Gipfeltreffen in Südafrika :Vor G20 in Johannesburg - eine Stadt poliert ihr Image
von Verena Garrett
Am Wochenende richtet Johannesburg den ersten G20-Gipfel Afrikas aus. Wochenlang wurde geputzt, repariert und poliert. Doch was bleibt vom Glanz, wenn die Delegationen abreisen?
Johannesburg putzt sich für den G20-Gipfel in Südafrika heraus.
Quelle: AFPDie Sprühfarben kommen aus Deutschland, das Motiv ist typisch südafrikanisch: die Protea, Nationalblume und offizielles Logo des kommenden G20-Gipfels. Für den Graffiti-Künstler Nhlanhla Ndlovu ist das mehr als nur Dekoration - es ist ein Moment des Stolzes. "Es stellt uns in den Fokus", sagt er. Viele Menschen im Ausland hätten noch immer ein verzerrtes Bild von Südafrika. Das Logo soll zeigen: Auch ein Land mit Problemen kann Selbstbewusstsein und Kreativität ausstrahlen.
Kosmetischer Glanz für die Staatschefs
Entlang der Routen, auf denen bald Staats- und Regierungschefs vorbeifahren werden, wird Johannesburg seit Wochen herausgeputzt. Schlaglöcher verschwinden, Unkraut wird entfernt - zumindest für den Moment. Denn hinter der frischen Farbe steckt eine Stadt, die seit Jahren unter anderem mit massiven Infrastrukturproblemen kämpft. Rohrbrüche, marode Leitungen, ständige Stromausfälle. Ganze Viertel sind über Jahrzehnte vernachlässigt worden.
Die Innenstadt von Johannesburg versinkt im Abfall – die Müllabfuhr kommt längst nicht mehr. Doch mitten im Chaos ziehen Männer mit riesigen Müllsäcken durch die Straßen.
10.02.2025 | 3:36 minMedienwirksame Aufräumaktion
Bürgermeister Dada Morero zeigt Präsenz: Mit Müllzange und Handschuhen zieht er - begleitet von der Presse - durch die Straßen und sammelt Papierschnipsel. Das wirkt vor der Kulisse des über Jahre angesammelten Mülls fast grotesk - hierher kommt keine Müllabfuhr. Allein im Stadtteil Yeoville müssten 150 Kilometer Wasser- und Abwasserleitungen erneuert werden, Pumpstationen und Reservoirs inklusive, sagt er den Journalisten. Und dass das alles machbar sei.
Ein Mammutprojekt, das im Alltag der Menschen kaum Auswirkungen hat. Ihre Realität liegt fernab von Gipfelreden. Ein Ladenbesitzer sagt: "Wenn er hier herumgeht, sieht er, was wir brauchen." Viele hier hoffen, dass der politische Besuch endlich Veränderungen anstößt.
Über zwei Milliarden Menschen weltweit haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. In Johannesburg, einer der größten Städte Südafrikas, kämpfen viele mit Wassermangel.
22.03.2025 | 1:39 minDie Pressetour des Bürgermeisters soll Härte demonstrieren. Illegale Unterkünfte von Obdachlosen werden abgerissen - vor laufenden Kameras. Schmutz, Verfall und Kriminalität prägen seit Jahren das Bild. Und dass sich niemand um eine Verbesserung der Situation kümmert. Eine vergessene Stadt auf Vordermann bringen - ein schwieriger Weg, den dieser G20-Gipfel plötzlich beschleunigt.
Wir haben es zu lange aufgeschoben, aber wir sind jetzt hier.
Sithembiso Zungu, Stadtvertreter von Johannesburg
Südafrikas Präsident pflanzt Bäume
Auch Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa versucht im Vorfeld des G20-Gipfels Optimismus zu verbreiten. Gemeinsam mit Johannesburgs Bürgermeister pflanzt er Bäume - ein symbolischer Neuanfang. Die Stadt sei bereit für den Gipfel. Städte weltweit würden sich für große Konferenzen ebenfalls herausputzen, sagt er: "So wie man das zu Hause tut, wenn wichtiger Besuch kommt."
Gipfel ohne die großen Spieler
Gleichzeitig muss sich er sich kritische Fragen gefallen lassen. China und Russland schicken Vertreter, die USA hatten erst komplett abgesagt - wegen des Vorwurfs, in Südafrika vollziehe sich ein Völkermord an Weißen. Belege dafür gibt es keine. Dann hieß es, vielleicht kommen die USA doch.
Angaben von Ramaphosa zu einem angeblichen Sinneswandel der USA, doch noch anzureisen, widersprach am Donnerstag die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, allerdings:
Die Vereinigten Staaten nehmen nicht an den offiziellen Gesprächen beim G20-Gipfel in Südafrika teil.
Karoline Leavitt, Sprecherin des Weißen Hauses
Die Äußerungen des südafrikanischen Staatschefs würden weder von Trump noch von seinem Team geschätzt. Ramaphosa hatte von einer Mitteilung der USA gesprochen, wonach das Land "nun doch in irgendeiner Art und Weise am Gipfel teilnehmen" wolle.
Stadt der Unterschiede
Johannesburg wird im Vorfeld des Gipfels gern als "first class city" angepriesen. Künstler James Delaney, der hier zu Hause ist, meint, das sei lediglich ein Slogan: "Es ist definitiv keine Stadt der Extraklasse, aber auch nicht so schlimm, wie manche behaupten."
Johannesburg ist eine Stadt, die mit einem Bein in der Ersten Welt und mit dem anderen in der Dritten Welt steht.
James Delaney, Künstler in Johannesburg
"Im Vergleich zu vielen anderen afrikanischen Städten oder Entwicklungsstädten ist sie funktional, aber im Vergleich zu einer europäischen Stadt ist sie es nicht. Es kommt also darauf an, womit man sie vergleicht", erläutert Delaney.
Afrika befindet sich im Aufbruch: Durch Wissenschaft und Innovationen weist der Kontinent elf der 20 weltweit am stärksten wachsenden Volkswirtschaften auf.
19.09.2024 | 44:14 minHoffnung auf echte Erneuerung
Wer vom Flughafen in die Stadt fährt, wird empfangen von seiner Kunst: Zebras und ein Vogelschwarm aus Stahl - installiert am größten Verkehrsknoten Johannesburgs. Delaney sagt: "Der Eindruck, den Reiher hinterlassen, wenn man sie über die Flüsse in Afrika fliegen sieht, nur für diesen kurzen Moment, wenn sie vorbeigleiten… Das wollte ich hier nachbilden. Nur, dass man sich in einem Auto auf der Autobahn befindet. Aber das Gefühl ist ein Friedliches."
Ein friedlicher Moment, der Besucher in einer komplexen Stadt willkommen heißt. Südafrika und Johannesburg hoffen, dass der Gipfel am Ende mehr hinterlässt als einen oberflächlichen Glanz: einen echten Impuls für Erneuerung.
Verena Garrett ist Studioleiterin im ZDF-Studio Johannesburg
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