Neuer Präsident in Südkorea: Frauenbewegung setzt auf Lee

Analyse

Neuer Präsident in Südkorea:Frauenbewegung setzt Hoffnung auf Lee

Elisabeth Schmidt
von Elisabeth Schmidt, Seoul
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Die Wirtschaft läuft schlecht, die Geburtenzahl ist eine der niedrigsten der Welt, außenpolitisch drohen Nordkorea und China. Südkoreas Präsident muss eine Polykrise bewältigen.

Südkoreanische Unterstützerinnen und Unterstützer von Lee Jae-myung feiern vor der Nationalversammlung in Seoul.
In Südkorea haben die Proteste für Yoons Amtsenthebung Frauen im Land vereint. Jetzt hoffen sie auf Lee Jae-myung.
Quelle: ddp

Lee Jiyoon hat Banner und K-Pop-Licht zu unserem Interview mitgebracht. Die Frauenrechtsaktivistin hatte sie immer dabei, während der monatelangen Proteste für die Absetzung des rechtskonservativen Präsidenten Yoon. Es waren vor allem Frauen wie sie, in ihren 20ern und 30ern, die damals auf die Straße gingen. Südkorea gehört zu den technisch am weitest entwickelten Länder dieser Welt. Doch zuhause herrschen oft traditionelle Geschlechterrollen. 

Frauen in Südkorea deutlich im Nachteil

Frauen verdienen bis heute im Schnitt rund 30 Prozent weniger als Männer. Eine der größten Genderpay-Gaps in der entwickelten Welt. Sie stellen nicht einmal ein Fünftel der Abgeordnetensitze im Parlament. Bei dieser Präsidentschaftswahl waren alle sechs Kandidaten Männer. Das war zuletzt vor 18 Jahren so. Die Geburtenrate ist mit 0,7 Kindern pro Frau eine der niedrigsten der Welt.
Anhänger von Lee Jae-Myung von der Demokratischen Partei reagieren, während sie nach Abschluss der Präsidentschaftswahlen in Seoul, Südkorea, die Auszählung der Wahlergebnisse verfolgen.
Der Mitte-Links-Kandidat Lee gewinnt die vorgezogene Präsidentschaftswahl in Südkorea klar. Er verspricht, das Land zu einen – nach einem halben Jahr politischem Chaos.03.06.2025 | 2:40 min
Ex-Staatspräsident Yoon steht für Lee Jiyoon und viele Aktivistinnen für den Inbegriff des Anti-Feminismus - auch weil er versuchte, in seiner Amtszeit das "Ministerium für Gender-Gerechtigkeit und Familien" abzuschaffen. Die Proteste für Yoons Amtsenthebung habe die Frauen vereint, sagt Lee Jiyoon.

Das war vielleicht das erste Mal, dass überhaupt anerkannt wurde, was Frauen geleistet haben. Etwas, das das ganze Land verändern kann.

Lee Jiyoon, Frauenrechtsaktivistin und Autorin

Es habe sich für sie wie ein Sieg angefühlt, als Yoon im April tatsächlich abtreten musste. "Denn bislang sind wir so oft gescheitert. Ein permanentes Gefühl von Machtlosigkeit und Hilflosigkeit", sagt sie.
04.04.2025, Südkorea, Seoul: Moon Hyung Bae (M), amtierender Oberster Richter des südkoreanischen Verfassungsgerichts, spricht während der endgültigen Entscheidung über die Amtsenthebung des südkoreanischen Präsidenten Yoon.
In Südkorea hat das Verfassungsgericht die Amtsenthebung von Präsident Yoon bestätigt. Innerhalb von zwei Monaten muss es Neuwahlen geben. 04.04.2025 | 0:30 min
Sie setzt jetzt alle Hoffnung auf Südkoreas neuen Präsidenten, Lee Jae-myung von der linksliberalen Demokratischen Partei. In seiner ersten Rede verspricht er, als Staatschef das Land zu einen.

Meine erste Aufgabe wird sein, den Aufruhr zu beenden. Ich werde sicherstellen, dass es keinen Staatsstreich mehr gibt, bei dem die vom Volk übertragene Macht dazu eingesetzt wird, das Volk einzuschüchtern.

Lee Jae-myung, neu gewählter Präsident Südkorea

Lees Aufsteiger-Biografie spiegelt eindrücklich den Aufstieg Südkoreas wider. Er wuchs in armen Verhältnissen auf, bis heute ist sein genaues Geburtsdatum unbekannt - sein Vater hatte Lee deutlich verspätet bei den Behörden registriert. Laut offiziellen Angaben ist Lee Jae-myung 60 Jahre alt, die meisten Medien gehen jedoch von 61 Jahren aus. In seiner Jugend schuftete der Südkoreaner in Fabriken unter ausbeuterischen Bedingungen. In dieser Zeit zog er sich mehrere schwere Arbeitsverletzungen zu, die Lee bis heute gesundheitlich beeinträchtigen. Als Teenager gelang ihm der Sprung an die Universität, nach dem Abschluss machte er sich einen Namen als Menschenrechtsanwalt. Im Politikbetrieb galt Lee als linker Außenseiter mit teils radikalen Ideen. Als erster bekannter Politiker forderte er etwa ein bedingungsloses Grundeinkommen - eine Idee, die in Südkorea für Furore sorgte. Im aktuellen Wahlkampf hat Lee seine Positionen deutlich gemäßigt, um auch die Wähler der politischen Mitte anzusprechen. (Quelle: dpa)

Eine Frau hilft einer älteren Frau in die Wahlkabine.
Nach der Amtsenthebung von Präsident Yoon steht Südkorea vor einer wegweisenden Wahl. Die Gesellschaft ist tief gespalten, die politische Lage angespannt. Acht Kandidaten ringen um die Nachfolge – doch ein Neuanfang scheint schwer.03.06.2025 | 4:36 min

Südkorea: tief gespalten

Doch Lee Jae-myung ist auch umstritten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Verdacht auf Korruption. Der politische Gegner, die rechtskonservative People Power Party, die gern Donald Trumps "Stop the Steal"-Slogan aufgreift, wirft ihm Stimmenklau vor. Bewiesen ist das, wie auch bei der US-Wahl 2020, nicht. Doch das Land ist nach sechs Monaten politisches Chaos tief gespalten. Im Netz machen zahlreiche Verschwörungstheorien die Runde.

Mit dieser Person als Präsidenten wird die demokratische Republik Südkorea kommunistisch. Lee sympathisiert mit China. Er sollte nicht Präsident sein!

Lee Sang-dae, People Power Party-Anhänger

Südkoreas Nationale Wahlkommission hat am Mittwoch den liberalen Kandidaten Lee Jae-myung offiziell als neuen Präsidenten des Landes anerkannt. Die Bestätigung durch das Gremium wurde am frühen Mittwochmorgen live im südkoreanischen Fernsehen übertragen. Lee erhielt 49,42 Prozent der fast 35 Millionen abgegebenen Stimmen, während sein konservativer Rivale Kim Moon-soo 41,15 Prozent der Stimmen bekam. Die Wahlbeteiligung lag bei fast 80 Prozent. Nach Angaben der Nationalen Wahlkommission war sie die höchste seit 1997. (Quelle: reuters)

South Korea's Democratic Party's presidential candidate Lee Jae-myung, gestures as his supporters gather outside of the National Assembly in Seoul, South Korea, Wednesday, June 4, 2025.
Nach einer Staatskrise und der Amtsenthebung des Präsidenten wurde in Südkorea neu gewählt. Der liberale Kandidat Lee gewinnt laut den ersten Zahlen die Präsidentschaftswahl.03.06.2025 | 1:44 min

Langer Weg der Herausforderungen

Sätze wie diese hören wir oft von Seiten der People Power Party. Präsident Lee will wieder Gesprächskanäle mit Nordkorea und China öffnen. Von einer Anbiederung kann aber keine Rede sein. Südkoreas neuer Staatschef hat jetzt - anders als sein Vorgänger Yoon - die Mehrheit in der Nationalversammlung. Eine Amtsenthebung per Votum durch die Opposition ist somit vom Tisch. Juristische Folgen bleiben abzuwarten.
Aktivistin Lee Jiyoon ist dennoch voller Hoffnung. Der neue Präsident habe immerhin bereits in seinen Reden die Leistung der Frauen während der Proteste anerkannt. Doch bis das Land zur Ruhe kommt, wird es wohl noch eine ganze Weile dauern - es könnte die größte Herausforderung des neuen Präsidenten werden.

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