Russische Spionage in Schweden? Kirchengemeinde unter Verdacht

Russische Spionage in Schweden?:Wenn der Spion im Kirchturm sitzen soll

Winnie Heescher
von Winnie Heescher
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In Schweden soll eine russisch-orthodoxe Kirchengemeinde enteignet werden, weil sie unter dem Verdacht unorthodoxer Spionagemethoden steht: Belauscht ihr Kirchturm einen Flughafen?

orthodoxe Kirche in Schweden
In der orthodoxen Kirche im schwedischen Västeroos wird russische Spionage vermutet. Russland soll sie dazu nutzen, den nahe gelegenen Flughafen abzuhören.16.07.2025 | 1:57 min
Ein Gebäude, blau, aus Holz, mit vergoldeten Türmen, umrundet von Zäunen und überwacht von Videokameras, Schilder weisen auf bissige Hunde hin: Es liegt abgeschirmt in einem Waldstück nahe der Stadt Västerås, gute 100 Kilometer von Stockholm entfernt.
Um dieses Gelände ranken sich zahlreiche Gerüchte: Ist es ein Gotteshaus der russisch-orthodoxen Kirche oder ein Spionagezentrum? Wird hier zu Gott gebetet oder zu Wladimir Putin?
Es ist vor allem die Lage der Kirche, die diese Frage aufwirft: 300 Meter entfernt vom internationalen Flughafen in Västerås, auf dem seit dem Nato-Beitritt Schwedens 2024 auch Militärübungen durchgeführt werden.
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Indizien lassen Einfluss aus Russland vermuten

Mikaela Lundblad war die Erste, die ihrem Misstrauen nachging. Sie ist Journalistin der Lokalzeitung "VLT" in Västerås und begann mit ihrer Recherche 2018, nachdem Baugenehmigungen für das Gelände beantragt worden waren. "Bei unserer Überprüfung dieses Kirchengebäudes sind immer wieder Dinge aufgetaucht, die darauf hindeuten, dass der russische Staat sehr stark in diesen Bau involviert war", sagt die Journalistin.

Finanzielle Unterstützung erhielt die Gemeinde unter anderem vom staatlichen russischen Atomkonzern Rosatom.

Mikaela Lundblad, Journalistin der Lokalzeitung "VLT"

Mehr als drei Millionen Euro sollen geflossen sein.
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Pfarrer erhielt Medaille des russischen Geheimdienstes

Als das Gebäude 2023 eingeweiht wurde, waren russische und belarussische Diplomaten anwesend. Einer von ihnen wurde von Journalisten als russischer Spion enttarnt. Auch eine andere Person steht im Fokus der Recherchen - wie Pater Pavel Makarenko, der Pfarrer der Kirche in Västerås. "Er hat eine Medaille des russischen Geheimdienstes erhalten", sagt Mikaela Lundblad.
Die Journalistin hat mehrfach versucht, Makarenko zu sprechen - auch über seine vorherige Funktion als Leiter einer Import-Export-Firma und Geldwäsche-Gerüchte. Ihre Anfragen lässt der Pater unbeantwortet, die von ZDFheute auch.

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Nachrichtendienst in Schweden stuft Kirche als Bedrohung ein

Lundblad ist nicht die Einzige, die die Kirche mit Argwohn betrachtet. Die schwedische Nachrichtendienst Säpo, der für die Spionageabwehr im Inland zuständig ist, stufte den russischen Zweig der orthodoxen Kirche im Dezember 2023 als "Bedrohung für die schwedische nationale Sicherheit" ein.
Die Kirche schließen können die Behörden nicht: Das Recht auf Religionsfreiheit verbietet das - ebenso, die Kirche zu durchsuchen oder zu belauschen.

Kommunalpolitiker wollen Kirchengemeinde enteignen

In der Gemeinde von Västerås haben die Kommunalpolitiker sich deshalb für einen anderen Weg entschieden: Sie wollen die russisch-orthodoxe Kirchengemeinde enteignen. "Wir sind nicht gegen die Kirche an sich", sagt eine der Kommunalpolitikerinnen, Elisabeth Unell. "Aber wir sind dagegen, dass sie an diesem Ort steht und wir sind gegen die Verbindung, die zum russischen Staat und zu Putin besteht."
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Betrieb am Flughafen Västerås läuft weiter

Auf dem Flughafen von Västerås geht der Betrieb unvermindert weiter, aber begeistert ist man hier über die Nachbarschaft nicht. Die Hauptkuppel der Kirche ragt 22 Meter in die Höhe, zehn Meter waren laut Baugenehmigung erlaubt. Weil die Kirche in einer Mulde liegt und von Bäumen umgeben ist, war der höhere Kirchturm erst nicht aufgefallen.
Ganz oben in der Kuppel könnten Überwachungsgeräte untergebracht sein. Pär Ekman, operativer Chef des Flughafens, sagt:

Es fühlt sich immer ein wenig unangenehm an, die dritte Macht so nah zu haben.

Pär Ekman, Operativer Chef des Flughafen Västerås

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Patriarch Kyrill unterstützt Krieg in der Ukraine

Die Kommunalpolitikerin Unell fragt sich, ob sie bei der Vergabe der Baugenehmigung zu naiv gewesen seien. Heute weiß man, dass die russisch-orthodoxe Kirche den russischen Krieg in der Ukraine unterstützt. Man weiß, dass Patriarch Kyrill, das Oberhaupt der Kirche, der früher für den KGB gearbeitet hat, den an der Front gefallenen russischen Soldaten einen Platz im Himmel versprochen hat.
"Wir müssen aus allem lernen", sagt Unell. Über die Frage der Enteignung wegen nationaler Sicherheitsinteressen muss nun die schwedische Regierung entscheiden.
Winnie Heescher ist Korrespondentin für Schleswig-Holstein und Skandinavien im ZDF-Studio Kiel.

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