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Reform erleichtert Zuwanderung:Spanien geht bei Migration eigene Wege
von Brigitte Müller, Madrid
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Künftig sollen Nicht-EU-Ausländer, die aus wirtschaftlichen Gründen nach Spanien kommen, nach zwei Jahren eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung erhalten können.
Spanien reformiert Migrationsgesetze und erleichtert somit die Genehmigung eines Arbeits- und Aufenthaltrechts
Quelle: dpa
Knapp 100 Männer und vor allem Frauen stehen vor der Kirche "Unsere Señora des Heiligen Herzens" an. Heute werden, wie jeden Donnerstag, Jobs als Haushaltskraft, Kindermädchen oder Gärtnerin und Gärtner verlost.
Es ist eine Vermittlungsstelle für Familien und Arbeitssuchende, die es mit der Aufenthaltserlaubnis nicht so genau nehmen. Dayerlin aus Venezuela und Natalia aus Kolumbien haben sich in der Schlange kennengelernt. "In unserer Heimat gibt es keine Zukunft, nur Gewalt und Hoffnungslosigkeit", sind sie sich einig. Sie sind als Touristinnen eingereist und geblieben.
Reform bietet normales Leben
Die jungen Frauen wissen: wenn sie lange genug mit Schwarzarbeit durchhalten, können sie eine Arbeitserlaubnis beantragen, sofern sie ein Vertragsangebot über mindestens 20 Wochenstunden vorlegen können. Bisher ging das nach drei Jahren - mit der jetzt verabschiedeten Reform wird der Zeitraum auf zwei Jahre verkürzt. Die Verfahren etwa für Arbeitserlaubnisse im Ausländerrecht werden vereinfacht.
"Soziale Verwurzelung" nennt sich diese Regelung, mit der 2023 210.000 Menschen ihre Situation legalisieren konnten. In Zukunft - die Reform soll ab Juni 2025 in Kraft treten - rechnen die Behörden mit jährlich 300.000 neuen Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen.
Viele Migranten kommen aus Lateinamerika
Die große Mehrheit dieser Papiere gehen an Menschen aus Lateinamerika. Migranten aus Afrika, die nach oft lebensbedrohlichen Überfahrten an Spaniens Küsten ankommen, machen nur einen kleinen Teil der Neuankömmlinge aus.
Das Regelwerk sieht zudem die Möglichkeit vor, direkte Familienangehörige nach Spanien zu holen und diese in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Studierende und Auszubildende aus Nicht-EU-Staaten dürfen 30 Stunden pro Woche arbeiten und anschließend eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Zudem werden Abkommen mit anderen Ländern für zeitlich begrenzte Jobs, hauptsächlich in der Landwirtschaft, gestärkt.
Strategie heißt Integrieren statt Abschotten
Die spanische Regierung ist sich bewusst, dass sie mit diesen Maßnahmen gegen den Strom der sich verschärfenden Ausländerregelungen in der EU schwimmt.
Spanien ist das einzige EU-Land, in dem es die Figur der sozialen Verwurzelung gibt, ...
... sagt Pilar Cancela, Staatssekretärin für Migration, nicht ohne Stolz und spricht von "einer Brücke hin zur Normalisierung der Situation vieler Ausländer".
Spanien, wie die anderen EU-Länder auch, brauche Arbeitskräfte. Ziel sei es also, die Hürden zu senken, statt Gesetze zu verschärfen. "Wir wissen, dass unsere Position nicht die der Mehrheit in Europa ist" schiebt sie noch hinterher. Aber Spanien sei bereit, diese Überzeugungen auch in Brüssel zu verteidigen.
Übergangsfrist für abgelehnte Asylbewerber
In die Warteschlange vor der Kirche in Madrid ist Bewegung gekommen. Der 54-jährige Iván aus Kolumbien hat sich dazugesellt. Er ist vor fünf Monaten vor Gewalt und Schutzgelderpressung nach Spanien geflohen, will nun einen Asylantrag stellen.
Sollte der Antrag abgelehnt werden, kann Iván die Wartezeit in Zukunft nicht mehr wie bisher für die zwei Jahre bis zur "sozialen Verwurzelung" anerkennen lassen. Damit solle erreicht werden, dass die Zahl der Anträge ohne Aussicht auf Erfolg abnimmt.
Legalisierung sobald Arbeitsangebot vorliegt
Zuvor allerdings ist eine einjährige Übergangsphase vorgesehen, in der abgelehnte Antragsteller, die länger als sechs Monate im Land sind, ihre Situation in Spanien legalisieren können, sofern sie ein Arbeitsangebot vorlegen können. Auch hier geht Spanien andere Wege als die übrigen EU-Länder, versucht, sich der "globalen Realität" der Migrationsbewegungen zu stellen.
Dayerlin und Natalia haben es heute nicht geschafft, einen Job zu ergattern. Nur 20 Angebote gab es diese Woche, ihre Losnummer war nicht unter den ausgewählten. Nächste Woche werden sie sich wieder anstellen - und in der Zwischenzeit auf Angebote für Schwarzarbeit durch Mund zu Mund Propaganda hoffen.
Quelle: dpa
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