Moldaus Präsidentin:Maia Sandu: "Enormer Druck aus Moskau" vor Wahl in Moldau
Vor der Parlamentswahl in Moldau spricht Präsidentin Maia Sandu mit ZDFheute über russische Einflussnahme, Korruption und ihren Einsatz für die Demokratie.
"Was wir sehen, ist ein enormer Druck aus Moskau, sich in die Wahlen einzumischen", sagt Sandu im Vorfeld der Parlamentswahl. (Archivbild)
Quelle: dpa/Kay NietfeldMaia Sandu will die Republik Moldau in den nächsten vier Jahren zum Mitglied der Europäischen Union machen. Doch die Parlamentswahl am Sonntag könnte für das Land zur Schicksalswahl werden. Im Vorfeld beklagt die Präsidentin massive russische Einflussversuche. Sie erklärt im ZDFheute-Interview, wie Russland das versucht und warum Europa für sie alternativlos ist.
ZDFheute: Frau Präsidentin, zunächst einmal ist es ja bemerkenswert, dass Sie bei dieser Parlamentswahl am Sonntag gar nicht zur Wahl stehen, aber trotzdem im Wahlkampf das Wort ergreifen.
Maia Sandu: Das tue ich, weil ich will, dass die Moldauer für ihr Land gemäß der Verfassung souverän und unabhängig entscheiden. Es geht hier um die territoriale Integrität und die Unabhängigkeit unserer Republik. Und was wir sehen, ist ein enormer Druck aus Moskau, sich in die Wahlen einzumischen und die Wahlen zu beeinflussen.
Und wir alle sehen, dass Moskau Hunderte von Millionen Euro dafür ausgibt, um politische Parteien zu finanzieren, sogar um Wähler zu bestechen oder junge Leute auszubilden, um Destabilisierungsaktivitäten zu organisieren.
Maia Sandu, Präsidentin Moldau
In meiner Eigenschaft als Präsidentin, als Garant der Souveränität dieses Landes, möchte ich, dass die Menschen über diese Risiken für unsere Demokratie Bescheid wissen.
Hin und hergerissen zwischen Russland und dem Westen kämpft Moldau um seine Zukunft. Kanzler Friedrich Merz stärkt der proeuropäischen Regierung den Rücken.
27.08.2025 | 1:44 minZDFheute: Sie sagen, junge Leute werden von Russland dafür bezahlt, Unsicherheit zu verbreiten, Unruhe zu stiften und Schlimmeres. Welche Beweise haben Sie dafür?
Sandu: Die Polizei hat das bereits öffentlich gemacht.
Es gibt mehrere hundert junge Menschen, die außerhalb Moldaus ausgebildet wurden. Die meisten haben das gestanden.
Maia Sandu, Präsidentin Moldau
Viele sind in Haft, einige wurden freigelassen, weil sie mit den Strafverfolgungsbehörden kooperieren. Und ja, sie wurden darin geschult, wie man Waffen benutzt, wie man gegen die Polizei kämpft, wie man sich an Protesten beteiligt und sie in gewalttätige Aktionen umwandelt.
... liegt zwischen der Ukraine und dem EU-Land Rumänien. Die ehemalige Sowjetrepublik ist seit 1991 unabhängig und eines der ärmsten Länder Europas.
- rund 2,5 Millionen Einwohner
- Muttersprache: für die meisten Rumänisch, für etwa ein Zehntel Russisch
- christlich geprägt, mehr als 90 Prozent der Menschen sind orthodox
Moldau hat seit Juni 2022 den Status eines EU-Beitrittskandidaten. Im Juni 2024 begannen die Beitrittsverhandlungen, die sich allerdings über Jahre oder gar Jahrzehnte hinziehen können. Als erstes Land überhaupt unterzeichnete Moldau mit der EU auch ein Partnerschaftsabkommen in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung.
Schon seit 1992 ist Moldau auch Partnerland der Nato. Es wird von der westlichen Militärallianz bei der Reform und Modernisierung seiner Streitkräfte unterstützt. Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt aber einen Nato-Beitritt ab.
ZDFheute: Wie groß ist Ihre Angst, dass es nach dieser Wahl zu breiten Protesten und Chaos im Land kommt?
Sandu: Ich bin zuversichtlich, dass unsere Institutionen in der Lage sein werden, die Sicherheit der Menschen vor, während des Wahltages und nach den Wahlen zu gewährleisten.
Meine größte Sorge gilt dem Einfluss und der Einmischung, die Russland jetzt hat, seit zwölf Monaten.
Maia Sandu, Präsidentin Moldau
Denn wie ich sagte, wollen wir, dass die Moldauer für die Republik Moldau entscheiden, aber ich bin zuversichtlich, dass die Institutionen für die Sicherheit der Moldauer sorgen werden.
EU-Ratspräsident Costa und Kommissionspräsidentin von der Leyen trafen Anfang Juli Moldaus Präsidentin Sandu in Chișinău. Die EU unterstützt das Land etwa bei Reformen und Energiesicherheit.
04.07.2025 | 2:13 minZDFheute: Die Strafverfolgungsbehörden sind zuletzt gegen Wahlbeeinflussung massiv vorgegangen. Es kam zu einigen Festnahmen, auch schon Verurteilungen. Am Donnerstag erst ist der prorussische Oligarch Vladimir Plahotniuc aus dem Exil in Griechenland nach Moldau überstellt worden, um hier sofort festgenommen zu werden. Wie sehr trägt das alles zu Spannungen und einer Spaltung der Gesellschaft vor der Wahl bei?
Sandu: Dieser Oligarch hat seit vielen Jahren das Land manipuliert. Zufällig hat ihn die griechische Polizei vor einigen Wochen gefasst. Wir haben in den letzten sechs Jahren auf diesen Moment gewartet, seit er das Land verlassen hat und sich versteckt hat. Das alles ist nicht einfach, denn wir befinden uns auch mitten in der Reform des Justizsektors.
Die Reform ist noch nicht abgeschlossen. Das erschwert vieles. Menschen, die mit diesem Oligarchen zusammengearbeitet haben, sind noch immer Teil dieser Justiz.
Maia Sandu, Präsidentin Moldau
Sie haben Verbrechen begangen, also Finanzverbrechen, anstatt ihre Arbeit zu erledigen. Wir haben in den letzten Jahren hart daran gearbeitet, die Justiz zu reformieren, und wir wollen, dass diesem Mann und all den Menschen, die das Gesetz gebrochen haben, Gerechtigkeit widerfährt.
ZDFheute: Aber wirkt es nicht seltsam inszeniert, dass er so kurz vor der Parlamentswahl zurückkehrt, festgenommen wird und so vermutlich seine Sympathisanten, die prorussische Seite, mobilisiert wird zur Wahl zu gehen?
Sandu: Die Frage müssen Sie an die griechische Polizei stellen. Warum sie ihn jetzt gefangen haben und warum sie ihn nicht früher gefangen haben.
ZDFheute: Aber nochmal: Kurz vor der Wahl haben die moldauischen Behörden zahlreiche Kritiker festgenommen unter dem Vorwurf von Wahlmanipulation, Bestechung und so weiter. Wird damit nicht die Gegenseite mobilisiert?
Sandu: Welche Alternative haben wir denn?
Wir müssen die Korruption bekämpfen und ja, manchmal versuchen diese Leute, sich hinter der Politik zu verstecken.
Maia Sandu, Präsidentin Moldau
Die korruptesten Leute wurden plötzlich Politiker, zunächst, weil sie Geld hatten, um eine politische Partei zu gründen, um alle Arten von Aktivitäten zu finanzieren, nachdem sie das Geld von den Bürgern gestohlen hatten. Es gibt sehr klare Beweise, jeder kann das überprüfen.
Beim ersten Gipfel zwischen EU und Moldau im Juli sprachen die Spitzen der Europäischen Union über den Beitritt des Landes. Moldaus Präsidentin stellte sich gegen Putin und dessen Einfluss.
05.07.2025 | 2:36 minZDFheute: Die Republik Moldau ist EU-Beitrittskandidat. Diese Wahl wird schon jetzt als Schicksalswahl bezeichnet, obwohl vor dem Land ja noch ein sehr weiter Weg der EU-Integration liegt. Sind Sie wirklich überzeugt, dass die Gesellschaft für diesen Weg bereit ist, der ja jetzt schon zu erheblichen Spannungen und zur Spaltung führt?
Sandu: Ja, davon bin ich überzeugt. Und ich glaube schon, dass der Weg, der vor uns liegt, gar nicht so weit ist.
Wir haben in den vergangenen drei Jahren große Fortschritte gemacht. Ich glaube wirklich, dass die Republik Moldau bis zum Ende des Jahrzehnts EU-Mitglied sein kann.
Maia Sandu, Präsidentin Moldau
Andere Länder haben das auch geschafft zu einer Zeit, als Russland weniger aktiv war. Leider hat es Moldawien zuvor nicht geschafft, mit anderen Ländern EU-Mitglied zu werden. Aber jetzt ist das für uns ein Muss, denn wir wollen Teil der freien Welt zu sein. Wir wollen weiterhin ein demokratisches Land sein.
Die Republik Moldau und die Ukraine sind seit 2022 EU-Beitrittskandidaten.
Quelle: ZDFUnd wenn man bedenkt, was in unserer Region passiert, wenn man bedenkt, wie aggressiv Russland in den letzten Jahren geworden ist, und das kann man natürlich in der Ukraine sehen, aber auch bei uns.
Russland versucht, unsere Souveränität an sich zu reißen. Ich meine, wir alle haben es in der Ukraine gesehen.
Maia Sandu, Präsidentin Moldau
Auch bei uns versucht Russland, Angst zu verbreiten. Russland will überall in den Hauptstädten der ehemaligen Sowjetrepubliken Leute an der Macht platzieren, die ihnen zuhören, die Russland untergeordnet sind und sich um die Interessen Russlands kümmern statt um die ihrer Länder.
ZDFheute: Wenn Russland Erfolg haben sollte, wenn die Wahl am Sonntag gegen das proeuropäische Lager ausgeht, welche Rolle würden Sie als Präsidentin ab nächster Woche spielen?
Sandu: Ich werde weiter für die Demokratie kämpfen. Weil wir an die Freiheit glauben. Und nicht unter Putins Regime leben wollen.
Das Interview führte Armin Coerper, Leiter des ZDF-Studios Moskau.
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