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Unabhängigkeit der Justiz:AfD gegen besseren Schutz des Verfassungsgerichts
von Alexandra Tadey und Samuel Kirsch
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Das Bundesverfassungsgericht schützen, wenn Extremisten Mehrheiten bekommen, will eine breite Bundestagsmehrheit. Die AfD findet die Maßnahmen unnötig.
Ungewohnt einig treten Union und Ampelfraktionen heute im Bundestag auf. Die Einigkeit verwundert nicht, schließlich haben die Fraktionen den Antrag, der heute auf der Tagesordnung steht, schon gemeinsam erarbeitet und eingebracht. Und die Einigung ist auch nötig. Denn sie wollen das Grundgesetz ändern, wofür sie eine Zwei-Drittel-Mehrheit brauchen.
Bei der Verfolgung des Ziels, das Bundesverfassungsgericht gegen politische Vereinnahmung abzusichern, habe sich "Parlamentarismus in seiner besten Form" gezeigt, lobt Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Man habe sich bei der Erarbeitung des Entwurfs zugehört und sich die Chance gegeben, sich gegenseitig mit Argumenten zu überzeugen. Die Vertreter von Ampel und Union wollen mit ihren Anträgen vorausschauend handeln.
Demokraten sind wehrhaft, wir Demokraten sind nicht doof.
Dr. Till Steffen, Bündnis 90/Grüne
Einzig die AfD stellt sich heute gegen das Vorhaben. AfD-Abgeordneter Jacobi sieht keine Notwendigkeit für einen besseren Schutz des Verfassungsgerichts.
Ist das Verfassungsgericht bedroht?
Das deutsche Bundesverfassungsgericht gilt im internationalen Vergleich als ausgesprochen mächtig. Es kontrolliert beispielsweise, ob staatliche Maßnahmen Grundrechte verletzen. Verfassungswidrige Gesetze können die Richterinnen und Richter für nichtig erklären, obwohl das Parlament sie verabschiedet hat. Auch Parteiverbote darf allein das Bundesverfassungsgericht aussprechen.
Die politischen Folgen seiner Urteile sind teils immens. Trotzdem ist die Stellung des Gerichts im Grundgesetz nur rudimentär geregelt. Das hat praktische Folgen. Änderungen, die die Unabhängigkeit des Gerichts einschränken könnten, sind aktuell erstaunlich einfach möglich.
Welche Änderungen sieht der Entwurf vor?
Im Kern geht es bei der parteiübergreifenden Initiative deswegen darum, solche Änderungen künftig zu erschweren. Dazu sollen Vorgaben zu Struktur und Status des Gerichts, die bisher in einem einfachen Gesetz stehen, ins Grundgesetz aufgenommen werden. Sie könnten dann nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat geändert werden.
Im Grundgesetz verankert werden soll unter anderem der Aufbau des Bundesverfassungsgerichts aus zwei Senaten mit je acht Richterinnen und Richtern.
Auch die Altersgrenze der Richter (68 Jahre) soll künftig in der Verfassung stehen. Eine Maßnahme, die auf Erfahrungen in Polen zurückgeht. Dort hatte die bis 2023 von der rechtspopulistischen PiS-Partei geführte Regierung die Altersgrenze für Richterinnen und Richter herabgesetzt. So wurden zahlreiche Richterstellen frei.
- EuGH-Urteil: Polens Justizreform verstößt gegen EU-Recht
Ins Grundgesetz aufgenommen werden soll nach dem Gesetzentwurf außerdem das Recht des Bundesverfassungsgerichts, seine Arbeitsabläufe selbstständig zu organisieren.
Bundesjustizminister Marco Buschmann auf X
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Bei Richterwahl Blockade befürchtet
Bedeutsam für die Arbeitsfähigkeit des Gerichts ist auch, dass Richterstellen zügig nachbesetzt werden.
Zuständig für die Richterwahl sind Bundestag und Bundesrat, jeweils für die Hälfte der Verfassungsrichter. Schon heute brauchen Kandidatinnen und Kandidaten eine Zwei-Drittel-Mehrheit im jeweiligen Parlament. Diese Regelung sorgt dafür, dass Verfassungsrichter parteiübergreifend akzeptiert werden.
Das Zwei-Drittel-Erfordernis soll nach dem Entwurf nicht ins Grundgesetz geschrieben werden. Grund dafür ist wohl, dass eine Blockade befürchtet wird. Denn das hohe Quorum bedeutet zugleich: Eine Partei, die in einem der Parlamente mindestens ein Drittel der Sitze hat, kann die Richterwahl blockieren.
Schriebe man das Zwei-Drittel-Erfordernis im Grundgesetz fest, wäre in Blockade-Situationen der Weg, die erforderliche Mehrheit zu senken, um die Nachbesetzung einer Richterstelle zu ermöglichen, so gut wie versperrt.
Für Blockade-Konstellationen, die nur entweder Bundestag oder Bundesrat betreffen, schlägt der Gesetzentwurf einen Lösungs-Mechanismus vor: Kommt im Bundestag keine Mehrheit zustande, könnte der Bundesrat übernehmen und andersherum. Kommen weder Bundestag noch Bundesrat zu Mehrheiten, bleibt der Mechanismus allerdings wirkungslos.
Gemeint von den Blockade-Szenarien fühlt sich die AfD. Ihr Abgeordneter Peterka verweist darauf, dass sie aufgrund ihrer Wahlerfolge auch bald im Bundesrat vertreten sei.
Ob sie es wollen oder nicht, wir werden bald mit am Tisch sitzen. (...) Ihr merkwürdiger Ersatzwahlmodus läuft dann auch leer.
Tobias Matthias Peterka, AfD
Deutlich wird in der Debatte: Die vorgesehenen Maßnahmen werden das Bundesverfassungsgericht nicht vollständig gegen politische Vereinnahmung abschirmen. Änderungen, die seine Arbeit beeinflussen, bleiben möglich. Die Hürden dafür werden zwar höher, bleiben mit politischen Mehrheiten aber überwindbar.
Quelle: dpa
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