Familie des Tiergarten-Mordopfers nach Georgien abgeschoben

Trotz Sicherheitsbedenken:Familie des Tiergarten-Mordopfers nach Georgien abgeschoben

von Manuela Conrad

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Die Angehörigen des im Tiergarten ermordeten Georgiers sind abgeschoben worden. Ihr Asylantrag blieb erfolglos, obwohl die Sicherheitslage in Georgien umstritten ist.

Beamte der Spurensicherung sichern in einem Faltpavillon Spuren am Tatort im Berliner Tiergarten am 23.08.2019.

Der Georgier Selimchan Changoschwili kam am 23. August 2019 im Kleinen Tiergarten in Berlin-Moabid durch zwei Schüsse ums Leben.

Quelle: dpa

Vor einem Jahr kam der Tiergartenmörder im Rahmen eines Gefangenenaustausches frei. Nun wurden Angehörige des Opfers aus Deutschland nach Georgien abgeschoben und fürchten dort um ihr Leben.

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Eine Unterstützerin, die nicht genannt werden will, spricht mit dem ZDF über Surab Changoschwili, den Bruder des Verstorbenen. Er habe Angst um Leib und Leben, Angst, dass Putins Auftragskiller auch ihn töten. Genau wie sie seinen Bruder im Berliner Tiergarten vor sechs Jahren ermordet haben.

Surab Changoschwili, seine Frau sowie die minderjährigen Kinder wurden am frühen Donnerstagmorgen von Polizeibeamten aus Wünsdorf in Brandenburg abgeholt und nach Tiflis, die Hauptstadt Georgiens, abgeschoben. Der Bruder des im Tiergarten vor 6 Jahren ermordeten Selimchan Changoschwili hatte im Tschetschenien-Krieg gegen Russland gekämpft, wenn auch nicht in vorderster Front.

Oft genug hat sich der georgische Staatsbürger tschetschenischer Herkunft kritisch geäußert gegen die russlandfreundliche Regierung in Georgien und den Kreml selbst. Schutz nach Artikel 16a des Grundgesetzes, demzufolge politisch Verfolgten in Deutschland Asyl gewährt werden kann, bekam er nicht. Auch nicht, nachdem sein Bruder in Berlin ermordet wurde und Deutschland den Täter im Rahmen eines Gefangenenaustausches im August letzten Jahres frei ließ.

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Angst um Sicherheit in Georgien

Die Opfer-Familie Changoschwili muss in Georgien von zwei Seiten um ihre Sicherheit fürchten, berichtet die anonyme Unterstützerin. So häufen sich erstens Berichte, dass die russlandfreundliche georgische Regierung vermehrt mit russischen Geheimdiensten kooperiert. Zweitens fürchten sie die Rache Putins. Der hatte im Verlauf des zweiten Tschetschenien-Krieges mit einer Aussage für Aufsehen gesorgt, die ihn später berühmt machte.

Wir werden die Terroristen überall verfolgen (…) wir werden sie auf der Toilette schnappen und sie im Klo ertränken.

Wladimir Putin, Präsident der Russischen Förderation, 1999

Diese Aussage brachte Putin den Ruf eines entschlossenen und geradlinigen Mannes ein. Die unvermeidliche Bestrafung von Feinden und Verrätern ist ein wichtiges Prinzip des ehemaligen sowjetischen Geheimdienstes KGB. Putin setzt dieses Prinzip unerbittlich fort.

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Deutschland verweigert Asyl für Opfer-Familie

Das deutsche Innenministerium betont: Die Abschiebezahlen in Deutschland steigen. Ganz vorne dabei: Türkei und Georgien. Seit zwei Jahren ist Georgien ein sicheres Herkunftsland. Doch haben die Behörden in diesem Fall unsensibel, strikt nach Vorschrift agiert? Surab Changoschwili hatte bereits ein Asylverfahren in Schweden durchlaufen - mit negativem Bescheid.



Das Verwaltungsgericht Potsdam urteilte ebenfalls: Asyl verweigert, keine Gefährdung - Georgien ein sichereres Herkunftsland. Die Schwester der beiden Brüder darf in Deutschland bleiben, obwohl sie nicht politisch aktiv war. Eilanträge gegen die Abschiebung wurden ohne weitere Begründung abgelehnt. Robin Wagener, Bundestagsabgeordneter der Grünen, spricht von zynischer Abschiebepolitik:

Wenn Deutschland kein sicherer Hafen mehr für Putin-Gegner ist, für Menschen, die nachweislich verfolgt werden, wer soll sich dann noch gegen Putin engagieren?

Robin Wagener, Bundestagsabgeordneter Bündnis 90 / Die Grüne

Niemand aus dem Kanzleramt hatte Changoschwili vor einem Jahr informiert, dass der Mörder seines Bruders freigelassen wurde. Surab Changoschwili empfand es als Kränkung, auch wenn er die Freilassungen russischer Oppositioneller im Gegenzug befürwortet. Mit der Abschiebung nach Georgien aber schwindet sein Vertrauen in Deutschland.

Manuela Conrad ist Korrespondentin im ZDF-Studio Russland, Kaukasus und Zentralasien.

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