Interview
Experte über Drohungen:Aufruhr-Gesetz: Trumps Kalkül
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Trump erwägt, mit einer Notstandsbefugnis das Militär im Inland einzusetzen. Rechtsexperte Kirk Junker warnt: Der "Insurrection Act" war nie für den Einsatz gegen Bürger gedacht.
Seit mehr als zwei Jahrhunderten existiert das Gesetz, mit dem Donald Trump nach eigenen Angaben immer wieder liebäugelt: der sogenannte "Insurrection Act". Es handelt sich um eine Notstandsbefugnis, die es dem US-Präsidenten erlaubt, in Ausnahmefällen das Militär im Inland einzusetzen - ein drastisches Mittel.
Auf die Frage, ob er das Gesetz nutzen würde, um gegen die Proteste in Los Angeles vorzugehen, sagte Trump:
Wenn es einen Aufstand gibt, würde ich mich auf jeden Fall darauf berufen. Wir werden sehen.
Donald Trump, US-Präsident
Auch im Wahlkampf sprach Trump immer wieder davon, das Gesetz anwenden zu wollen. Die Protestierenden in Kalifornien bezeichnete er jüngst bereits als "Insurrectionists" - also Aufrührer. Am Montag behauptete er, ein Aufstand sei durch die Entsendung der Nationalgarde verhindert worden.
Eine jetzige Aktivierung des "Insurrection Act" würde die rechtlich begrenzten Kompetenzen der eingesetzten und entsendeten Soldaten massiv erweitern - bis hin zu Festnahmen oder Razzien - und wäre ein deutlicher Schritt zur Eskalation. Bislang seien sie lediglich vor Ort, um Beamte oder Gebäude der Einwanderungsbehörde zu schützen, betont die US-Regierung.
Gesetz gegen ausländische Bedrohung - nicht gegen Bürger
Das Gesetz wurde 1807 eingeführt zur Verteidigung gegen ausländische Kräfte, erklärt Kirk Junker, Professor für amerikanisches Recht an der Universität zu Köln. Ursprünglich sei es dazu gedacht gewesen, sich gegen europäische Mächte zu wehren, "die wirklich Soldaten auf US-Boden bringen" - nicht gegen Zivilisten im eigenen Land.
Junker hält es für wenig wahrscheinlich, dass Trump den "Insurrection Act" nun tatsächlich aktiviert. In seiner ersten Amtszeit sei Trump von seinem damaligen Verteidigungsminister Mark Esper gewarnt worden, das Gesetz zu aktivieren, erklärt Junker. Zwar habe er damals während der "Black Lives Matter"-Proteste mit dem Gesetz gedroht - eingesetzt habe er es aber nicht.
Es geht um eine zwischenzeitliche Machtdemonstration
Stattdessen nutze Trump eine andere gesetzliche Grundlage, um Nationalgardisten im Inland einzusetzen. Diese Bestimmung habe Trump bereits in einem Memorandum herangezogen, um Truppen zu entsenden. Und auch wenn er mit der Anwendung des "Insurrection Act" die Befugnisse der Soldaten erweitern würde, habe er "damit schon genug Macht", so Junker.
Dennoch gibt es auch hier Bedenken an der Rechtmäßigkeit. Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom hat bereits juristische Schritte eingeleitet. Trump setze sich über geltendes Recht hinweg, sagte er. Experte Junker betont:
Sie machen das mehr oder weniger, als ob das nicht gesetzwidrig ist.
Kirk Junker, US-Rechtsexperte
Dahinter steckt Kalkül: Nach ein paar Tagen oder Wochen würden Gerichte das Vorgehen als gesetzeswidrig erklären. "Aber in der Zwischenzeit haben sie ihre politischen Ziele schon erreicht."
Sie sind politische Tiere, nicht juristische Tiere. Sie machen, was sie wollen.
Kirk Junker, US-Rechtsexperte
Junker sieht in Trumps Vorgehen eine bewusste politische Taktik: Ein ähnliches Muster sei bereits bei Trumps Maßnahmen gegen die Harvard University zu beobachten gewesen mit dem Versuch, ausländische Studierende auszusperren.
Erst nach einem Gerichtsurteil wurde der Schritt rückgängig gemacht - der politische Effekt war aber bereits eingetreten. Außerdem wurde zunächst Macht demonstriert. Und genau um solch eine Machtdemonstration gehe es Trump auch bei den Protesten in Los Angeles. "Trump testet die Grenzen aus", erklärt ZDF-Korrespondentin Claudia Bates.
Juristin: "Jeder sollte innehalten"
Würde Trump sich - entgegen der Einschätzung des Rechtsexperten Junker - auf den mehr als 200 Jahre alten "Insurrection Act" berufen, dürfte das wohl zu einer weiteren politischen und gesellschaftlichen Spaltung im Land führen, die Lage dürfte weiter eskalieren - landesweite Proteste wären zu erwarten, warnen Experten. Der "Los Angeles Times" sagte die Juristin Jessica Levinson:
Jeder sollte innehalten, wenn der Präsident Notstandsbefugnisse nutzt und der Gouverneur sowie der Bürgermeister sagen: Bitte nicht, wir brauchen das nicht.
Jessica Levinson, Juristin
Den Text schrieb Christian Harz, Redakteur im Auslandsstudio Washington D.C.. Das Interview mit Kirk Junker führte ZDFheute-live-Moderatorin Victoria Reichelt.
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