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Interview
Bundesweite Proteste:Experte: "Leute sind jetzt noch besorgter"
von Jonas Kapp und Sara Lazarska
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Gegen einen möglichen Rechtsruck gingen am Wochenende Hunderttausende auf die Straße. Wem der Protest nützt und was das für den Wahlkampf bedeutet, erklärt ein Konfliktforscher.
Seitdem CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz AfD-Stimmen in Kauf nahm, um sein Migrationsgesetz durchzusetzen, reißt die Kritik an ihm nicht ab. Ob Berlin, Köln oder Leipzig - landesweit gab es am Wochenende zahlreiche Demonstrationen und Kundgebungen mit Hundertausenden Teilnehmern.
Konfliktforscher Felix Anderl sieht für die Protestwelle zwei Gründe. Erstens: der Zeitpunkt. Kurz vor der Wahl seien die Leute noch mobilisierter, seien noch stärker daran interessiert, dass sich gewisse Dinge jetzt nicht verändern. Ein zweiter Grund sei die neue Strategie von CDU-Chef Merz, so Anderl. Dadurch sei jetzt eine ganz starke Dringlichkeit dazugekommen.
Die Leute sind jetzt noch besorgter.
Prof. Felix Anderl, Konfliktforscher an der Universität Marburg
Konfliktforscher: AfD, SPD und Grüne könnten profitieren
Das werde sich auch in den nächsten Wochen in einer sehr starken Mobilisierung widerspiegeln und dürfte sich dann auch auf die Bundestagswahl auswirken, so Anderl. Allerdings im Sinne einer Polarisierung. Die habe Merz bewusst herbeigeführt.
Dafür könne sich "vor allem die AfD bedanken", aber auch SPD und Grüne, "weil wir jetzt in einen klassischen Lagerwahlkampf reinschlittern, in dem Pro-Demokratie-Kräfte mit größerer Dringlichkeit für sich werben können", so der Konfliktforscher. Dafür müssten SPD und Grüne dann gar nicht mehr viel machen.
Sie profitieren letztlich von dieser Mobilisierung gegen das Abdriften in den Faschismus.
Konfliktforscher Felix Anderl
Mobilisierung von zwei unterschiedlichen Gruppen möglich
Zur Frage, welche Gruppen jetzt mobilisiert werden, macht Anderl zwei Strömungen aus: Er hält es einerseits für wahrscheinlich, dass Menschen, die "nicht aus dem linken Spektrum" sind, bei der Bundestagswahl für linke Parteien abstimmen werden, "weil sie Schlimmeres verhindern wollen". Andererseits könne auch die AfD Zustrom erhalten, da die Partei "weiterhin normalisiert" werde.
Ich denke, er (Merz) rührt den Topf einmal um.
Felix Anderl, Universität Marburg
Das verenge allerdings die öffentliche Debatte wieder auf die Migrationsfrage. "Gerade die Linke hatte in den letzten Wochen geschafft, wieder andere Themen auf die Tagesordnung zu setzen. Diese gehen jetzt wieder in der hitzigen Migrationsdebatte unter."
Anderl sieht Parallelen zwischen den aktuellen Demonstrationen und der großen Protestwelle gegen die AfD und Rechtsextremismus Anfang 2024. Damals hätten sich ebenfalls Menschen in einer "relativ breiten Koalition" zusammengefunden. Auch "Leute, die typischerweise nicht auf Demos gehen" hätten sich den Protesten angeschlossen.
In diesem Kontext hebt Anderl die geografische Verteilung der Proteste hervor. Auffällig sei, dass neben den Metropolen auch auf dem Land "eine sehr nachhaltige Mobilisierung" stattgefunden habe - laut Anderl sei ein "anderes Spektrum der Bevölkerung" erreicht worden.
Das würde ich dieses Jahr auch wieder so vorhersehen.
Felix Anderl, Professor an der Universität Marburg
Quelle: dpa
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