Clüver Ashbrook zu Jimmy Kimmel:Politologin: Menschen "werden individuell verfolgt"
"Hier entsteht eine neue Verfolgungsdynamik, wie wir sie aus dem Amerika der 1950er-Jahre kennen", sagt Politologin Clüver Ashbrook zur Situation nach dem Kirk-Attentat in den USA.
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18.09.2025 | 5:03 minNach seinen Äußerungen zum Attentat auf Charlie Kirk wird Jimmy Kimmels Late-Night-Show abgesetzt. Zuvor hatte es Druck aus der US-Medienaufsichtsbehörde auf den Sender ABC gegeben. "Hier entsteht eine neue Verfolgungsdynamik, wie wir sie aus dem Amerika der 1950er-Jahre kennen", ordnet Cathryn Clüver Ashbrook, Politikwissenschaftlerin bei der Bertelsmann Stiftung, ein. Sie selbst startete ihre Karriere in der US-Medienbranche, als Journalistin bei CNN.
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Im ZDF heute journal betont Clüver Ashbrook, dass ...
... Trump gegen weitere Medienunternehmen vorgehen will
Handelt es sich bei der Entscheidung von ABC um eine redaktionelle, wirtschaftliche oder politische? Für Clüver Ashbrook ist klar: "Vielleicht alles zusammen, aber es ist mit Sicherheit eine wirtschaftlich-politische."
... ist eine deutsch-amerikanische Politologin, USA-Expertin und Senior Advisor bei der Bertelsmann Stiftung. Zuvor leitete sie das Future of Diplomacy Project an der Harvard Kennedy School und war Direktorin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Denn: Nexstar und Tegna sind Medienunternehmen, die zahlreiche lokale Sender betreiben, die mit dem US-Netzwerk ABC verbunden sind. Über diese Sender wird auch die "Jimmy Kimmel Live"-Show ausgestrahlt. Sie stünden derzeit unter kartellrechtlichem Druck, ausgelöst durch Verfahren der Regierung unter US-Präsident Donald Trump.
Vor diesem Hintergrund sei die Absetzung Kimmels nicht einfach als redaktionelle Entscheidung zu werten, betont Clüver Ashbrook. Vielmehr müsse sie im Zusammenhang mit dem politischen Einfluss gesehen werden, den der Präsident auf "unabhängige Organe" ausüben wolle. Trump wolle "gegen alle Medienunternehmen vorgehen, die ihn kritisieren".
Brisant ist für sie zudem, dass die zuständige Medienaufsichtsbehörde mit einem politischen Loyalisten Trumps besetzt sei. "Das ist nicht mehr die Medienaufsichtsbehörde, die der Kongress einmal als unabhängig eingesetzt hat, sondern in dem Sinne schon eine politische Behörde", so die Politikwissenschaftlerin.
Nach Comedian Stephen Colbert ist nun auch Jimmy Kimmel abgesetzt und Präsident Trump fordert, dass weitere aus dem Programm verschwinden. Die Pressefreiheit in den USA ist damit in höchster Gefahr.
19.09.2025 | 2:36 min... Trump versucht sich neue Rechte herauszunehmen
Der Umgang mit dem Talkshow-Moderator Jimmy Kimmel sei Teil eines größeren Musters, sagt die Politologin weiter. Der Druck, den Präsident Trump auf Medienunternehmen ausübe, sei unübersehbar.
Dass der direkte Druck von Präsident Trump groß ist und er sich in der Tat über den langen Arm der Staatsmacht neue Rechte herausnimmt, das haben wir ja schon über die letzten Wochen und Monate gesehen.
Cathryn Clüver Ashbrook, Politikwissenschaftlerin
Besonders bedenklich sei, wenn der Präsident, wenn auch formal als Privatperson, gegen Medien wie die "New York Times" oder das "Wall Street Journal" vorgehe: "Dann entstehen hier Mischprozesse, die aber trotzdem schwer von der Hand zu weisen sind, weil es eben der Präsident der Vereinigten Staaten ist."
Die Regierung Trump will künftig die Dauer eines Aufenthalts im Land mit einem Visum drastisch verkürzen - für Journalisten und Studierende. Medien-Organisationen laufen Sturm.
11.09.2025 | 2:39 min... Medienmacher unter Druck stehen
Muss man als TV-Satiriker in den USA heute Angst um seinen Job haben, wenn man den Präsidenten kritisiert? Für Clüver Ashbrook ist diese Sorge nicht unbegründet. "Ich glaube, wenn einem nicht Recht und Gesetz tatsächlich zur Seite springen", sagt sie, sei man als Medienmacher derzeit besonders gefährdet.
Die US-Demokraten hätten begonnen, sich für einen größeren Einspruch gegen dieses Vorgehen zu erheben, "indem sie ihr eigenes Gesetz formulieren" und auf "die Unabhängigkeit der obersten Medienbehörde pochen".
In diesem hochpolitischen Moment sind in der Tat Individuen, besonders Medienmacher, die stark präsent und im Übrigen nochmal das Verfassungsrecht auf freie Sprache einfordern, tatsächlich so im Rampenlicht, dass sie eben auch vom Justizministerium und von anderen quasi im Visier stehen, nicht nur ihren Job zu verlieren.
Cathryn Clüver Ashbrook, Politikwissenschaftlerin
Die lange Liste derer, die sich auf die eine oder andere Art und Weise zu "dem grauenhaften Tod von Charlie Kirk" geäußert haben, "werden jetzt auch individuell verfolgt". Clüver Ashbrook warnt vor einer bedenklichen Entwicklung: "Hier entsteht eine neue Verfolgungsdynamik, wie wir sie aus dem Amerika der 1950er Jahre kennen."
Kirk war am Mittwoch während einer Rede an der Universität in Utah erschossen worden. Der 31-jährige rechtskonservative Aktivist war Mitbegründer und Chef von Turning Point USA - einer der größten konservativen Jugendorganisationen der USA - und galt als enger Vertrauter und Unterstützer von Präsident Trump. Ihm wird eine bedeutende Rolle für den Wahlsieg Trumps im vergangenen November zugeschrieben.
... sich Republikaner schützend vor Jimmy Kimmel stellen
"Das Interessante ist, dass sich zum Beispiel eben besonders Republikaner oder besonders Rechtskonservative in diesem Fall quasi schützend vor Jimmy Kimmel stellen, weil sie sich schützend vor den ersten Verfassungszusatz stellen. Und sagen: freie Meinungsäußerung muss frei bleiben", erklärt Clüver Ashbrook. Das zeige, so die Politikwissenschaftlerin, dass die Konfliktlinien längst nicht mehr nur parteipolitisch verlaufen.
Es ist das Land, das in Bewegung ist, nicht nur parteipolitisch klassisch gespalten, sondern eben auch über generelle Verfassungsprinzipien.
Cathryn Clüver Ashbrook, Politikwissenschaftlerin
Mit Blick auf das kommende 250-jährige Bestehen der USA im Jahr 2026 zieht sie ein Fazit: "Die Tatsache, dass diese Auseinandersetzung passiert, wenn Amerika den 250. Geburtstag ansteuert, das gibt einem doch schwer zu denken. Da werden wir Amerika noch auf einer Zerreißprobe sehen."
Das Interview führte Christian Sievers, zusammengefasst hat es Katharina Schuster.
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