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Analyse
Niedersachsens Ministerpräsident:Olaf Lies: Schrauben am Deutschland-Tempo?
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Niedersachsen ist VW-Autoland. Und hat einen neuen Ministerpräsidenten mit Spaß an Technik: Olaf Lies (SPD) bastelt gern an alten Fahrzeugen. In Hannover übernimmt ein "Schrauber".
Anfangs wurde noch spekuliert, ob Olaf Lies, studierter Ingenieur für Elektrotechnik, am Dienstag mit seinem Oldtimer-"Bulli" zur Wahl und Vereidigung als Ministerpräsident Niedersachsens im Landtag vorfahren könnte. Zumindest hat er ihn vor dem Termin wohl nochmal extra aufpoliert.
Ministerpräsident muss Zukunft von VW mitgestalten
Mit dem VW-Bus anzureisen, wäre ein launiges Statement gewesen. Im Aufsichtsrat des Konzerns sitzt der bisherige niedersächsische SPD-Wirtschaftsminister Lies auch jetzt schon. Das Ringen um die Zukunft des größten deutschen Unternehmens wird in seiner künftigen Arbeit breiten Raum einnehmen. Wenn VW hustet, hustet ganz Niedersachsen mit.
Bei der Auseinandersetzung um die Weichenstellungen des Konzerns Ende vergangenen Jahres nahm Lies die härtere Position gegen allzu frivole Schließungs- und Stellenabbaupläne des Vorstandes ein. Der bisher amtierende Ministerpräsident Stephan Weil gab sich konzilianter in der Abwägung der Interessen der Anteilseigner einerseits und aufgebrachter Arbeitnehmer auf der anderen Seite.
Bislang enges Verhältnis mit Stephan Weil
"Good Guy" und "Bad Guy" als abgesprochene politische Rollenverteilung zwischen Weil und Lies, wenn es ans Eingemachte geht? Vielleicht war das beim Kampf um Arbeit und Standorte vor Weihnachten so. Der alte und der neue Ministerpräsident arbeiten schon lange eng und vertrauensvoll zusammen.
Als SPD-Politiker Weil Anfang April verkündete, zur Hälfte seiner Amtsperiode den Stab an Lies übergeben zu wollen, ist es die Ankündigung eines Wechsels unter Freunden gewesen. Obwohl sie vor Jahren als Rivalen gestartet waren.
Niedersachsen: Olaf Lies muss Transformation vorantreiben
Lies hätte vor sechs Jahren die Chance gehabt, als gut bezahlter Hauptgeschäftsführer zum Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft zu wechseln. Weil hat ihn wohl überredet, noch eine Weile in der Politik zu bleiben. Die Ernte fährt der Nachfolger jetzt ein.
Und was wartet jetzt als dringlichste Aufgabe auf ihn und seine rot-grüne Koalition? Alles, was Weil unter dem Slogan "Einfacher, schneller, günstiger" im Hinblick auf Infrastrukturausbau zuletzt begonnen, aber kaum vollendet hat. Weil war ein guter Landesvater und Krisenmanager, aber keiner, der mit Eifer einreißt und neu baut. Transformation läuft auch hier im Norden eher schleppend.
Erneuerung mit mehr Tempo bleibt Lies überlassen, angefangen bei der immer noch dürftigen Digitalisierung. Auch beim Bürokratieabbau muss er einen Gang hochschalten. Die niedersächsische Wirtschaft erwartet viel von dem Mann, der ja bisher schon in der Landesregierung als Minister für sie zuständig war. Lies ist als Anpacker bekannt, auch beim Bad in der Menge, beim Herzen und Händeschütteln.
LNG-Terminal: Hohes Tempo als Positivbeispiel
Nun darf er als "Schrauber" zeigen, wie ein in die Jahre gekommenes System im Hinblick auf die allgemeinen Herausforderungen flotter und fahrbarer gemacht werden kann. Rodungen im niedersächsischen Förderdschungel gehören dazu, denn neue Projekte und Innovation bleiben allzu oft im Vorschriftendickicht hängen.
Sein Gesellenstück dafür hat Lies beim ultraschnellen Bau des ersten deutschen Terminals für Flüssigerdgas in Wilhelmshaven (LNG) geliefert. Dafür wurde der Begriff "Deutschland-Tempo" geprägt. Jetzt muss der neue Ministerpräsident das "Niedersachsen-Tempo" zum Prädikat machen.
Gesprächsangebote an CDU
Da könnte dem Diplom-Ingenieur helfen, dass er Problemlösung in den Vordergrund stellt und nicht nur als Parteisoldat unterwegs ist. Sein künftiger Regierungssprecher, ein Vertrauter über Jahre, ist FDP-Mitglied. Und der CDU-Opposition in Niedersachsen hat Lies bereits die Hand gereicht und sich zum Gespräch angeboten.
Allerdings wiesen die Christdemokraten in Hannover ein Besuchsangebot des neuen Ministerpräsidenten noch vor der Wahl zurück. Er möge erst einmal mit echten Vorschlägen und einem Zukunftsprogramm "um die Ecke kommen".
Wie auch immer Olaf Lies diese Aufforderung angeht: Zur Vereidigung am Dienstag fuhr er nicht mit dem "Bulli" vor. Passt nicht ins Protokoll, passt nicht ins Sicherheitskonzept, hieß es in seinem Umfeld. Kein Platz für Spaß à la Lies. Der "Schrauber" macht ernst.
Peter Kunz leitet das ZDF-Landesstudio in Hannover.
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