Stichwahl in Chile: Ultrarechter Katholik gegen Linkspolitikerin

Chile vor der Stichwahl:Angst an der Wahlurne

von Christoph Röckerath, Santiago de Chile

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Die Sehnsucht nach mehr Sicherheit bestimmt, wer als nächstes Staatsoberhaupt des südamerikanischen Landes wird. Eine Entscheidung zwischen Links und Rechts.

Das Wahlpersonal Chiles bereitet vor der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen am 13. Dezember 2025 in Santiago ein Wahllokal im Estadio Nacional vor.

Wird die zukünftige Regierung in Chile ultrarechts oder radikal links? Bei der Stichwahl trifft der Sohn eines Wehrmachtssoldaten auf eine Kommunistin.

13.12.2025 | 1:44 min

Wer im Minimarkt von Irma Garces im Südosten von Santiago de Chile einkaufen möchte, muss draußen durch ein Gitter langen, auf der Innenseite auf eine Klingel drücken und dann in eine Kamera schauen. Erst danach öffnet die Besitzerin die Tür. Diese führt in einen ebenfalls vergitterten Vorraum. Der Laden selbst ist abgetrennt, die Einkäufe gibt Irma Garces durch einen kleinen Spalt heraus - nach Bezahlung.

"Jede Nacht versuchen sie, mich zu bestehlen", sagt sie. Deshalb habe sie all die Kameras und die Gitter angebracht. "Sie", das sind ihrer Meinung nach Verbrecher, vor allem Migranten. Deshalb werde sie bei der Stichwahl zur chilenischen Präsidentschaft José Antonio Kast wählen, den Spitzenkandidaten der Rechten.

"Wir vertrauen auf ihn. Darauf, dass er das Land säubert, dass er alle Illegalen rausschmeißt", sagt Garces.

Kast tritt als erzkonservativer Hardliner auf

Kast, der Sohn eines deutschen Wehrmachtsoffiziers und Sympathisant des einstigen Diktators Pinochet, tritt als erzkonservativer Hardliner auf. Im Wahlkampf ist es ihm gelungen, die in den letzten Jahren gestiegene Kriminalität untrennbar mit der ebenfalls gestiegenen Einwanderung zu verknüpfen. Für den Fall seines Wahlsieges hat er die Errichtung von Grenzzäunen und Massenabschiebungen angekündigt.

Umfragen zeigen, dass rund zwei Drittel der Chilenen die Kriminalität als ihre größte Sorge bezeichnen. Die Angst der Chilenen ist ein Phänomen, das seit Jahren immer stärker wird. Das Land belegt dabei weltweit einen Spitzenplatz, obwohl es nach wie vor eines der sichersten Länder Lateinamerikas ist.

Die linke Präsidentschaftskandidatin aus Chile Jara

Bei der Wahl in Chile hat die linke Kandidatin Jara die erste Runde mit fast 27 Prozent knapp gewonnen. Im Dezember muss sie gegen den rechten Kandidaten Kast in die Stichwahl.

17.11.2025 | 0:19 min

Angstniveau in Chile gestiegen

Die Gründe für dieses Paradoxon sind kompliziert, erklärt Daniel Johnson von der Stiftung Paz Ciudadana in Santiago.

Wir messen seit mehr als 20 Jahren die Angst in Chile. Noch nie hatten wir ein so hohes Angstniveau wie in den letzten drei Jahren.

Daniel Johnson von der Stiftung Paz Ciudadana im ZDF-Interview

Statistisch hat sich die Mordrate in den letzten zehn Jahren etwa verdoppelt. Von rund drei Tötungsdelikten auf sechs je 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: In Brasilien ist die Rate gut drei Mal so hoch, in Kolumbien gar vier Mal.

Im etwa gleichen Zeitraum hat sich auch der Ausländeranteil mehr als verdoppelt, vor allem wegen des Zuzugs von Flüchtlingen aus Venezuela. Dies habe zu einem Gefühl des Kontrollverlustes beigetragen, sagt Johnson, auch wenn die Zusammenhänge zwischen Migration und Kriminalität komplexer seien.

Torres del Paine

Bei einem Schneesturm in Chile sind fünf Touristen ums Leben gekommen, darunter zwei Deutsche. Sie wurden im Nationalpark Torres del Paine von dem Unwetter überrascht.

19.11.2025 | 0:24 min

Johnson: Kriminelle Organisationen sind das Problem in Chile

Hauptgrund sei nicht die Zahl der Flüchtlinge, sondern die Operationen internationaler krimineller Organisationen, die sich im Schatten der Flüchtlingsströme auf Chile ausgedehnt hätten.

Nicht die Migration an sich ist das Problem, sondern ausländische kriminelle Organisationen, die in Chile operieren, deren Operationen aber nicht von den Ausländern in Chile ausgehen.

Daniel Johnson von der Stiftung Paz Ciudadana im ZDF-Interview

"Neben einem Anstieg der Gewaltverbrechen haben wir auch eine Veränderung in der Art der Verbrechen, vor denen die Chilenen große Angst haben", so der Experte. Auftragsmorde, Schießereien am hellichten Tag, Zerstückelungen und brutale Entführungen kannten die Chilenen bisher nur aus den Nachrichten aus anderen Ländern.

"Heute sind wir alle Zeugen, weil wir überall in der Stadt und in allen Mobiltelefonen Kameras haben", sagt Johnson. "Das bringt uns dem Verbrechen näher und macht uns ängstlicher." Vor allem die Rechte unter Kast weiß dies zu nutzen.

"Was wir heute in Chile erleben, ist eindeutig ein Notfall, eine totale Krise, die uns zwingt, zusammenzukommen, um uns der Unfähigkeit und der Ineffizienz der aktuellen Regierung zu stellen", sagt er zum Wahlkampfabschluss.

In Chile ist landesweit kurzzeitig der Strom ausgefallen.

In Chile ist Anfang des Monats nahezu landesweit der Strom ausgefallen. Eine Hochspannungsleitung war unplanmäßig vom Netz gegangen. Die Regierung rief den Ausnahmezustand aus.

26.02.2025 | 0:17 min

Angst dürfte den Wahlausgang bestimmen

Dabei hat auch die amtierende linke Regierung schon in den vergangenen Jahren versucht, die Migration einzuschränken und härter gegen das organisierte Verbrechen vorzugehen. Doch Kast treibt mit seinen markigen Worten die Spitzenkandidatin der Linken, Jeanette Jara, vor sich her. Jara tritt nicht als Kandidatin der Kommunistischen Partei an, sondern für ein breites Mitte-Links-Bündnis. Ihre Anhänger schätzen ihr Charisma und ihren versöhnlichen Ton. Die Chilenen kennen die 51-Jährige als frühere Arbeits- und Sozialministerin.

Die Angst dürfte den Wahlausgang bestimmen, sei aber ein schlechter Ratgeber, sagt Daniel Johnson. "Die Bürger verspüren ein Gefühl der Dringlichkeit. Um dem gerecht zu werden, wird die Politik nach Maßnahmen mit sofortiger Wirkung suchen. Doch diese dürften auf Dauer nicht funktionieren."

Quelle: AFP, epd
Über dieses Thema berichtete die heute-Sendung am 13.12.2025 ab 19 Uhr.

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