Katholische Kirche: Offenerer Umgang mit Homosexualität gefordert

Interview

Queerer Priester über Papst:"Kirche hat enormen Nachholbedarf"

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Mit der Wahl des neuen Papstes steht die Kirche am Wendepunkt: Neues wagen oder Tradition bewahren? Der offen schwule Priester Wolfgang Rothe fordert: Kirche muss offener werden.

Wolfgang F. Rothe
Wolfgang Rothe (Archivbild)
Quelle: Imago

Er hat homosexuelle Paare gesegnet, als das noch offiziell untersagt war: Wolfgang Rothe, ein katholischer Priester, der sich vor Jahren selbst als schwul geoutet hat. Er setzt sich für Queere ein, für die Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt, kritisierte die katholische Sexualmoral und den Umgang mit Missbrauch in der Kirche.
ZDFheute: Sie sind katholischer Priester und in der Queer-Seelsorge tätig. Wie blicken Sie auf Papst Franziskus zurück?
Wolfgang Rothe: Um ehrlich zu sein, blicke ich mit etwas gemischten Gefühlen auf das zu Ende gegangene Pontifikat zurück, weil Papst Franziskus von Anfang an sehr starke Signale einer Öffnung ausgesandt hat. Zum Beispiel hat er 2013 einmal auf die Frage, was er von homosexuellen Menschen hält, geantwortet: "Wer bin ich, um zu urteilen?"
Dadurch sind viele Hoffnungen geweckt worden, die der Papst aber am Ende wohl doch nicht bereit war zu erfüllen. Und insofern klafft nach meinem Empfinden zwischen dem, was der Papst an Hoffnungen geweckt hat, und zwischen dem, was in Erfüllung gegangen ist, doch eine gewisse Kluft.
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Auf der anderen Seite blicke ich sehr dankbar zurück, dass er wenigstens diese Worte gesprochen hat, die Hoffnung geweckt haben, denn in den Jahren zuvor war all das, rund um das Thema Queersein, Homosexualität, in der Kirche tabuisiert. Man durfte nicht darüber sprechen, man konnte nicht darüber sprechen, vielen fehlte die Sprache und viele haben sich aus Angst nicht getraut, diese Themen zur Sprache zu bringen.

Und indem auf einmal der Papst davon sprach, war es auch in allen anderen Bereichen möglich. Das ganze Thema ist also aus der Tabuisierung herausgefallen.

Wolfgang Rothe

Zu sehen ist Dr. Wolfgang Rothe.
Quelle: privat

... geboren 1967 in Marburg, ist ein offen schwuler Priester, Theologe und Kirchenrechtler. Im Sommer 2024 wurde der Priester von seinem Posten als Pfarrvikar zum Seelsorger abberufen. Seit Dezember 2024 ist er Mitglied im Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz. Als einer von 16 offiziell ernannten Queerseelsorgern im Erzbistum München und Freising setzt er sich außerdem für die queere Community in der Kirche ein.

ZDFheute: Was wären Ihre konkreten Wünsche an den nächsten Papst?
Rothe: Ich habe schon sehr konkrete Wünsche im Hinblick auf den neuen Papst, nämlich, dass diese Atmosphäre der Offenheit in der Kommunikation über bisherige Tabuthemen, die auf einmal möglich war, dass dies nicht nur Atmosphäre bleibt, sondern auch tatsächlich die Lehre der Kirche verändert.
Denn solange die Lehre der Kirche diskriminierend ist, im Hinblick auf Frauen, im Hinblick auf queere Menschen, solange wird die Kirche immer unglaubwürdig bleiben. Denn das, was Jesus gelebt hat, was er gelehrt hat, das ist ja gerade dieses Auf-die-Menschen-Zugehen, die Menschen akzeptieren, so wie sie sind. Gerade auf Menschen zugehen, die am Rand stehen, die ausgegrenzt werden.
Da hat die Kirche enormen Nachholbedarf. Und wenn sie hier tatsächlich auch im Hinblick auf ihre Lehre Korrekturen anbringt, dann könnte ich mir vorstellen, dass auch ihre Glaubwürdigkeit langsam, wirklich langsam, wieder beginnen könnte zu wachsen.
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ZDFheute: Was glauben Sie, welche Reformen notwendig sind, um die Menschen weiter am Glauben und in der Kirche zu halten?
Rothe: Es gibt natürlich viele Überlegungen, den Glauben besser in unserer Zeit vermittelbar zu machen, besser zu transportieren, aber man darf diese sogenannten Reizthemen nicht vergessen. Und die haben eine solche Wirkmacht, dass sie einfach mit in Betracht gezogen werden müssen, wenn man Menschen in der Kirche halten möchte.
Und ein Thema, das sich eigentlich sehr schnell und ohne Probleme lösen ließe, wäre die Frage des Zölibats der Priester.

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Wolfgang Rothe

Die Vorschrift des Zölibats ist kaum ein Jahrtausend alt, wurde im Laufe der Zeit mit immer neuen Begründungen versehen, hat also vielfältige Wandlungen durchgemacht. Diese Vorschrift könnte ein Papst mit einem Federstrich ändern.
Das Interview führten Cordelia Strauß und Jannika Lechner aus dem ZDF-Landesstudio in Bayern.

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Quelle: dpa

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