Warnpfiffe gegen US-Einwanderungsbehörde:"Wir sind Nachbarn" - Minneapolis trotzt ICE-Einsätzen
von Katharina Schuster, Washington D.C.
In Minneapolis werden Nachbarn aktiv, mit Trillerpfeifen warnen sie ihre Mitmenschen vor ICE-Razzien. Wie die US-Regierung ihre Abschiebemaschinerie weiter ausrüstet.
In der somalischen Community in Minneapolis geht die Angst um: Die Angst vor Razzien der US-Einwanderungsbehörde ICE. Mit Pfiffen versuchen sich die Menschen gegenseitig zu warnen.
09.12.2025 | 1:26 minWenn Miri patrouilliert, hält er seine Trillerpfeife griffbereit. "Gegen 8:30 Uhr haben sie versucht, einen Mann zu entführen", erinnert er sich. An diesem Morgen steht er vor einem Einkaufszentrum im Süden der US-Stadt Minneapolis, als drei Fahrzeuge der US-Einwanderungsbehörde ICE einen Mann mit hispanischen Wurzeln anhalten und beginnen, ihn in ihr Auto zu drücken. Miri rennt los, zückt sein Handy und bläst in seine Trillerpfeife - ein Alarm, der die Menschen in der Umgebung warnen soll.
Die jüngsten Sichtungen von ICE-Beamten haben vor allem in der somalischen Community Angst ausgelöst. "Die Menschen haben große Angst, sogar diejenigen, die in den Vereinigten Staaten geboren sind", erklärt Michelle Rivero, Direktorin des städtischen Amtes für Einwanderer- und Flüchtlingsangelegenheiten.
ICE steht für "Immigration and Customs Enforcement". Das ist eine US-Bundesbehörde, die für Einwanderungs- und Grenzkontrollangelegenheiten zuständig ist. Sie läuft unter dem Dach des Heimatschutzministeriums.
Die Behörde befasst sich unter anderem mit der Abschiebung von Personen, die illegal im Land sind, aber auch mit Untersuchungen von Einwanderungsverstößen und dem Grenzschutz.
Die Kritik: ICE führt groß angelegte Razzien durch, bei denen auch nicht-kriminelle Menschen ohne Aufenthaltsstatus verhaftet und abgeschoben werden. Viele dieser Personen leben seit Jahren in den USA, arbeiten dort, zahlen Steuern und haben Familien.
Trumps Versprechen von Massendeportationen wird in den USA zur Realität. Doch die brutalen Methoden der Einwanderungsbehörde stoßen auf immer mehr Widerstand im Land.
02.07.2025 | 21:06 minTrump bezeichnet Somalier als "Müll"
US-Präsident Donald Trump hat in seiner zweiten Amtszeit die Rhetorik der Migration und der "illegalen Einwanderung" weiter verschärft. Bei einer Kabinettssitzung Anfang Dezember wiederholte Trump mehrmals:
Wir wollen sie nicht in unserem Land.
Donald Trump, US-Präsident
Gemeint waren die rund 260.000 Menschen somalischer Herkunft in den USA. Die größte Gruppe lebt in der Gegend von Minneapolis. "Die Somalier sollten hier weg. Sie haben unser Land zerstört. Und alles, was sie tun, ist sich zu beschweren, zu beschweren, zu beschweren."
Auch die somalischstämmige Abgeordnete Ilhan Omar nannte er "Müll".
X-Post von Ilhan Omar
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US-Präsident Trump behauptet, dass Menschen aus Somalia den Bundesstaat Minnesota ruinieren und bezeichnet ihr Heimatland als "stinkend". Müll sollte nach seiner Aussage nicht in den USA bleiben.
03.12.2025 | 1:12 minEx-ICE-Leiter: Keine gezielten Operationen, sondern Razzien
Die US-Regierung hat das Asylsystem weitgehend lahmgelegt, Anträge aus 19 Ländern wurden vorerst gestoppt, Trumps Dekret zur Abschaffung des Geburtsortsprinzips liegt beim Supreme Court.
50.000 neue Mitarbeiter hat ICE seit Trumps Amtsantritt eingestellt. In einem Interview mit "Politico" sagt der ehemalige ICE-Leiter John Sandweg:
Die Regierung wird bestrebt sein, so viele neue Beamte wie möglich einzusetzen.
John Sandweg, Ex-ICE-Leiter
Trumps Asylpolitik ist von einem US-Bundesgericht für rechtswidrig erklärt worden. Der Präsident habe nicht das Recht, Menschen abzuschieben, ohne dass sie Asyl beantragen können.
03.07.2025 | 0:26 minFrüher habe man gezielte Operationen gegen ausgewählte Personen mit krimineller Vergangenheit durchgeführt, heute ähnelten die Aktionen "großflächigen Razzien". ICE-Agenten würden stark unter Druck gesetzt und seien "gezwungen, aggressivere Taktiken anzuwenden".
Politologin: ICE ist Säule der Migrationspolitik
Parallel greifen neue Gesetze. Claudia Hofmann beschreibt ICE als zentrale Säule einer stark verschärften Migrationspolitik. Ein Überblick:
1) "One Big Beautiful Bill Act": Die Politikwissenschaftlerin an der "American University" in Washington D.C. erklärt, dass die Behörde besonders von diesem Gesetz profitiert. Es erhöht die Mittel für Abschiebung und Haft massiv.
2) "Laken Riley Act": Dieses verpflichtet die Behörden, mehr nicht dokumentierte Personen bei bestimmten Delikten in Haft zu nehmen. Dabei geht es nicht um die Verfolgung von Straftaten - das war ohnehin Aufgabe der Behörden -, sondern neu ist, dass deutlich mehr Betroffene zwingend an ICE überstellt werden müssen.
3) "Protecting The American People Against Invasion": Laut Hofmann weitet die Verfügung die Nutzung von Schnellverfahren für Abschiebungen aus, schränkt Sozialleistungen ein und erhöht den Druck auf sogenannte Sanctuary-Gebiete, Städte und Countys, die die Zusammenarbeit mit ICE bewusst begrenzen.
4) "Operation Safeguard": Ziel dieser Maßnahme seien Razzien in Städten und Kommunen, die bisher nur begrenzt mit Bundesbehörden kooperierten. Dadurch entstehe ein dichtes Netzwerk aus Bundesbehörden und lokalen Dienststellen, das laut Hofmann systematisch auf massenhafte Verhaftungen und Abschiebung ausgelegt sei.
"One Big Beautiful Bill": US-Präsident Trump hat sein umstrittenes Steuergesetz unterzeichnet und damit in Kraft gesetzt. Das Gesetz sieht unter anderem höhere Ausgaben für Verteidigung und Grenzschutz vor.
05.07.2025 | 0:25 minMinneapolis reagiert auf Razzien
In Minneapolis reagierte Bürgermeister Jacob Frey mit einer Durchführungsverordnung, die Bundesbehörden von städtischen Flächen fernhält.
Politikwissenschaftlerin Hofmann betont: Während Schutzsuchende und gering qualifizierte Migranten immer härter betroffen seien, eröffne die Regierung wohlhabenden Investoren eine bevorzugte Einwanderungsschiene. "In der Summe entsteht hier ein migrationspolitisches Klassensystem."
Für Menschen wie Miri, der mit seiner Trillerpfeife vor ICE-Einsätzen warnt, ist es daher eine Frage der Solidarität.
Ich kenne nicht Dutzende von Menschen in den hispanischen oder somalischen Gemeinden, aber ich weiß, dass sie meine Nachbarn sind.
Miri, ehrenamtlicher Helfer in Minneapolis
"Es ist ganz natürlich, dass man hinausgeht, wenn seine Nachbarn ins Visier genommen werden."
Katharina Schuster ist Reporterin im ZDF-Studio in Washington D.C.
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