Das rechtsextreme Magazin "Compact" darf weiter erscheinen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zeigt, wie hoch die Hürden für ein Verbot sind.24.06.2025 | 1:56 min
Normalerweise läuft es so: Ein Gericht fällt ein Urteil im direkten oder indirekten Zusammenhang mit der
AfD und/ oder ihren Kernthemen - und quasi im selben Atemzug treffen die ersten Pressemitteilungen aus der Partei in den Mailpostfächern der Redaktionen ein. Die AfD ist da inzwischen ebenso professionell wie die anderen Parteien.
Am heutigen Dienstag aber das exakt gegenteilige Bild: keine proaktiven Anschreiben und auch auf Nachfrage erstmal keine Reaktionen. Erst nach knapp fünf Stunden verschickte die Bundestagsfraktion eine erste Pressemitteilung - von einem Hinterbänkler.
Am Vormittag verkündete das Bundesverwaltungsgericht sein Urteil in der Hauptsache, ob das Verbot des Magazins Compact durch Ex-Ministerin Faeser wegen verfassungsfeindlicher Artikel rechtmäßig war.24.06.2025 | 2:12 min
"Compact" als publizistischer Arm der AfD
Aber noch aus einem anderen Grund ist das laute Schweigen der AfD-Spitze sehr erstaunlich: Das rechtsextremistische Magazin und die mit ihm verbundenen Publikationen verstehen sich als publizistischer Arm der Partei.
In einem Video spricht
"Compact"-Chef Jürgen Elsässer von einer "Fünf-Finger-Strategie" für den "Sturz" des, wie er es nennt, "Regimes", den er anstrebt: "Einen Finger kann man brechen, aber fünf Finger sind eine Faust." Diese fünf Finger seien "Compact", die rechtsextreme "Identitäre Bewegung", das rechtsextreme Kampagnennetzwerk "Ein Prozent", die ebenfalls rechtsextreme Pegida-Bewegung - und die AfD.
Der Verfassungsschutz bezeichnet die AfD bis zu einer Gerichtsentscheidung im Eilverfahren nicht mehr öffentlich als gesichert rechtsextremistisch. ZDFheute live ordnet ein.08.05.2025 | 30:35 min
Elsässer: AfD-Verbot nicht möglich
Namhafte AfD-Funktionäre bis hin zur Parteichefin
Alice Weidel geben "Compact" gern Interviews - auch menschelnde, zum Beispiel unter dem Titel "So tickt sie privat!". Im Wahlkampf legte "Compact" eigens eine "Kanzlerinnen-Medaille" mit dem Konterfei der Spitzenkandidatin und der sehr optimistischen Prägung "Kanzlerin Alice Weidel" auf - zu erstehen im Compact-Online-Shop für 74,95 Euro.
Es gibt also enge Verbindungen zwischen AfD und "Compact" - die Elsässer nach Verkündigung des Urteils auch direkt in einem Statement betonte: "Wenn es unmöglich ist, Compact zu verbieten, ist es auch nicht möglich, die AfD zu verbieten, der ja dasselbe vorgeworfen wird wie uns", jubelte er in Leipzig.
Auch dies ja eigentlich Grund zur Freude für die AfD, die ihre Hochstufung durch den Verfassungsschutz zur gesichert rechtsextremistischen Partei zwar juristisch und nach außen ebenso überzeugt von einem positiven Ausgang wie Elsässer bekämpft, gleichzeitig aber sehr besorgt ist. Sowohl die mögliche gerichtliche Bestätigung ihrer Hochstufung als auch die schon jetzt laufende Diskussion über ein mögliches Verbotsverfahren bereiten der Partei Sorge.
Über tausend Seiten hat das geleakte Verfassungsschutz-Gutachten über die AfD, in dem die Partei als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft wird. Nun dreht sich die Debatte um ein AfD-Verbot.20.05.2025 | 8:56 min
Remigrations-Begriff zentral im Urteil
Trotzdem aber: erstmal kein Wort von der Parteiführung. Womöglich auch wegen des Remigrations-Begriffs. Er spielt in der Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts eine zentrale Rolle. Er verstoße, so wie ihn der Kopf der "Identitären Bewegung" und sehr
eng mit "Compact" verbundene Martin Sellner propagiere, gegen das Grundgesetz.
Das ist nicht unproblematisch für die AfD: Sie wirbt mit dem höchst umstrittenen Remigrations-Konzept für sich. Mehr noch: Es ist längst untrennbar mit ihr verknüpft. Spätestens, seitdem Weidel den Begriff demonstrativ im Bundestagswahlkampf verwendete. Zwar gibt es unterschiedliche Auslegungen des Konzeptes, auch innerhalb der AfD. Die nimmt aber mindestens in Kauf, wenn sie nicht gar beabsichtigt, dass ihre Anhänger auch die Sellner-Variante aus ihren Reden und Postings heraushören beziehungsweise lesen.
Seit der Pandemie haben sich aggressive Einstellungen gegenüber der Presse verfestigt, so das Fazit von "Reporter ohne Grenzen". Insbesondere Rechtsextremisten drohen Journalisten.03.05.2025 | 2:47 min
Gericht betont Bedeutung von Meinungs- und Pressefreiheit
Außerdem wurden durch das Leipziger Urteil zwei wichtige Narrative der AfD einmal mehr in ihrem Wahrheitsgehalt erschüttert: Zum einen das der angeblich kaum bis gar nicht mehr vorhandenen Meinungsfreiheit in Deutschland. Das Grundgesetz garantiere selbst den "Feinden der Freiheit" die Meinungs- und Pressefreiheit, so das Gericht.
Eine weitere in der AfD beliebte Behauptung ist die der angeblich politisch gesteuerten Justiz. Auch die ist nach der heutigen Entscheidung schwer zu halten. Man wird die AfD womöglich daran erinnern müssen, wenn Gerichte über ihre Einstufung als gesichert rechtsextremistisch entschieden haben werden.
Bei ihrer Gründung 2013 war die AfD eine konservativ-bürgerliche Partei, gerichtet vor allem gegen die Euro-Rettungspolitik. Heute gilt sie in Teilen als gesichert rechtsextrem. 08.10.2024 | 43:48 min