Liveblog
Kritik an Politik des Westens:Kermani: Krieg wird Irans Regime eher stärken
|
Der Westen habe Irans Demokratiebewegung "sträflich vernachlässigt", sagt Kermani. Nun durch Krieg auf einen Regime-Change zu hoffen, bezeichnet er im heute journal als "abwegig".
"Wird dieser Krieg den Menschen in Iran Freiheit und Israel Sicherheit bringen?", fragt ZDF-Moderatorin Dunja Hayali Navid Kermani. "Es gibt ein Prozent in mir, das hofft das", ist die ernüchternde Antwort des deutsch-iranischen Schriftstellers Navid Kermani. 99 Prozent in ihm halten das jedoch für unrealistisch, so Kermani.
Seine Einschätzung: Der aktuelle Krieg wird das Regime im Iran verhärten und "noch schlimmer machen".
Kermani hat selbst Familie im Iran, Freunde in Israel und beobachtet die Situation seit Jahren. Dass der Krieg an der Existenz des Regimes rüttle, glaubt er nicht. Der Schriftsteller sagt weiter, solange das Regime in Iran existiere, sei es eine Gefahr für die eigene Bevölkerung, eine Gefahr für die Region und eine Gefahr für Israel.
Sicherheit für Israel wird es nur geben, wenn Iran frei ist.
Navid Kermani
"Abwegig", dass Krieg Regime stürzen könne
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte die Menschen im Iran daher zum Widerstand gegen das Regime aufgerufen. "Er hätte nichts schlimmeres tun können", ist die Reaktion von Kermani darauf.
Denn, dass die iranische Demokratiebewegung von Israel gesteuert werde, sei die alte Erzählung des Regimes, um der Bewegung die Legitimität abzusprechen. Die Idee, der Krieg könne das Regime von außen stürzen, nennt Kermani "abwegig".
Kermani geht davon aus, dass das Regime den Krieg überstehen und "egal wie" als Sieg verkaufen wird. Es sei davon auszugehen, dass das Regime die eigene Bevölkerung "massakrieren wird". Man fürchte mehr Repressionen und Hinrichtungen. Mit Blick auf die politischen Gefangenen, sagt der Schriftsteller:
Wir sind alle in Sorge.
Navid Kermani
Kermani: Westen hat Demokratiebewegung im Iran "sträflich vernachlässigt"
Seine Befürchtung sei, dass der Krieg den "revolutionären Prozess" einer Opposition im Iran eher behindere als befördere.
Es gibt eine Opposition, es gibt Menschen die jeden Tag für Freiheit kämpfen.
Navid Kermani
Doch genau dieser Demokratiebewegung habe Deutschland vor zwei Jahren den Rücken zugekehrt. Daher fühle sich die aktuelle Situation für ihn - wie für viele Iraner - an wie "blanker Zynismus".
Zwischen Krieg und Nichtstun gibt es ein weites Feld: Das nennt sich Politik.
Navid Kermani
Das sei nicht genutzt worden. Zu dem damaligen Druck von innen im Iran sei nicht der notwendige politische Druck von außen gekommen, so Kermani. Das sei von der "Weltgemeinschaft im Westen sträflich vernachlässigt worden".
Die Hoffnung auf Veränderung im Iran nun "ausgerechnet auf einen mutmaßlichen Kriegsverbrecher, denn das ist Netanjahu, zu setzen: Tut mir leid, soweit geht mein Wunschdenken dann nicht", sagt Navid Kermani.
Das Interview im heute journal führte Dunja Hayali.
Mehr zu Iran
Analyse
Was Experten sagen:Ist Irans Atomprogramm "Geschichte"?
FAQ
US-Angriffe auf Iran:So lief die Operation "Midnight Hammer" ab
mit Video
Nahost-Konflikt:Merkel: Israel muss sich wehren können
mit Video
Auch Kritik von US-Republikanern:Stimmen zum US-Militärschlag gegen Iran
Fränzi Meyer und Katharina Schuster, Washington D.C.