Italien: Geplante Brücke nach Sizilien löst Proteste im Land aus

Baustart noch in 2025:Italiens umstrittenste Brücke soll kommen

von Valerie Nusser
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Nach vielen gescheiterten Versuchen wagt sich Italien erneut an den Bau einer kilometerlangen Brücke über das Mittelmeer. Das Megaprojekt spaltet das Land.

Protestierende auf der Straße halten einen Banner mit der Aufschrift "No Ponte" hoch
Der geplante Bau einer Megabrücke zwischen Italiens Festland und Sizilien löste Proteste in der Hafenstadt Messina aus.
Quelle: action press

Mehrere Tausend Demonstranten kamen zuletzt in die sizilianische Hafenstadt Messina, um gegen das größte Bauprojekt ihrer Regierung zu demonstrieren. Zwischen Sizilien und dem italienischen Festland soll bis 2032 die längste Hängebrücke der Welt entstehen.
Es ist ein Bauvorhaben, an dem italienische Regierungen seit den 1970er Jahren immer wieder gescheitert sind und in das laut italienischen Medien in den letzten Jahrzehnten dennoch etwa 300 Millionen Euro geflossen sind - ohne, dass bisher auch nur ein Stein gesetzt wurde.
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Regierung unter Silvio Berlusconi genehmigte Bau

Unter dem ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi wurde der Megabau über den Stretto di Messina, die Meerenge zwischen Sizilien und Kalabrien, erstmals 2003 genehmigt. Nach einem jahrelangen Stop-and-Go verschiedener Regierungen hat die aktuelle Premierministerin Giorgia Meloni die Megabrücke 2022 wieder auf die Agenda gesetzt.
Der Baustart für die 3.660 Meter lange Brücke über das Mittelmeer ist nun erstmals so sicher wie nie zuvor. Anfang August wurde das Großprojekt von dem italienischen Komitee für die wirtschaftliche Planung und nachhaltige Entwicklung in Italien (CIPESS) genehmigt. Die Kosten werden auf rund 13,5 Milliarden Euro geschätzt.
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Protest: Mehr Geld für Wasserversorgung

"Wir wollen Wasser, keine Brücke", so die Rufe bei der Demonstration in Messina. Angesichts der Wasserkrise auf Sizilien erteilten die Demonstranten vor Ort eine Absage an die "spekulativen Projekte" ihrer Regierung und forderten mehr öffentliche Mittel für Infrastrukturprojekte, allen voran für die schlechte Wasserversorgung in der Region.

Verkehrsminister sieht Problemlösung für Süditalien

Derzeit dauert die schnellste Überfahrt etwas 20 Minuten um auf der kürzesten Strecke per Fähre von Kalabrien nach Sizilien zu kommen. Über die Brücke sollen in Zukunft täglich rund 6.000 Fahrzeuge in zehn Minuten nach Sizilien gelangen und etwa 200 Züge in 15 Minuten.
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Der italienische Verkehrsminister Matteo Salvini sieht die Megabrücke als Entwicklungsbeschleuniger für die Region. Sie werde "einen Teil der Probleme Süditaliens lösen", das von einer schwachen Infrastruktur und hohen Arbeitslosigkeit geprägt ist.
Das Bauvorhaben, so das italienische Verkehrsministerium, sei Teil eines umfassenden Programms, "das Investitionen in Straßen und Zugverbindungen zwischen Sizilien und Kalabrien im Wert von 70 Milliarden Euro bis 2032 vorsieht". So solle Süditalien endlich besser an den Norden angebunden werden.

Brücke nach Sizilien ist Teil eines EU-Programms

Inzwischen ist die Messina-Brücke auch Teil eines EU-Programms, das den Binnenmarkt unterstützen und freien Verkehr gewährleisten soll. Laut Cristina Busi Ferruzzi, Präsidentin des italienischen Arbeitgeberverbands Confindustria, sei die Brücke "auch ein Symbol für Integration, Modernisierung und Vertrauen in die Zukunft des Landes". Die Confindustria-Präsidentin sieht in dem Megabau eine "historische Chance" für Sizilien, um seine strategische Rolle in der Wirtschaft im Mittelmeerraum zu verstärken.

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Umweltverbände reichen Beschwerde bei EU ein

Umweltaktivisten kritisieren die Pläne für die Messina-Brücke seit Jahren. So führt laut WWF Italia eine der wichtigsten Zugvögel-Routen durch die Meerenge Stretto di Messina. Für die Berechnung der Auswirkungen der Brücke auf die Zugvögel seien veraltete Daten verwendet worden, die 2011 erhoben wurden.
Deshalb haben Umweltverbände bei der Europäischen Kommission Beschwerde wegen des Verstoßes gegen die europäische Habitat-Richtlinie eingelegt. Darüber hinaus würden die Umweltveränderungen unterschätzt, denen das gesamte Gebiet wegen des Baus und Betriebs der Brücke ausgesetzt werde.
Für die Initiative "No Ponte" ist die Genehmigung der Brücke "keinesfalls endgültig", da noch viele Fragen offen seien. "Das Spiel ist noch lange nicht vorbei", so "No Ponte" in einem Aufruf an die lokalen Bürgermeister und politischen Kräfte vor Ort, "alles Notwendige zu tun, um Sand ins Getriebe zu streuen".
Valerie Nusser berichtet für das ZDF-Studio Rom aus Italien.
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