

|

Mario Voigt wird Chef der ersten Brombeer-Koalition mit Beteiligung des BSW. Nach der Wahl sieht der CDU-Politiker in Thüringen einen "Geist des Miteinanders".

SGS Voigt Slomka
Er sei froh, dass "Thüringen keine politische Problembeschreibung mehr" sei, sondern "ein Signal des Aufbruchs" gesetzt habe, so der neue Ministerpräsident Mario Voigt (CDU).12.12.2024 | 6:06 min
Der CDU-Politiker Mario Voigt steht in Thüringen an der Spitze der ersten Brombeer-Koalition aus CDU, SPD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Der Landtag in Erfurt wählte den Thüringer CDU-Vorsitzenden zum neuen Ministerpräsidenten. Nach zehn Jahren mit einer von den Linken geführten Regierung unter Bodo Ramelow - nur kurz unterbrochen durch den FDP-Politiker Thomas Kemmerich - geht das Amt damit zurück an die CDU. Möglich gemacht hat das die Linkspartei.
Denn im Landtag, wo die AfD jetzt stärkste Kraft ist, fehlt Voigts Koalition exakt eine Stimme zur Mehrheit. Sie wird dauerhaft auf die Unterstützung der Linken angewiesen sein, damit die Brandmauer zur AfD weiterhin steht.
Das wird nicht ohne Zugeständnisse funktionieren: Die Linke verlangte vor der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen bereits eine schriftliche Vereinbarung, der Voigt nur widerwillig zugestimmt haben dürfte. Und die AfD kann im Landtag auch im Alleingang wichtige Entscheidungen blockieren, für die eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig ist.
Mario Voigt Schwur Vereidigung thüringische Flagge
Thüringens Landtag hat Mario Voigt (CDU) zum Ministerpräsidenten gewählt. Er erreichte auf Anhieb die absolute Mehrheit - obwohl seine Brombeer-Koalition keine eigene Mehrheit hat.12.12.2024 | 2:35 min
Im heute journal gab sich Voigt optimistisch, dass er für Thüringen trotz der schwierigen Ausgangslage Lösungen finden kann - auch in der zwischen den Parteien vieldiskutierten Migrationspolitik.
Sehen Sie das Gespräch mit Voigt oben im Video in voller Länge und lesen Sie hier Auszüge. Das sagte Voigt darüber …

... wie er zur Unterstützung durch die Linke steht:

Er sei "wahnsinnig froh", dass Thüringen ein so deutliches Signal für einen "Geist des Miteinanders" gesendet habe, sagte Voigt. Die Abgeordneten hätten die staatspolitische Verantwortung gespürt. Mit Blick auf die Wahl 2020, als der FDP-Kandidat Thomas Kemmerich mit den Stimmen der AfD ins Amt gehoben wurde, betonte Voigt, Thüringen sei "keine politische Problembeschreibung mehr (...) - und das freut mich".
Der Frage, ob er ausdrücklich sagen würde, dass die Linkspartei ihm das Amt ermöglicht habe, wich Voigt gleich zweimal aus. "Es ist ja eine geheime Wahl gewesen, aber es spricht vieles dafür, dass dort Abgeordnete mit ihrer staatspolitischen Verantwortung auch gesagt haben, wir wollen das nicht in die Hände von Björn Höcke legen", sagte er zunächst. Von AfD-Mitgliedern wolle er nicht gewählt werden, stellte er auf erneute Nachfrage klar:

Die Linke hat das ja erklärt, aber deswegen sage ich ja auch, es sind freigewählte Abgeordnete im Thüringer Parlament. Und ich finde, es gebietet auch der Respekt, dass man das auch so betrachtet.

Mario Voigt, Ministerpräsident von Thüringen

Melanie Haack über die Ministerpräsidenten-Wahl in Thüringen
Voigt ist Ministerpräsident in Thüringen – die Brombeer-Koalition hat allerding keine Mehrheit. Was das für ihn bedeutet, berichtete ZDF-Korrespondentin Melanie Haack.12.12.2024 | 1:18 min

... ob er den Unvereinbarkeitsbeschluss weiterhin für sinnvoll hält:

Den Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linken habe die Bundes-CDU 2018 zu Recht als Teil ihres politischen Kompasses eingeführt, sagte der frisch gewählte Ministerpräsident. Auch in Thüringen hindert der Beschluss die CDU an einer Koalition mit der Linkspartei. Mit dieser wäre rechnerisch eine Koalition möglich gewesen, die die Mehrheit im Landtag gehabt hätte.
Voigt gab sich dennoch überzeugt:

Hier in Thüringen haben wir mit den Sozialdemokraten und mit dem BSW, glaube ich, für einen neuen politischen Aufbruch in einem Regierungsvertrag richtig klasse Punkte gefunden.

Mario Voigt, Ministerpräsident

Als politische Themen, die er angehen will, benannte Voigt den Unterrichtsausfall an Schulen, die Wirtschaft "zu entfesseln" und die Migrationspolitik. Hier werde das Brombeer-Bündnis "für eine ordnende Hand, aber auch für faire Chancen" sorgen, versprach er.
Dass er nun mit dem BSW regiert, obwohl Sahra Wagenknechts Positionen - etwa ihre kritische Haltung zur Nato - damals zu dem Unvereinbarkeitsbeschluss beitrugen, ist für Voigt kein Widerspruch. Die Thüringer BSW-Chefin Katja Wolf sei eine erfahrene Oberbürgermeisterin, zudem seien in der Fraktion "zwei ehemalige SPD-Leute, zwei ehemalige CDUler, vier ehemalige Linke und der Rest freie Leute, die mit Politik begonnen haben. Das zeigt doch, dass dort ein ganz anderer Geist weht."

... wie er ohne eigene Mehrheit Politik machen will:

Er sei sich sicher, dass man in Thüringen zu Lösungen kommen werde - auch beim Thema Migrationspolitik, betonte Voigt. Wie genau er dies angehen möchte, ließ der Ministerpräsident offen. Doch er nannte zwei Beispiele: "In Thüringen waren es CDU-Landräte, die als Erstes die Bezahlkarte eingeführt haben und unter anderem auch die Arbeitsverpflichtungen in Gemeinschaftsunterkünften. Und das werden wir jetzt natürlich auch flächendeckend durchsetzen."
Das Interview führte ZDF heute journal-Moderatorin Marietta Slomka, zusammengefasst hat es Anja Engelke.

Icon von whatsapp
Quelle: dpa

Sie wollen auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie beim ZDFheute-WhatsApp-Channel richtig. Hier erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Zur Anmeldung: ZDFheute-WhatsApp-Channel.

Mehr Nachrichten aus Thüringen