Trumps Rede vor dem US-Kongress: Fünf Beobachtungen

Analyse

"Amerika ist zurück":Trump-Rede vor US-Kongress: Fünf Beobachtungen

Katharina Schuster
von Katharina Schuster, Washington D.C.
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US-Präsident Donald Trump hat zum ersten Mal in seiner zweiten Amtszeit vor dem Kongress gesprochen. Was, neben Eigenlob, sonst noch aufgefallen ist -fünf Beobachtungen.

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Vor dem Kongress hat US-Präsident Trump sich unter anderem zum Krieg gegen die Ukraine geäußert. Europa muss sich wegen der neuen Regierung in Washington radikal umstellen.05.03.2025 | 2:50 min
"Amerika ist zurück". Mit diesen Worten beginnt US-Präsident Donald Trump seine Rede vor dem Kongress. An dem gleichen Ort, an dem sich vor vier Jahren - während des Sturms auf das Kapitol - noch Gesetzgeber vor Trumps Anhängern verbarrikadiert haben.
Es ist die längste Rede, die je ein amerikanischer Präsident vor den beiden Kammern des US-Kongresses gehalten hat – mehr als 100 Minuten. Ein Rekord, der Bill Clintons Ansprache übertrifft.

Rede vor dem US-Kongress
:Trumps Behauptungen im Faktencheck

In seiner kämpferischen Rede vor dem US-Kongress verbreitete Donald Trump zahlreiche fragwürdige Zahlen und Behauptungen von Migration bis Ukraine. Der US-Präsident im Check.
von Nils Metzger, Kevin Schubert
Donald Trump am 05.03.2025 in Washington (USA)
Faktencheck
Durch den jüngsten Eklat im Weißen Haus ist sichergestellt, dass praktisch die ganze Welt hinschaut, wenn der 45. und 47. Präsident der Vereinigten Staaten vor den Fernsehkameras spricht. Auch, wenn Überraschungen ausbleiben, lässt sich doch einiges beobachten:

1. Das ist das zentrale Thema: Migration

Donald Trump konzentriert sich etwa eine Stunde auf inländische Themen. Er betont, dass er sich aus "korrupten" internationalen Organisationen zurückgezogen, die Grenzsicherheit wiederhergestellt und die freie Rede zurückgebracht habe. Als der Präsident die neuen Zölle gegen Mexiko und Kanada erklärt und wiederholt Vergeltungszölle für den 2. April ankündigt, ist die Reaktion der Republikaner gemischt. Der Beifall fällt im Vergleich zum Rest des Abends verhalten aus: Nur etwa die Hälfte applaudiert.
Sehen Sie hier die Rede in voller Länge (mit deutscher Übersetzung):
ZDFspezial Trumps Rede an den Kongress
Eineinhalb Monate nach seinem Amtsantritt hielt US-Präsident Donald Trump eine Ansprache vor beiden Kammern des US-Kongresses.05.03.2025 | 142:25 min
Das wichtigste Thema des Abends ist die Migration: Donald Trump übertreibt die Zahl und Kriminalität der Einwanderer unter dem "Biden-Regime der offenen Grenzen". Wiederholt erzählt er von tragischen Fällen, in denen junge Menschen von illegalen Einwanderern ermordet worden seien. Zum Teil sind deren Angehörige im Saal anwesend.
Häufig beschreibt er einen scharfen Kontrast zwischen der Ära Biden – die er als inkompetent und zerstörerisch für das Land darstellt – und seiner eigenen, die in seinen Augen in nur sechs Wochen mehr erreicht habe als jede andere US-Regierung. Wobei er George Washington als "Nummer 2" bezeichnet. Die Schärfe der Angriffe auf die politische Opposition ist für eine Rede vor dem Kongress ungewöhnlich, jedoch typisch für Trumps Rhetorik. "Jedes Mal, wenn er vom Redemanuskript abwich, wurde der Ton aggressiver", bilanziert Politikwissenschafler Michael Werz.
ZDF-Korrespondent Lessmeister berichtet aus Kiew
Wie sehr beugt sich der ukrainische Präsident Selenskyj dem amerikanischen Druck?05.03.2025 | 1:06 min

2. Das ist kaum erwähnt worden: Europa

Im Gespräch mit ZDFheute bilanziert der Politikwissenschaftler Jack Goldstone: "Was für die Europäer wahrscheinlich am alarmierendsten ist, ist, dass sie kaum erwähnt wurden."

Trump hat mit seiner Ansprache an beide Kammern des Kongresses einen Rekord aufgestellt. Er sprach mehr als eine Stunde und 40 Minuten lang und brach damit den bisherigen Rekord von Präsident Bill Clintons Rede zur Lage der Nation aus dem Jahr 2000. Diese dauerte eine Stunde, 28 Minuten und 49 Sekunden. Bei Trumps Rede handelte es sich technisch gesehen nicht um eine Rede zur Lage der Nation, da er sein Amt erst vor sechs Wochen angetreten hat.

In Bezug auf Auslandsthemen erneuert Trump seine Ansprüche auf den Panama-Kanal und Grönland. Sollte sich Grönland für eine engere Zusammenarbeit mit den USA entscheiden, so werde man die Insel herzlich willkommen heißen. Darüber hinaus bittet Trump den Kongress um die Finanzierung eines Raketenabwehrsystems, das unter dem Namen "Golden Dome" bekannt ist.
US-Präsident Donald Trump hält seine erste Asprache vor dem Kongress.
In seiner ersten Rede vor dem Kongress feiert US-Präsident Trump die ersten sechs Wochen seiner Amtszeit als Riesenerfolg.05.03.2025 | 1:42 min

3. Das bleibt weiter offen: Ukraine

Mit Spannung ist erwartet worden, ob Donald Trump erneut aggressive Töne gegenüber Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj anschlagen würde. Die gibt es nicht. In seiner Rede beruft sich Trump auf einen Brief von Selenskyj, in dem sich sein ukrainischer Amtskollege bereit erklärt, ein Rohstoffabkommen zu unterzeichnen.

Was das Abkommen über Rohstoffe und Sicherheit betrifft, so ist die Ukraine bereit, es jederzeit zu unterzeichnen.

Donald Trump, US-Präsident

Von Russland habe man gleichzeitig "starke Signale" erhalten, dass die Regierung dort zum Frieden bereit sei. Stellungnahmen aus Russland oder der Ukraine liegen zunächst nicht vor.
Treffen von Trump und Selenski in New York
Nach dem Eklat im Weißen Haus bemüht sich die ukrainische Führung um Schadenbegrenzung und hofft, dass die USA ihren Waffenlieferstopp wieder aufheben.05.03.2025 | 1:42 min
"Das deutete alles darauf hin, dass diese Dinge noch verhandelt werden", stellt Politikwissenschaftler Michael Werz klar. Denn: Dass Selenskyj grundsätzlich bereit sei, das Mineralienabkommen zu unterzeichnen, ist nicht neu. Die "Sollbruchstelle" sei nach wie vor die Frage: Wird Amerika wirklich belastbare Sicherheitsgarantien in diesen Vertrag einstellen im Gegenzug zu der Möglichkeit, dort seltene Erden und Mineralien zu erwerben?
Interessant ist: Donald Trump ertrinkt förmlich in Superlativen. Auch übertreibt er die Anzahl an Menschen, die in der Ukraine zu Tode gekommen sein sollen. Er spricht von mehreren Millionen. Diese Übertreibungen zeigten, dass Präsident Trump offensichtlich die nötige Energie fehle, "sich auf die Sach-Diskussionen einzulassen", so Experte Werz weiter. Doch das ist für einen Frieden in der Ukraine unerlässlich.
sgs - Theveßen Slomka
"Er will sich loben für all die vielen Milliarden, die er eingespart hat", so USA-Korrespondent Theveßen. Dabei gebe es große Fragezeichen, wie glaubhaft die Aussagen sind.04.03.2025 | 1:34 min

4. Das ist das rhetorische Element: Eine düstere Version von Amerika

Häufig nutzen US-Präsidenten die erste Rede nach Amtsantritt vor dem Kongress, um den politischen Gegnern die Hand zu reichen. Nicht so Trump.
Während er 2017 nach seinem überraschenden Wahlsieg noch als unvorbereiteter Außenseiter auftritt und zur "Einheit der Nation" aufruft, präsentiert er sich acht Jahre später als erfahrener Präsident, dessen Rede jedoch eher an eine Wahlkampfrede erinnerte. Statt sich an das gesamte Land zu wenden, spricht der Präsident - laut Politikwissenschaftler Werz - gezielt "vielleicht an 30-40 Prozent" seiner Anhänger an.
Anstatt die Nation zu vereinen, malte er düstere Szenarien, besonders in Bezug auf Migration. Dabei zeichnet er ein düsteres Bild von Amerika, dem er sein versprochenes "goldenes Zeitalter" gegenüberstellt.
Trotz des kämpferischen Tons hält sich der 78-Jährige weitgehend ans Skript und liest die Rede nahezu vollständig vom Teleprompter ab.
Elisabeth Schmidt | ZDF-Korrespondentin in Peking
"China hat angekündigt, auf jede Zollmaßnahme aus den USA mit Gegenzöllen zu reagieren. Hier zeigt man eine Front", so ZDF-Korrespondentin Elisabeth Schmidt.05.03.2025 | 1:48 min

5. Musk und die Demokraten: Für- und Widerspruch

Im Publikum natürlich mit dabei: Trumps "besonderer Regierungsangestellter" Elon Musk, der maßgeblich an der Gestaltung der Rede beteiligt gewesen sein soll. Der US-Präsident lobt ihn für seinen Job. "Das ist erst der Anfang", sagt Trump. Musk salutiert.
Nicht dabei sind eine Handvoll demokratische Abgeordnete. Es bleiben aber im Vergleich zu 2017 deutlich weniger Demokraten der Rede fern.

X-Post von Kweisi Mfume

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Dafür gibt es Protest: Viele Demokratinnen im Plenarsaal tragen pink. "Wir sind stinksauer", hat die Abgeordnete Norma Torres aus Kalifornien auf X erklärt. Die Farbe Pink sei ein Symbol für die Macht und Beharrlichkeit der Frauen: "Die Wahrheit ist: Frauen können sich Trump nicht leisten."
Der demokratische Abgeordnete Al Green wird in einem ungewöhnlichen Schritt nur wenige Minuten, nachdem Trump zu reden begonnen hat, wegen Zwischenrufen aus dem Saal geführt.
Mehrere Anhänger der Demokraten halten zudem Protestschilder in die Höhe. Darauf steht unter anderem "No King!" oder "False!". Auf anderen ist zu lesen: "Musk steals", übersetzt also "Musk stiehlt".
Donald Trump Delivers Joint Address To Congress
Demokraten hielten schweigend kleine Schilder als Zeichen ihres Protests in die Höhe.
Quelle: AFP

Am Ende bleibt die längste Rede eines US-Präsidenten vor dem Kongress vor allem eines: unspektakulär. Doch dürfte Trump in Zukunft nicht an diesen Worten gemessen werden, sondern an seinen Taten und deren Ergebnissen.
Katharina Schuster ist Reporterin im ZDF-Studio in Washington D.C.

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Quelle: dpa

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