Szepesi bei "Lanz": "Muss schon aufpassen und wachsam sein"

Auschwitz-Überlebende bei "Lanz":Szepesi: "Man muss aufpassen und wachsam sein"

von Bernd Bachran
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Die Auschwitz-Überlebende Eva Szepesi mahnt bei "Markus Lanz" die Jugend in Deutschland: "Ihr habt die Verantwortung, dass so etwas nie mehr passieren soll."

Eva Szepesi zu Gast bei "Markus Lanz".
Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 12. Februar 2025 in voller Länge.13.02.2025 | 46:17 min
Im Jahr 2024 fand die jährliche "Gedenkstunde an die Opfer des Nationalsozialismus" im Bundestag am 31. Januar statt. Eine Rednerin: Eva Szepesi. In einer eindrucksvollen Rede mahnte die damals 91-jährige, die als Kind das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau überlebte:

Die Shoah begann nicht mit Auschwitz. Sie begann mit Worten. Sie begann mit dem Schweigen und dem Wegschauen der Gesellschaft.

Eva Szepesi

Ebenfalls an diesem Tag sprach der Sportjournalist und Sohn eines Holocaust-Überlebenden, Marcel Reif, vor dem Bundestag. Er berichtete von der Sprachlosigkeit seines Vaters über das Erlebte.
Jedoch blieben Reif drei Worte seines Vaters unvergessen: "Viele Jahre nach dem Tod meines Vaters fiel mir ein, dass er mir bei vielen Gelegenheiten - wenn ich was gefragt habe oder er mich tadelte … - nur drei Worte sagte, immer auf Jiddisch: 'Sei ein Mensch!'"
Holocaust-Gedenken
Im Bundestag wird den Opfern des Nationalsozialismus gedacht. Zu Gast ist 91-Jährige Jüdin Eva Szepesi, die mit zwölf Jahren in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurde.31.01.2024 | 2:07 min

Forderung nach mehr Unterstützung für die Aufklärung der Jugend

Bei "Markus Lanz" sprach Eva Szepesi ihre Sorgen über die Entwicklung in Deutschland an, wenn es um die Themen Migration und Antisemitismus geht und forderte eindringlich:

Mein Wunsch wäre, dass die Regierung mehr Unterstützung für Schulen und Lehrer gibt, für die Erinnerungsarbeit und Aufklärung, für die Jugend. […] Die müssen wissen, was alles vor 80 und 90 Jahren passiert war.

Eva Szepesi, Auschwitz-Überlebende

Eva Szepesi: "Man muss schon aufpassen und wachsam sein." Marcel Reif gab der Auschwitz-Überlebenden recht, kritisierte aber gleichzeitig die deutsche Erinnerungskultur und Sätze wie "Wir müssen unsere Vergangenheit aufarbeiten".
Marcel Reif: "Wir möchten aufarbeiten, was dieser Frau angetan wurde? Aufarbeiten? Wie soll das denn gehen?". Weiter sprach der Sportjournalist über seine Erfahrung und Gefühle, als er vor einem Jahr vor dem Bundestag sprach.
Protest Freie Universität Berlin
Mehr als 70 Professorinnen und Professoren haben sich mit einer Erklärung gegen Antisemitismus an deutschen Hochschulen positioniert. Die Unterzeichnenden stellen sich "ohne Wenn und Aber vor unsere jüdischen Studierenden und Kolleginnen und Kollegen". 04.07.2024 | 2:25 min

Reif kritisiert Trauer-Routine

Diese Gedenkstunde vor einem Jahr im Bundestag. Ich wurde hinterher das Gefühl nicht los, […] alle ziehen dunkle Anzüge an, Plenarsitzung, Streichquartett, ernste Musik, alle gucken betreten. Anderthalb Stunden, zwei Reden. Und danach gehen wir nach Hause und sind dem Datum mal wieder gerecht geworden."
Auch Marcel Reif findet die aktuelle Situation in Deutschland besorgniserregend. "Der Tabubruch, ist für mich nicht, dass die CDU mit der AfD gestimmt hat oder die AfD mit der CDU."

Der Tabubruch ist: In diesem Bundestag sitzt eine große Fraktion, die gesichert rechtsgerichtet, die in großen Teilen rechtsradikal und in Teilen rassistisch ist. Das ist ein Tabubruch.

Marcel Reif , Sportjournalist

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In vielen Städten fanden Massenproteste gegen Rechts und für Demokratie statt. Auslöser sind die Bundestagsabstimmungen, bei denen die Union Stimmen der AfD in Kauf genommen hat.08.02.2025 | 1:44 min

Szepesi: Die Jugend ist ein Hoffnungsträger

Eva Szepesi sprach aber auch von Hoffnung. Besonders die Jugend ist für sie ein Hoffnungsträger. Wenn sie Vorträge an Schulen über das Erlebte hält, sei es immer still und die jungen Menschen konzentriert. "Die haben wirklich Interesse, die wollen wissen, was passiert war."
Immer wieder appelliert die Auschwitz-Überlebende bei ihren Vorträgen an die Zuhörer und Zuhörerinnen: "Ihr könnt nichts dafür, was damals passiert war. Aber ihr habt die Verantwortung, dass so etwas nie mehr passieren soll."
Eva Szepesi weiter: "Ihr sollt entgegentreten, wenn ihr Ungerechtigkeit (seht), weil unsere Demokratie ist so was Wertvolles, da muss jeder Einzelne dafür etwas tun, dass es nicht vorbei ist mit der Demokratie."
Gedenken an Ausschwitz-Befreiung
Eva Szepesi überlebte als junges Mädchen das Konzentrationslager Auschwitz. Heute spricht sie als Zeitzeugin in Schulen.27.01.2025 | 1:51 min

Judenhass und Kritik am Staat Israel müssen klar getrennt werden

Marcel Reif sprach davon, dass man Judenhass und Kritik am Staat Israel ganz klar trennen muss, bemängelte aber, dass dies zu oft vermischt werde und "da fühle ich mich zuweilen in diesem Land nicht wohl." Das liegt auch daran, dass, nach der Auffassung von Marcel Reif, Antisemitismus in Deutschland nicht immer konsequent verfolgt und bestraft wird.
"Wenn ich eine Zigarette an einem Flughafen anzünde, kommt zwei Minuten später die Kavallerie. Ich kann aber hier auf deutschen Straßen und Plätzen (antisemitische) Dinge hören, eindeutig und auch ganz klar in Richtung der Polizei. Und am nächsten Tag höre ich: Das lässt sich nicht identifizieren, das lässt sich nicht eindeutig festmachen, es wurden Personalien festgestellt und damit hat sich das."
Laura Cazés
"Wir befinden uns aktuell in einer Situation, in der Antisemitismus, obwohl er ganz offenkundig geschieht, nicht hinreichend benannt wird ", so Laura Cazés von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland.30.10.2023 | 6:46 min

Reif: "Das ist jedes Mal ein Mensch"

Als die Auschwitz-Überlebende sehr kurz aus ihrer bewegenden persönlichen Geschichte erzählte, kommentierte Marcel Reif ergriffen: "Ich hätte gerne, dass jeder, der eine antisemitische Neigung hat, ihr ein paar Minuten zuhören könnte. Ich hasse diese Zahl "Sechs Millionen Juden". Das ist Sechs Millionen Mal eine Geschichte. Das ist jedes Mal ein Mensch."

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Quelle: dpa

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