Trumps Kulturkampf: Kreuzzug gegen Diversität und Wokeness

Trumps Kulturkampf:Kreuzzug gegen Diversität und Wokeness

von Susanne Lingemann, New York
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Donald Trump hat eine Identitätspolitik etabliert, die sich explizit gegen Vielfalt, Gleichstellung und Minderheitenrechte richtet. Die Sorge vor dem Verlust von Freiheiten wächst.

Ein Mann in der protestierenden Menge vor den LGBTQIA-Flaggen
Neue Gesetze, öffentliche Hetze und Zensur: Minderheiten erleben derzeit überall in den USA eine politische und gesellschaftliche Gegenbewegung – selbst in New York.21.05.2025 | 6:33 min
Am Wochenende frühstückt Pariss Roman mit ihrer Schwester Jamie und Nichte Mia - ein Ritual, das Kraft gibt. Die 36-Jährige, queer, lateinamerikanischer Herkunft, bezeichnet sich als "bärtige Lady mit Körbchengröße A" und fühlt sich weder ganz als Mann noch als Frau - möchte aber mit "sie" angesprochen werden.
In ihrer Patchwork-Familie gilt die wichtigste Regel: Don’t judge, übersetzt: Verurteile nicht. Doch seit Donald Trump im Januar 2025 erneut Präsident wurde, scheint diese Haltung immer mehr bedroht. "Trump ist ein toxischer Bastard", sagt Pariss. "Aber er versteht, wie die Leute ticken - und nutzt das."
Pariss Roman bezeichnet sich als "bärtige Lady mit Körbchengröße A".
Pariss Roman bezeichnet sich als "bärtige Lady mit Körbchengröße A".
Quelle: ZDF

Tatsächlich hat Trump eine Identitätspolitik etabliert, die sich explizit gegen Vielfalt, Gleichstellung und Minderheitenrechte richtet. Bereits an seinem ersten Tag im Amt verkündete er: "Es gibt nur zwei Geschlechter - Mann und Frau." Damit erklärte er alle anderen Geschlechtsidentitäten für ungültig - und machte Pässe mit dem Eintrag "divers" obsolet.

Systematische Umkehrung schwer errungener Rechte

Viele wie Pariss sehen in Trumps Kampf gegen Wokeness eine systematische Umkehrung schwer errungener Rechte. So setzte Trump ein Bürgerrechtsdekret aus dem Jahr 1965 außer Kraft, das Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund von Hautfarbe verbot. Begriffe wie "Vielfalt", "Chancengleichheit", "schwul", "schwarz" oder "Frau" wurden in Bundesbehörden verboten.
Demonstranten versammeln sich während des landesweiten „Hände weg!“-Protestes gegen die Politik und die Exekutivmaßnahmen von US-Präsident Donald Trump.
Viele Menschen sehen in Trumps Kampf gegen Wokeness eine systematische Umkehrung schwer errungener Rechte.
Quelle: AFP

Was als Verwaltungsmaßnahme begann, entwickelte sich zu einem ideologischen Feldzug gegen alles, was nicht in ein traditionelles, weißes, von Männern beherrschtes Gesellschaftsbild passt.
Donald Trump vor Elite-Universität.
US-Präsident Donald Trump übt Druck auf Universitäten aus. Milliarden-Zuschüsse für die Elite-Uni Harvard hat er eingefroren. Welche Konsequenzen hat das für Lehre und Forschung? 15.04.2025 | 32:33 min
Bücher mit Inhalten zu LGBTQ+ werden in Schulbibliotheken in Bundesstaaten wie Florida, Texas und Pennsylvania verboten. Auch Sichtbarkeit wird gezielt zurückgedrängt: Profile und Beiträge über schwarze Soldat*innen, queere Offiziere oder trans Veteran*innen verschwanden von Regierungsseiten.
Gleichzeitig entlässt die Regierung offenbar gezielt Minderheiten aus Schlüsselpositionen - etwa Carla Hayden, die erste schwarze Leiterin der Kongressbibliothek.
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Stellenabbau bei Behörden, Musk als treibende Kraft ohne politisches Mandat, Anzweifeln von Gerichtsurteilen, die Trumps Kurs widersprechen. Will der US-Präsident eine Autokratie? 09.03.2025 | 3:23 min

Trumps Politik zeigt Wirkung

Geschichte umschreiben und die Demokratie langsam abschaffen, nennt das der Philosophieprofessor und Propagandaforscher Jason Stanley von der Yale University:

Der Zweck ist, dass nur noch weiße Männer an der Macht sind.

Jason Stanley, Propagandaforscher

Trump verfolge das Ziel, die Definition von Amerika zu verändern - weg von Demokratie und Gleichheit, hin zu einer weißen, männlich dominierten Nation.
Diese Politik zeigt Wirkung: Bundesbehörden stellen Programme für Diversität und Gleichstellung ein, große Unternehmen wie Citibank, McDonald’s oder Target ziehen aus Angst vor Sanktionen nach.
USA Diversitätsstopp
Diversität galt lange als Fortschritt in Unternehmen. Doch die US-Regierung stoppt das im eigenen Land und übt internationalen Druck aus, auch auf deutsche Unternehmen. 16.05.2025 | 1:35 min

Sorge vor dem Verlust von Freiheiten

Doch in New York regt sich Widerstand. In Harlem etwa rufen Bürger*innen wie Maya Most zum Boykott auf: "Die Diversitätsprogramme machen einen entscheidenden Unterschied - gerade für Leute wie mich." Auch Supermarkt-Kundin Germaine Baccus sagt: "Wir brauchen universelle Werte, gerade in dieser Nation."
Im Greenwich Village, wo einst der moderne LGBTQ+-Kampf begann, wächst die Sorge. David Santa Maria und sein Ehemann haben noch schnell geheiratet, bevor Trump erneut vereidigt wurde.

Wir wissen nicht, wie unsere Zukunft aussieht. Es fühlt sich an, als würden wir um Jahre zurückgeworfen.

David Santa Maria

Die Sorge vor dem Verlust von Freiheiten ist nicht unbegründet. "TransLash"-Podcasterin Imara Jones spricht von einem "autoritären Rutsch", angetrieben von einem Bündnis aus christlichen Nationalisten, Tech-Milliardären und rechtsextremen Milizen. Ihr gemeinsamer Nenner: Trans- und Queerfeindlichkeit.

Anti-trans-Ideologie ist ein verbindendes Element dieser Bewegung. Sie dient nicht nur als ideologisches Projekt, sondern als praktisches Mittel zur Machtsicherung.

Imara Jones, Podcasterin

Elizabeth Fogarty (l) und Laura Tinter nehmen an einer Kundgebung zum «Trans Day of Visibility», dem Internationalen Tag für die Sichtbarkeit von Trans-Personen, teil.
In den USA haben sich Politiker der Demokraten einer Demonstration für mehr Sichtbarkeit von Transsexuellen angeschlossen. US-Präsident Trump hat deren Rechte eingeschränkt.01.04.2025 | 0:23 min

Die queere Community organisiert sich neu

Für Historiker Robert Cohen von der NYU stellt fest: "Das ist ein Versuch, eine neo-weiß-suprematistische und männlich dominierte Ordnung durchzusetzen und alle Fortschritte der Bürgerrechts-, Frauen- und Einwanderungsbewegung rückgängig zu machen." Wenn Trump damit Erfolg hat, so Cohen, wird Amerika "weniger demokratisch sein als je zuvor in seiner Geschichte."
Die USA seien zwar "immer noch eine Demokratie", aber Trump und sein Team würden versuchen, die Regeln des politischen Systems zu ändern, sagt die Historikerin Anne Applebaum.
Die USA seien zwar "immer noch eine Demokratie", aber Trump und sein Team würden versuchen, die Regeln des politischen Systems zu ändern, sagt die Historikerin Anne Applebaum. 09.03.2025 | 8:46 min
Die queere Community organisiert sich neu - oft in privaten Räumen, Bars und geschlossenen Veranstaltungen. "Wir brauchen sichere Orte," sagt Pariss vor einer Bar in Manhattans East Village. "Und wenn es sie nicht mehr gibt, müssen wir sie neu schaffen."

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