Harvard vs. Trump: Was ausländische Studierende sagen

Elite-Uni gegen US-Präsident:Harvard vs. Trump: Was ausländische Studierende sagen

von Beatrice Steineke, Washington D.C.
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Die US-Regierung will internationale Studierende von Harvard verbannen. Ein Gericht setzte die Anordnung aus, aber die Verunsicherung ist groß. ZDFheute spricht mit Betroffenen.

Blick auf den Campus der Harvard Universität in Cambridge, USA.
Der Versuch der Trump-Regierung, Ausländern in Harvard das Studium zu untersagen, ist vorerst ausgesetzt. Auch die Bundesregierung kritisierte das Verbot scharf. 23.05.2025 | 2:55 min
An der Elite-Universität Harvard im US-Bundesstaat Massachusetts studieren mehr als 7.000 junge Menschen aus dem Ausland. Die Regierung von Donald Trump hat der Uni verboten, internationale Studierende aufzunehmen, bereits Eingeschriebene sollen sich andere Universitäten suchen. Harvard hat dagegen geklagt - ein Gericht setzte den Beschluss aus.
ZDFheute hat mit einigen internationalen Studierenden der Harvard-Uni darüber gesprochen, wie sie mit den jüngsten Entwicklungen umgehen.

Noah Plattner, 21 Jahre, Wirtschaftsstudent aus Österreich

Noah Plattner sitzt mit seiner Tante am Küchentisch in seiner österreichischen Heimat, als die ersten Eilmeldungen auf seinem Handy aufploppen: Trump-Regierung entzieht Elite-Uni Harvard das Recht, ausländische Studenten aufzunehmen. Für ihn kommt die Nachricht nicht überraschend - seit Wochen hatten er und seine Kommiliton*innen darüber gesprochen.
Noah Plattner, Harvard-Wirtschaftsstudent aus Österreich
Harvard-Student Noah Plattner
Quelle: Noah Plattner

Noah hat ein F1-Visum, das für ein Studium in den USA erforderlich ist, und ist einer der mehr als 7.000 betroffenen internationalen Studierenden in Harvard. Mit dem Ende des Semesters besuchen gerade viele ihre Familien, erzählt er. Sie seien jetzt verunsichert, ob sie überhaupt wieder in die USA einreisen sollen. "Unsere Semester sind recht kurz, dafür sind unsere Sommer ziemlich lang, aber in diesen Sommern muss man Praktika machen, um danach gute Jobchancen zu bekommen."

Viele Leute reisen eigentlich diese Woche schon zurück in die USA, um mit ihren Praktika anzufangen. Und das ist halt ein riesiges Problem, weil theoretisch sind unsere Visa jetzt nicht mehr gültig.

Noah Plattner

Er will selbst bald zurückfliegen und überlegt, die österreichische Botschaft anzurufen, was jetzt genau gelte. In Harvard hat der 21-Jährige sein viertes Semester beendet und hat noch zwei Jahre bis zum Abschluss. An der Harvard Kennedy School seien etwa 60 Prozent der Studierenden aus der ganzen Welt.

Wenn 60 Prozent der Leute nicht mehr zurückkehren könnten, können Professoren ihre Klassen nicht mehr ausrichten oder Konferenzen können nicht stattfinden. Das würde Harvard, glaube ich, sogar mehr treffen als die Kürzung von finanziellen Mitteln.

Noah Plattner

Lange Zeit wollte er sich nicht öffentlich äußern, aber es seien sowieso alle Studierenden in Harvard im Visier. Es fühle sich auch gut an, endlich was zu sagen. "Gerade als Deutsche und Österreicher - in einer Dynamik, die sehr viele historische Parallelen hat - müssen wir was sagen, da müssen wir irgendwas machen."
Die deutsch-amerikanische Politologin Cathryn Clüver Ashbrook.
Die Harvard-Uni solle degradiert werden, damit sie nicht mehr leisten könne, was sie für die amerikanische Gesellschaft tue, so die Politologin Cathryn Clüver Ashbrook.23.05.2025 | 15:42 min

Anthony Striker, 19 Jahre, deutsch-amerikanischer Molekularbiologie-Student

In seinen Ferien in Deutschland hat Anthony Striker die Nachrichten verfolgt und ist zuversichtlich, dass Harvard in den juristischen Prozessen Erfolg haben wird. Der 19-Jährige studiert Molekularbiologie in Harvard und hat neben dem deutschen auch einen US-Pass. Wieder einreisen und weiter studieren ist für ihn auf jeden Fall möglich, aber einige seiner Freunde versuchten gerade, schnell wieder in die USA einzureisen. Das sei jetzt ein signifikanter Moment.

Es ist allen sehr klar, dass diese Vergeltungspolitik nicht der Rechtsstaatlichkeit entspricht und gefährlich ist. Und Donald Trump und seine Regierung versuchen, die größten Stärken der USA zu untergraben.

Anthony Striker

Harvard sei ein Ort der Zusammenkunft und Zusammenarbeit von Menschen aus der ganzen Welt, so Anthony.

Es ist auch richtig, dass Harvard jetzt nicht kommt und sagt, wir schauen, dass wir euch ermöglichen, an andere Unis zu gehen. Sondern sie sagen, wir stehen bei euch und wir werden uns ohne Ausnahme dafür einsetzen, dass hier alle bleiben können.

Anthony Striker

Da er beide Staatsbürgerschaften besitze, habe er die besondere Pflicht, sich öffentlich zu äußern. Er spüre auch in Gesprächen mit Freunden, dass viele sich nicht trauen zu sprechen - aus Angst vor Konsequenzen. Eine berechtigte Angst, sagt Anthony, das sei wirklich erschreckend.
Donald Trump vor Elite-Universität.
US-Präsident Donald Trump übt Druck auf Universitäten aus. Milliarden-Zuschüsse für die Elite-Uni Harvard hat er eingefroren. Welche Konsequenzen hat das für Lehre und Forschung? 15.04.2025 | 32:33 min

PhD-Student in Harvard, anonym

"Wir hatten so ein bisschen die Hoffnung, dass es nicht passiert, weil es halt erstens komplett crazy ist - und es ist offensichtlich rechtswidrig", sagt ein Student, der in Harvard promoviert und lieber anonym bleiben möchte. Aber er habe der Sache nicht getraut und bereits angefangen, sich einen Plan B zu überlegen.
Nach den Kürzungen der finanziellen Bundesmittel war ihm klar, dass der Entzug von Visa der "ultimative Hebel" wäre. Mehrere Jahre hatte er bereits studiert, um dann endlich PhD-Student in Harvard werden zu können.
Schon die ursprünglichen Forderungen an Harvard von der US-Regierung in Trumps zweiter Amtszeit hatte er sehr kritisch gesehen.

Da ging es halt darum, dass sie bei Berufungen mitreden dürfen, dass wir unsere Lehrpläne absegnen lassen müssen und so weiter. Das hat ja mit Wissenschaftsfreiheit überhaupt nichts mehr zu tun.

PhD-Student in Harvard, anonym

Er forscht und unterrichtet an der Harvard-Universität. Gerade sei er aber nicht mehr sicher, ob er im nächsten Monat noch sein Gehalt bekomme. Obwohl für ihn schnell klar war, dass ein US-Gericht eine einstweilige Verfügung gegen den jüngsten Beschluss der Regierung verhängen würde, bleibe alles offen - es gebe keinen Präzedenzfall.
Als ein erstes Ultimatum des US-Ministeriums für Innere Sicherheit im April auslief, übernachtete er nicht in seiner Wohnung, erzählt er.

Da hatten viele Angst, dass am nächsten Tag ICE [US-Einwanderungsbehörde] vor der Tür steht und sie abschiebt. Wie sollen wir forschen, wenn wir die ganze Zeit denken, könntet ihr vielleicht die Fakultät abschließen, dass jetzt hier nicht irgendwelche komischen Leute in Zivil reinkommen und uns mitnehmen.

PhD-Student in Harvard, anonym

Dies seien die Bedingungen, unter denen sie seit zwei Monaten lebten, und erst jetzt spreche eine größere Öffentlichkeit darüber. Eigentlich sei er erleichtert, dass das mal ins Rampenlicht gezogen werde.
Beatrice Steineke ist Korrespondentin im ZDF-Studio Washington, D.C.

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