Hort in Wiesbaden vor dem Aus:Ganztagsanspruch: Was das für freie Träger bedeutet
von Susana Santina
Wenn ab kommendem Schuljahr der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung gilt, wollen viele Kommunen die Fördergelder nur an Grundschulen geben. Stehen freie Träger vor dem Aus?
Sollte der bundesweite Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Kraft treten, könnten privaten Betreuungsstellen die finanziellen Mittel fehlen.
04.12.2025 | 2:00 minSeit 40 Jahren gibt es den Hort "Die Rübe" in Wiesbaden. Nun machen sie sich dort große Sorgen. Denn wenn ab dem nächsten Schuljahr der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung gilt, will die Stadt die Fördergelder von Bund und Land direkt an die Grundschulen geben.
Der Brief des Dezernats für Soziales, der vor einiger Zeit eintrudelte, war unmissverständlich. Die Förderung der Stadt Wiesbaden für den Hort läuft im Sommer 2026 aus. "Das war für uns natürlich ein großer Schock", sagt Caroline Winter vom Vorstand des Wiesbadener Horts.
Es ist für uns sehr kritisch, wenn Eltern nicht mehr wählen können, wo sie ihr Kind in die Nachmittagsbetreuung geben, sondern dass sie quasi gezwungen sind, es an die Schulen zu geben.
Caroline Winter, Hort "Die Rübe"
Die Stadt Wiesbaden hat vorgeschlagen, dass "Die Rübe" ab Mitte nächsten Jahres nur noch Kita-Plätze anbietet. Aber damit wollen sie sich nicht abfinden. "Unser Gesamtkonzept, dass wir Kinder ab ca. drei Jahren bis zum Ende der Grundschule betreuen, ginge damit verloren", so Caroline Winter.
Rechtsanspruch ermöglicht Einbindung freier Träger
Auch die Kleinen hier fänden es schade. Die 6-jährige Caterina denkt vor allem an die Kita-Kinder, die hier im Erdgeschoss des Hauses betreut werden. "Dass der Hort bleibt, ist auch für die Kindergruppe wichtig. Denn die würden auch gern in den Hort gehen", sagt sie. Und Karla fügt hinzu:
Ich bin traurig und wütend, weil die Rübe ist für mich ganz wichtig.
Karla
Durch Ausfälle bei der Kita-Betreuung geraten berufstätige Eltern oft unter Druck. Laut einer Umfrage berichteten 44 Prozent im Herbst 2024 von zeitweisen Schließungen.
29.01.2025 | 0:22 minGrundsätzlich ermöglicht der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung die Einbindung freier Träger. Dennoch planen viele Kommunen, Fördergelder von Bund und Land nur an die Grundschulen zu geben. Warum werden Ganztagsplätze in freier Trägerschaft abgebaut, wenn klar ist, dass mit dem Rechtsanspruch ein riesiger Bedarf bestehen wird?
Wir wollen die zuständige Wiesbadener Sozialdezernentin Petra Becher nach den Gründen fragen. Doch ein Interview wird abgelehnt. Schriftlich heißt es, "…dass Hortplätze in den vergangenen Jahren (…) bereits an vielen Standorten im Zuge der Ausweitung der Schulkinderbetreuung an den Schulen erfolgreich umgewandelt wurden".
Studien melden sinkende Leistungen an Grundschulen. Viele Kinder kämpfen unter anderem mit der Sprache. Eine Schule zeigt Wege für mehr Unterstützung für Lernende.
16.11.2025 | 1:45 minEntscheidung liegt bei den Kommunen
Der Hessische Kultusminister Armin Schwarz betont gegenüber ZDFheute, dass er auf die Einbindung freier Träger keinen Einfluss habe. Die Entscheidung liege bei den Kommunen. Er könne nicht verstehen, warum man auf die Kompetenz der freien Träger verzichten wolle.
Etablierte Strukturen, mit denen man gute Erfahrungen hat, sollte man, das sage ich aus meiner Erfahrung, nicht zerschlagen.
Armin Schwarz, Kultusminister Hessen
"Aber zum Schluss muss die Kommune selber entscheiden", sagt Schwarz. Er sehe den Wettbewerb nicht. "Beide sind zugelassen, beide sind gewünscht."
Kita-Plätze gelten als Mangelware. Was steckt hinter dem Problem?
09.10.2025 | 2:44 minGanztagsbetreuung: Rechtsanspruch erstmal nur für erste Klassen
Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung gilt ab dem Schuljahr 2026/27 für alle Grundschulen. Beginnend mit den ersten Klassen wird er dann Jahr für Jahr bis zur vierten Klasse ausgebaut. Es ist in jedem Fall eine große Herausforderung.
Nicht nur deswegen plädiert auch Kai Maaz, Direktor des DIPF Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation für die Einbeziehung freier Träger. Er halte sie für "essenziell", wenn es um "gute, ganztägige Bildungsangebote" gehe. "Weil sie vielerorts das auffangen, was die Voraussetzung für guten Unterricht in der Schule ist", so Maaz.
Wir brauchen Kinder, die stabil sind, die sich was zutrauen, die Selbstwert und Selbstsicherheit haben.
Kai Maaz, Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation
"Und da können Angebote der Kinder- und Jugendhilfe extrem viel leisten", sagt Maaz. Das jetzt herauszuschneiden und in Schule zu verlagern, hält der Bildungsforscher für falsch.
Susana Santina berichtet aus dem ZDF-Studio in Wiesbaden.
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