Wie Indien auf die Trump-Zölle reagieren wird

Interview

Nach Trumps Zollankündigung:Indien in der Zwickmühle: Wie reagiert Modi?

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Ausgerechnet Donald Trump, einst Befürworter einer engeren Partnerschaft, belegt Indien mit hohen Zöllen. Wie könnte Premierminister Modi reagieren? Fragen an einen Experten.

USA, Washington: US-Präsident Donald Trump (r) spricht mit dem indischen Premierminister Narendra Modi während einer Pressekonferenz im East Room des Weißen Hauses.
Sehen Sie hier das Interview mit Indien-Experte Tobias Scholz in voller Länge - oder lesen Sie die wichtigsten Aussagen im Text.06.08.2025 | 14:35 min
US-Präsident Donald Trump hat gegen Indien zusätzliche Strafzölle von 25 Prozent verhängt - damit verdoppelt sich der Zollsatz für viele Produkte auf 50 Prozent. Trump zerstöre mit seiner Zollankündigung gegen Indien sein eigenes außenpolitisches Erbe, sagt Tobias Scholz von der Stiftung Wissenschaft und Politik bei ZDFheute live.
"Total schockiert" sei man in Neu-Delhi. War es doch gerade Trump, der in seiner ersten Amtszeit den Schulterschluss mit Indien suchte - auch, um einen starken Partner gegen China zu gewinnen.
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Warum verhängt Trump hohe Zölle gerade gegen Indien?

Nun aber mache Trump Indien zur "Quelle allen Übels", so Scholz, und belegt das Land mit höheren Strafzöllen als "Erzrivale Pakistan oder China". Dabei sei gerade China führend im Handel mit russischen Energieträgern und militärischer Technologie. Eine zentrale Frage laute daher: Warum Indien?
Eine eindeutige Antwort gebe es nicht, so Scholz. Klar sei nur:

Donald Trump hat sich gegenüber Indien definitiv in eine Lage geredet und manövriert, die die bilateralen Beziehungen verschlechtert.

Tobias Scholz, Stiftung Wissenschaft und Politik

Strategisch sei denkbar, dass er sich gezielt einen Staat ausgesucht habe, der stark genug ist, um an ihm ein Exempel zu statuieren - aber nicht stark genug, um sich zu wehren. An China sei "sozusagen der Kelch vorbeigegangen", so Scholz. Und im Vergleich zu China sei Indien das "kleinere Übel".
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Indien in der Zwickmühle

Die Regierung von Indiens Premierminister Narendra Modi stehe nun unter Druck. Einerseits wolle Indien an der Partnerschaft mit den USA festhalten. Das habe zwei Gründe:
  • Die USA sind aktuell Indiens größter Handelspartner. Die Warenexporte beliefen sich 2024 auf rund 87,3 Milliarden Dollar, weit vor den Vereinigten Arabischen Emiraten.
  • Die USA sind für Indien ein wichtiger sicherheitspolitischer Partner. Denn die Bedrohung, die Indien gegenüber China wahrnehme, ist Scholz zufolge in den letzten Jahren größer geworden.

Indien sieht die USA hier eigentlich als einen Partner, der im Indopazifik gemeinsam mit Australien oder Japan ein Gegengewicht zu China bilden kann.

Tobias Scholz, Stiftung Wissenschaft und Politik

Andererseits zeige die indische Regierung "deutliche Signale", dass man die Zölle nicht widerstandslos hinnehmen werde.
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Wie könnte Indien reagieren?

Denkbar seien Gegenzölle - etwa im Medizinsektor. Denn: "Indien ist der größte Produzent generischer Medizin weltweit, und die USA gehören hier zu einem der größten Abnehmer." Mit dem Gedanken habe die Regierung sicherlich schon gespielt. Würden Medikamente in den USA dadurch teurer, könne Indien sagen: Trumps Zölle schadeten amerikanischen Bürgern mehr als Indien selbst.
Auch sei denkbar, dass Indien US-Firmen wie SpaceX den Zugang zum eigenen Markt erschwert - oder mit seiner Größe von 1,4 Milliarden Menschen insgesamt mehr Druck auf die USA ausübt. Das Kalkül könne lauten: 'Wenn ihr möchtet, dass amerikanische Unternehmen in Indien aktiv werden, dann müsst ihr diese Zölle verringern beziehungsweise wegnehmen.'
Russland, Moskau: Auf diesem von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik via AP veröffentlichten Foto reichen sich der russischePräsident Wladimir Putin (l) und der Sondergesandte von US-Präsident Trump, Steve Witkoff (r) während ihres Treffens in Moskau die Hände.
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Indien bei Gegenzöllen noch reserviert

Tatsächlich aber zeigt sich Neu-Delhi bislang auffällig still. Scholz betont:

Indien geht in diesem Schritt aktuell nicht darauf ein, ebenfalls Sanktionen oder Zölle zu verhängen. Da zeigt man sich noch reserviert.

Tobias Scholz, Stiftung Wissenschaft und Politik

Man setze offenbar darauf, die Zeit bis zum 27. August - dem Stichtag für die zweite Stufe der US-Zölle - zu nutzen. Scholz beschreibt die Strategie so: "Indiens Aufgabe ist es, sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen, sondern sich in eine Position der Stärke gegenüber Trump zu reden und zu argumentieren."
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Schadet Trump mit den Zöllen wirklich Russland?

Gleichwohl sei fraglich, ob Trump mit den Maßnahmen überhaupt sein erklärtes Ziel erreicht. Inwiefern die Sanktionen Moskau wirklich treffen, hänge vor allem davon ab, "inwieweit Indien und andere Staaten, die aktuell Öl von Russland importieren, sich davon beeinflussen lassen - und ihre Partnerschaft mit Russland zurückfahren." Das sei aktuell nicht zu sehen - im Gegenteil:

Indien befindet sich heute in einer Trotzhaltung.

Tobias Scholz, Stiftung Wissenschaft und Politik

Man sehe sich in einer Lage, in der man sich jetzt erst recht nicht von den "Vereinigten Staaten beeinflussen lässt und vielleicht sogar gerade jetzt mit Russland enger zusammenarbeiten wird, da die Amerikaner sich als unzuverlässiger Partner zeigen". Insofern sei sicherlich noch "nicht das letzte Wort gesprochen".
Das Interview führte ZDFheute-live-Moderatorin Victoria Reichelt, zusammengefasst hat es ZDFheute-Redakteur Christian Harz.

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