Overtourism an Hotspots:Wie Italien den Massentourismus lenken will
Auch 2025 nimmt die Zahl der Touristen in Bella Italia zu. Die weltweite Sehnsucht nach Reisen ins Land wächst - und die Probleme auch. An manchen Orten steuert man dagegen.
Italien hat dieses Jahr Maßnahmen ergriffen, um den Strom der Touristen zu steuern. Waren sie erfolgreich, oder leiden die Hotspots im Land weiter unter Overtourism? Eine Bilanz.
29.09.2025 | 2:00 minJeder zweite der knapp 59 Millionen Italiener kennt inzwischen das Wort "Overtourism" - und nahezu jeder dritte Italiener hält ihn für ein wachsendes Problem. Dies berichtete kürzlich das Forschungsunternehmen IPSOS.
Der Begriff "Overtourism", so die Forschenden, bezeichnet die Überfüllung eines Ortes aufgrund eines übermäßigen Zustroms von Touristen. Dieser wirke sich negativ auf die Lebensqualität der Einwohner sowie auf die Qualität der Besuchererlebnisse aus.
Mehr Einnahmen - und negative Folgen
Im Jahr 2025 werden Reisende in Italien 185 Milliarden Euro ausgeben, davon 60,4 Milliarden von internationalen Besuchern - so eine Prognose der italienischen Nachrichtenagentur Ansa. Ein Anstieg von über 5 Milliarden Euro gegenüber 2024.
Die italienische Tourismusbranche trug somit zuletzt rund 10,2 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Trotz dieser steigenden Zahlen erklärte die italienische Tourismusministerin Daniela Santanché jüngst, dass Overtourismus kein Problem im ganzen Land sei:
Ich möchte darauf hinweisen, dass 75 Prozent der Touristen, die nach Italien kommen, sich auf 4 Prozent unseres Staatsgebiets aufhalten. Wenn überhaupt, dann betrifft der Overtourismus diese 4 Prozent.
Daniela Santanché, Tourismusministerin Italien
Besonders Florenz, Venedig und Rom haben mit den Folgen der stetig wachsenden Touristenströme zu kämpfen: Neben mehr Müll und überfüllter öffentlicher Plätze sind das besonders höhere Mietpreise und Lebenshaltungskosten für die Bewohner, sowie Verkehrsüberlastung.
Wie mit Massentourismus umgehen?
Filippo Celata, Professor für Wirtschaftsgeographie an der Universität La Sapienza in Rom, erklärt im Interview mit ZDFheute, dass Italien im Umgang mit Massentourismus an Hotspots im europäischen Vergleich im Rückstand sei. "Erst in den letzten Jahren haben wir endlich verstanden, dass man nicht nur vom Tourismus leben kann", so Celata.
Die weltweiten Touristenzahlen steigen jährlich. Doch an immer mehr Orten wird Protest laut. Die lokale Bevölkerung wehrt sich. Das Phänomen hat einen Namen: Overtourism.
09.09.2025 | 44:00 minErfolg: Florenz schränkt Kurzzeitvermietungen ein
Bis heute sei allerdings Florenz die einzige Stadt in Italien, die tatsächlich restriktive Maßnahmen ergriffen hat, um den Mietmarkt zugunsten der Einwohner zu schützen. Die Einschränkungen für Kurzzeitvermietungen in der Kulturhauptstadt der Toskana gelten jedoch nur, wenn Neuanträge gestellt werden.
Celata kritisiert, dass in Italien ein nationales Gesetz fehle, das den Kommunen erlaubt, Einschränkungen für bereits existierende Angebote zu schaffen - obwohl solche Angebote die soziale Struktur eines Ortes massiv verändern: "Das historische Zentrum von Rom hat in den letzten Jahren ein Drittel seiner Bewohner verloren."
Im historischen Zentrum der Weltkulturerbe-Stadt sind Kurzzeitmieten jetzt tabu. Die Stadt kämpft gegen Overtourism und versucht, Tourismus möglichst nachhaltig zu gestalten.
30.06.2025 | 1:56 minStädte mit Kontrolle überfordert
Die städtischen Politiker, erläutert Professor Celata, haben inzwischen ihre Einstellung gegenüber dem Massentourismus verändert. Sie erkennen, dass sich die Lebensqualität der Bewohner verschlechtert, und die Geschäftsstruktur verarmt. Doch alleine die Kontrolle der vielen Unregelmäßigkeiten - wie etwa nicht genehmigte bauliche Veränderungen, um möglichst viele Unterkünfte in einer Wohnung zu schaffen - und der Steuerhinterziehung, sei ein großes Problem und überfordere die Stadtverwaltungen.
Eines der klar sichtbaren Probleme Italiens sei die übermäßige Fokussierung einzelner Orte auf touristische Aktivitäten, so Celata:
Der Tourismus ist tendenziell ein schwacher Sektor, der schlechte Arbeitsplätze schafft. In Italien herrscht noch die Vorstellung, dass das Land notwendigerweise vom Tourismus leben muss. Das ist falsch.
Filippo Celata, Professor für Wirtschaftsgeographie an der Universität La Sapienza
Venedig: Eintrittsgelder verstärken Negativeffekt
Maßnahmen wie Eintrittsgelder in der Lagunenstadt Venedig kritisiert Professor Celata. "Das Problem in Venedig ist sehr klar, nämlich die Verwandlung der Stadt in einen riesigen Themenpark. Wenn ich jedoch Tore aufstelle und Eintritt verlange, dann tue ich nichts anderes, als genau diesen Prozess zu verstärken und das Leben der wenigen verbliebenen Einwohner noch schlechter zu machen."
Die Stadt Venedig hat vor Kurzem angekündigt, auch 2026 an 60 Tagen Eintrittsgelder zu verlangen. In diesem Jahr nahm die Stadt etwa 5,4 Millionen Euro ein. Das Geld soll laut Stadtverwaltung unter anderem dafür verwendet werden, stabile Müllgebühren für die Bewohner zu schaffen - im alten Teil Venedigs leben davon allerdings immer weniger.
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