Öl- und Gasvorkommen vor Usedom entdeckt: Anwohner beunruhigt
Sorgen im Ferienparadies:Wie ein Ölfund vor Usedom Wellen schlägt
von Susanne Seidl
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Vor der deutsch-polnischen Insel Usedom hat die kanadische Firma CEP ein Öl- und Gasvorkommen entdeckt. Millionen Tonnen Öl sollen nur sechs Kilometer vor der Küste schlummern.
Vor mehreren Monaten hatte das kanadische Unternehmen CEP die Probebohrungen durchgeführt. (Archivbild)
Quelle: dpa
Es ist Badezeit auf Usedom. In den berühmten Kaiserbädern Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck tummeln sich zur Zeit Tausende Urlauber an den kilometerlangen weißen Sandstränden. Von hier aus können sie bis nach Swinemünde gucken, die Hafenstadt auf der polnischen Inselseite.
Doch von dort droht nun Ungemach: Probebohrungen im Winter haben ergeben, dass sechs Kilometer vor Swinemünde ein größeres Öl- und Gasvorkommen liegt. Das kanadische Unternehmen Central European Petroleum (CEP) hatte die Bohrungen durchgeführt. Vermutet werden dort rund 22 Millionen Tonnen Öl. Die deutschen Nachbarn sind alarmiert.
Wir machen uns Sorgen darum, dass wir demnächst hier Bohrtürme sehen werden.
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Henrik Toepfer, Bürgerinitiative Lebensraum Vorpommern
Sonne, Strand – Bohrturm vor der Nase. Auf Usedom fürchten Hoteliers und Urlauber um das Idyll der Insel, denn die polnischen Nachbarn wollen vor der Küste Öl und Gas fördern. Lässt sich das noch verhindern?16.08.2025 | 4:02 min
Sorge vor weiterer Industrialisierung
Seit Jahren beobachten Inselbewohner auf deutscher Seite die Industrialisierungsbemühungen auf der Nachbarhälfte der Insel. Im polnischen Swinemünde wurde 2015 ein LNG-Terminal eröffnet. Bis 2030 soll ein Containerhafen für Frachter bis zu 400 Meter Länge entstehen und die Ostsee von neun auf etwa 17 Meter ausgebaggert werden.
Axel Kindler und seine Mitstreiter der Bürgerinitiative "Lebensraum Vorpommern" versuchen das gerichtlich zu verhindern, bisher erfolglos. Und jetzt auch noch die Meldung vom Öl.
"Ich glaube, an dieser Stelle ist es eine vielschichtige Industrialisierung, wo noch viel mehr Leute nach meinen Dafürhalten wach werden müssten. Und sagen, hier muss genauer hingeschaut werden", sagt Kindler.
Hier müssen die Umweltrichtlinien, die in ganz Europa gelten, eingehalten werden.
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Axel Kindler, Bürgerinitiative Lebensraum Vorpommern
Vor Polens Ostseeküste wurden große Öl- und Gasvorkommen entdeckt. In Mecklenburg-Vorpommern kritisiert man ein mögliches Offshore-Ölfeld, das von Usedom aus sichtbar wäre, scharf.24.07.2025 | 2:07 min
Größter Ölfund in Polen seit dem Zweiten Weltkrieg
Polen verfügt über wenig eigenes Öl und importiert ca. 25 Millionen Tonnen jährlich. Bis zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine kamen 40 Prozent davon aus Russland. Jetzt holt es Polen aus anderen Ländern, zu einem inzwischen deutlich höheren Preis. Da ist der Ölfund erstmal eine gute Nachricht.
"Sollte sich dieses Vorkommen tatsächlich bestätigen und erschlossen werden, könnte es über einen Zeitraum von mehreren Jahren etwa vier bis fünf Prozent des nationalen Bedarfs decken", sagt Krzysztof Galos, der stellvertretende Umweltminister Polens.
Das wäre zwar keine Revolution, aber ein bedeutender Beitrag zur Stärkung der Energiesicherheit.
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Krzysztof Galos, Stellvertretender Umweltminister Polens
Trotz Sanktionen verdient Russland am Ölexport und finanziert so den Krieg gegen die Ukraine. Mithilfe von Schattentankern wird das Öl über die Meere transportiert.22.01.2025 | 43:40 min
Minister Backhaus fordert Umweltverträglichkeitsprüfung
Ob es tatsächlich zur Ölförderung kommt, will die polnische Regierung in den nächsten Monaten prüfen. Umweltminister Till Backhaus aus Mecklenburg-Vorpommern lehnt Ölbohrungen vor Usedom als rückwärtsgewandte Technologie ab und fordert eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung.
Wir werden auch prüfen, uns gegebenenfalls an die Europäische Union zu wenden, weil unter dem Strich muss man ja auch festhalten, das Land Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland ist hier massiv betroffen.
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Till Backhaus, Umweltminister Mecklenburg-Vorpommern
Das Gasfeld und das Ölfeld führe nach seinem Kenntnisstand in das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. "Insofern ist es hier wirklich ein grenzüberschreitendes Thema", sagt Backhaus.
Zu viel Verkehr, zu wenig Wohnraum. Die Menschen auf Usedom kennen die typischen Probleme aller beliebten Urlaubsregionen. Trotzdem sind Gäste willkommen. Usedom investiert, damit es Platz für alle gibt.26.07.2025 | 4:06 min
Usedom lebt vom Tourismus
Hotelier Markus Scharon vom Strandidyll Heringsdorf schaut mit Sorgen von der Hotelterrasse auf die Ostsee. Es ist dieser freie Blick aufs Meer, sagt er, den seine Gäste so lieben. Übrigens auch die Gäste seiner polnischen Hotelkollegen in Swinemünde. Auch sie äußerten Zweifel, allerdings nur hinter vorgehaltener Hand, erzählt er, ob Ölbohrungen in Sichtweite des Strandes gut für ihr Geschäft wären.
Während der Ölfund auf beiden Seiten der Insel Usedom die Gemüter erregt, versucht Polens derzeitiger Chefdiplomat in Deutschland, Jan Tombinski, Ruhe in die Sache zu bringen. Es gäbe noch keine konkreten Förderpläne, sondern lediglich geologische Hinweise. "Die Suppe wird nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht wird" zitiert er das deutsche Sprichwort in einem Interview mit der Schweriner Volkszeitung.
Darauf allein werden sich Umweltschützer, Hoteliers und die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern sicher nicht verlassen wollen.
Susanne Seidl ist Reporterin im ZDF-Landesstudio in Mecklenburg-Vorpommern.