"Königreich Deutschland": Was "Reichsbürger" so gefährlich macht

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"Königreich Deutschland":Was die "Reichsbürger" so gefährlich macht

von Charlotte Greipl
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Der Verein wird verboten, der Anführer festgenommen. Doch was verbirgt sich hinter dem "Königreich Deutschland"? Und welche Strafen drohen den mutmaßlichen Rädelsführern?

Ein Polizeifahrzeug fährt auf das Gelände des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe am 13.05.2025
Kaum im Amt, verbietet Innenminister Dobrindt das "Königreich Deutschland'", eine krude Vereinigung sogenannter "Reichsbürger". Anführer Peter Fitzek wurde festgenommen.13.05.2025 | 2:48 min
Sie seien keine "harmlosen Nostalgiker", sondern ein "kriminelles Netzwerk", sagt Innenminister Alexander Dobrindt (CSU). Wenige Tage nach seinem Amtsantritt verbietet er die Vereinigung "Königreich Deutschland".
Zeitgleich werden vier ihrer mutmaßlichen Anführer in Rheinland-Pfalz, Sachsen und Brandenburg festgenommen. Am Dienstag und Mittwoch werden sie in Karlsruhe dem Haftrichter vorgeführt.

Was ist das "Königreich Deutschland"?

Das "Königreich Deutschland" ist die größte Vereinigung der sogenannten Reichsbürger- und Selbstverwalter-Szene in Deutschland. Es wurde im September 2012 in Wittenberg gegründet und versteht sich als souveräner Staat, der sein Gebiet bis zu den Grenzen des Deutschen Reiches im Jahr 1871 erstrecken möchte.
Prominentestes Gesicht und "Oberster Souverän" des "Königreichs" ist Peter Fitzek, der der Generalbundesanwaltschaft zufolge "die Kontrolle und Entscheidungsgewalt in allen wesentlichen Bereichen" ausgeübt haben soll. Benjamin M. und Martin S. sind ebenfalls Gründungsmitglieder und Stellvertreter von Fitzek. Mathias B., der vierte Festgenommene, trat der Gruppierung 2013 bei und war für Finanzen zuständig.
Um die eigene Staatlichkeit zu unterstreichen, hat das "Königreich" eigene Strukturen und Institutionen geschaffen: Über ein Meldeamt erhalten die Bürgerinnen und Bürger des "Königreichs" eigene Pässe und Führerscheine. Selbst eine Krankenkasse wurde eingerichtet und die "Königliche Reichsbank" gibt eine eigene Währung aus - der Wert von einem "Engel" entspricht dem eines Euros.
Das alles mag auf den ersten Blick lächerlich erscheinen. Auch Innenminister Dobrindt kann sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er am Dienstagvormittag in der Pressekonferenz erklärt, es gebe in Deutschland rund 40 weitere angebliche Königreiche und Kaiserreiche. Doch der Gruppierung geht es um nicht weniger, als den "Systemausstieg". Ihre Mitglieder lehnen die Bundesrepublik Deutschland ab und möchten sie durch einen "Gegenstaat" ersetzen.
Bildschirme mit Symbolbildern Verschwörungstheorien und Grafik zum Thema Ablehnung des Staates
Woran glauben "Reichsbürger" und Selbstverwalter, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es und wie groß ist die Szene in Deutschland? Das Grafikvideo gibt einen Überblick.15.07.2024 | 1:15 min

Was macht die Gruppierung so gefährlich?

Bei den Durchsuchungen am Dienstag wurden nach Angaben von Dobrindt "keine relevanten Waffen" sichergestellt. Auch Jan Rathje, Politikwissenschaftler und Experte für Verschwörungsideologien beim Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) sagt im Gespräch mit dem ZDF, das ihm das "Königreich Deutschland" bisher nicht durch eine hohe Gewaltbereitschaft aufgefallen sei. "Reichsbürger" gelten aber allgemein als waffenaffin. Rathje sagt:

Typisch ist die Vorstellung, dass man sich in einer Art Endzeit befindet, wo die Mächte des Lichts und der Finsternis gegeneinander eine entscheidende Schlacht schlagen.

Jan Rathje, Experte für Verschwörungsideologien

Auch Peter Fitzek, der "spirituelle Führer" der Gruppe, habe dies gepredigt. Seine Haltung habe er mit antisemitischen und menschenfeindlichen Inhalten verknüpft.
Experten befürchten daher, dass die zunehmende Delegitimierung der Bundesrepublik dazu führen könnte, dass die Anhänger des "Königreichs" irgendwann militant würden. Besonders brisant: Die Gruppierung hat nach eigenen Angaben über 6.000 Anhängerinnen und Anhänger, das Innenministerium geht von etwa 1.000 Mitgliedern aus.

Welche rechtlichen Vorwürfe werden erhoben?

Die Beschuldigten sind verdächtig, sich als Rädelsführer in einer kriminellen Vereinigung mitgliedschaftlich betätigt zu haben. Dafür droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Peter Fitzek werden zudem unerlaubte Einlagen- und Versicherungsgeschäfte vorgeworfen. Mathias B. soll ihn dabei unterstützt haben.
Wegen der besonderen Bedeutung hat die Bundesanwaltschaft das Verfahren an sich gezogen.

Besteht ein Bezug zu den "Reichsbürgern" um Prinz Reuß?

Große Aufmerksamkeit erhielten die sogenannten Reichsbürger zuletzt vor über zwei Jahren: Im Dezember 2022 wurden bei Razzien in ganz Deutschland insgesamt 25 Beschuldigte festgenommen, die für den "Tag X" einen Umsturz geplant haben sollen. Gegen sie laufen derzeit Verfahren in München, Stuttgart und Frankfurt.
Organisatorisch sind die Gruppierungen um Prinz Reuß und Peter Fitzek getrennt. Eine Zusammenarbeit mit Fitzek sei wegen dessen starken Führungsanspruchs auch nur schwer möglich, erklärt Politikwissenschaftler Rathje.
Dazu kommen zahlreiche weitere Gruppen, die der Szene der "Reichsbürger" und Selbstverwalter zugerechnet werden. Zwischen einigen bestehen aber durchaus Verbindungen: So treffen sie sich zweimal im Jahr in verschiedenen deutschen Städten, um für die Wiederherstellung des deutschen Kaiserreichs zu demonstrieren. Auch Fitzek soll dort bereits aufgetreten sein.

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