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Interview
Trumps Vorgehen in Kalifornien:Expertin: Es steht schlecht um die US-Demokratie
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Trump hat als Reaktion auf die Proteste in Los Angeles Nationalgarde und Armee mobilisiert. Für Expertin Clüver Ashbrook ist das Vorgehen "verfassungsrechtlich hochproblematisch".
Angesichts der Proteste gegen die US-Migrationspolitik in Los Angeles und der Mobilisierung von Soldaten der Nationalgarde durch Präsident Donald Trump spricht Politikwissenschaftlerin Cathryn Clüver Ashbrook von einem Tanz auf Messers Schneide.
"Über die letzten 48 Stunden haben wir eine Zuspitzung erlebt, die sich nahtlos anschließt an das, was Donald Trump schon in seinem Wahlkampf versprochen hat", sagte sie im ZDF-Morgenmagazin. "Nämlich die Idee, dass man zivilen Ungehorsam" gegen das große Umbauprojekt Trumps und seine Strategen einschränke.
Kaliforniens Gouverneur: Trump missbraucht seine Macht
In den vergangenen Tagen hatte das US-Verteidigungsministerium auf Anweisung Trumps Tausende Nationalgardisten und 700 Marineinfanteristen der regulären Streitkräfte mobilisiert. Der Schritt gilt als ungewöhnlich und umstritten, da der Präsident die Nationalgarde des Bundesstaates Kalifornien gegen dessen Willen übernommen hat. Der demokratische Gouverneur Kaliforniens, Gavin Newsom, warf Trump "Machtmissbrauch" vor und sprach von einer "gestörten Fantasie eines diktatorischen Präsidenten".
Bereits in seiner ersten Amtszeit habe Trump während der Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd im Jahr 2020 damit gedroht, den "Insurrection Act" zu aktivieren, erklärt Clüver Ashbrook. Das Gesetz von 1807 erlaubt dem Präsidenten, in Ausnahmesituationen das Militär im Inland einzusetzen und sich an Strafverfolgungsmaßnahmen zu beteiligen, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen. Unter normalen Umständen ist dies in den USA nicht erlaubt.
Expertin: "Völlig losgelöster Präsident"
Vor fünf Jahren habe der oberste Militär im Pentagon die Aktivierung des "Insurrection Acts" verhindert. Nun aber sehe man eine Veränderung, betont Clüver Ashbrook. Trump sei in seiner zweiten Amtszeit "ein völlig losgelöster Präsident, der Ideologen reingenommen hat in sein Kabinett, die ihm auch so etwas ermöglichen würden".
Verfassungsrechtlich ist das hochproblematisch.
Cathryn Clüver Ashbrook, Politikwissenschaftlerin
Deswegen klage der Bundesstaat Kalifornien auch gegen Trumps Entscheidung, ohne Zustimmung des Bundesstaats die Kontrolle über die kalifornische Nationalgarde zu übernehmen.
Insgesamt aber werde die Situation nicht von Kalifornien, sondern von Washington angeheizt, sagte die Expertin für transatlantische Beziehungen und US-Politik bei der Bertelsmann-Stiftung.
Es geht darum, abzulenken von großen politischen Verlusten.
Cathryn Clüver Ashbrook, Politikwissenschaftlerin
ZDF-Korrespondentin Claudia Bates zur Lage vor Ort:
ZDF-Korrespondentin Claudia Bates berichtet aktuell aus Los Angeles über die dort anhaltenden Proteste. Der Montag sei insgesamt ruhiger gewesen als die vorausgegangene Nacht, sagt sie. "Die Nationalgarde wurde vom Präsidenten stationiert, ausdrücklich gegen den Willen des zuständigen Gouverneurs Newsom", betont sie. "Der Gouverneur und die Bürgermeisterin haben die Menschen hier aufgerufen, zu deeskalieren, Trump eben nicht diese Bilder zu geben, die er wolle. Und so ist dann auch heute nichts passiert, was nun erforderlich machen würde, auch noch Marineinfanteristen einzusetzen, also das US-Militär gegen US-Bürger, wofür die Verfassung eigentlich eine sehr hohe Schwelle vorsieht."
Auf die Frage, ob Trump die Situation bewusst inszeniere, um zu zeigen, wie er mit Kritikern umgehe und um davon abzulenken, dass seine zweite Amtszeit nicht gut laufe, sagte Bates: "Diese massiven Razzien hier fanden statt, kurz nachdem Elon Musk Trump in Zusammenhang gebracht hat mit dem Straftäter Jeffrey Epstein". Musk habe außerdem ein Gesetzespaket torpediert, in dem Trumps gesamte Agenda enthalten und das noch nicht verabschiedet sei.
Beim Thema Migration seien die Zustimmungswerte für Trump aber weiterhin gut. "Insofern kann er hier mit der starken Hand und diesen Bildern aus Los Angeles ablenken von diesen Themen und gleichzeitig auf etwas hinarbeiten, was er schon in seiner ersten Amtszeit suchte: Er kann Unruhen als Vorwand nutzen, um das US-Militär gegen US-Bürger einzusetzen, die gegen ihn protestieren. Er kann Staaten und zivilen Protest einschüchtern, Angst und Schrecken verbreiten - und dass nun auch noch Marineinfanteristen hier eingesetzt werden sollen, obwohl das hier nichts ist, womit die Polizei nicht fertig werden würde, deutet klar in diese Richtung."
Beim Thema Migration seien die Zustimmungswerte für Trump aber weiterhin gut. "Insofern kann er hier mit der starken Hand und diesen Bildern aus Los Angeles ablenken von diesen Themen und gleichzeitig auf etwas hinarbeiten, was er schon in seiner ersten Amtszeit suchte: Er kann Unruhen als Vorwand nutzen, um das US-Militär gegen US-Bürger einzusetzen, die gegen ihn protestieren. Er kann Staaten und zivilen Protest einschüchtern, Angst und Schrecken verbreiten - und dass nun auch noch Marineinfanteristen hier eingesetzt werden sollen, obwohl das hier nichts ist, womit die Polizei nicht fertig werden würde, deutet klar in diese Richtung."
Clüver Ashbrook: "Es steht arg um US-Demokratie"
Trump brauche das große Haushaltsgesetz, das ihm erst die Macht geben solle, die er in den vergangenen 140 Tagen über Präsidentschaftsdekrete versucht habe zu erstreiten. Wenn das nicht durchkomme, werde es trotz Mandat in Kongress und Senat für ihn sehr schwierig, seine MAGA-Vision im ganzen Land durchzusetzen, sagt Cathryn Clüver Ashbrook.
Insgesamt stehe es "arg um die amerikanische Demokratie und die Verfasstheit der amerikanischen Gesellschaft".
Quelle: ZDF, dpa
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