Sacharow-Preis für Georgierin:Wie Georgien die Pressefreiheit untergräbt
von Felix Klauser
Eine Ohrfeige brachte Msia Amaghlobeli eine zweijährige Haftstrafe ein. Der eigentliche Grund dürfte aber ihre Arbeit als Journalistin sein. Heute erhält sie den Sacharow-Preis.
Das EU-Parlament verleiht den Sacharow-Preis für Menschenrechte und Meinungsfreiheit an zwei Journalisten in Haft: Andrzej Poczobut aus Belarus und Mzia Amaghlobeli aus Georgien.
16.12.2025 | 1:45 minDer Schreibtisch von Msia Amaghlobeli könnte ein ganz normaler sein: zwei Monitore, ein bisschen Unordnung, eine eingerahmte Auszeichnung. Wäre da nicht das Schild mit der Aufschrift "#FreeMsia" an der Wand. Denn Msia Amaghlobeli ist nicht frei - die georgische Journalistin sitzt seit fast einem Jahr hinter Gittern.
In Tiflis protestieren Zehntausende gegen die Regierung. Eine Gruppe versucht gar, in die Präsidentenresidenz einzudringen - die Polizei setzt Tränengas und Wasserwerfer ein.
04.10.2025 | 2:04 minDie Szenen, die zu ihrer Verurteilung führten, sind in Georgien zu einem Politikum geworden: Das Anbringen eines Posters, das zu Protesten aufruft, anschließend ein Wortgefecht mit einem Polizisten - und eine Ohrfeige.
Zwei Jahre Haft für eine Ohrfeige
Zu zwei Jahren Haft wurde Msia Amaghlobeli deshalb verurteilt - wegen Gewalt und Bedrohung eines Beamten. Beobachter halten den Prozess für politisch motiviert.
Der Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments geht dieses Jahr an den belarussischen Journalist Poczobut und die georgische Journalistin Amaghlobeli.
22.10.2025 | 0:24 min"Natürlich wäre Msia, wenn sie nicht Journalistin und Leiterin eines Medienunternehmens gewesen wäre, nicht in dieser Form strafrechtlich verfolgt worden", meint ihr Anwalt Giorgi Khimshiaschwili im ZDFheute-Interview. "Und genau das ist der springende Punkt."
Fall Msia Amaghlobeli bekommt internationale Aufmerksamkeit
Der Fall von Msia Amaghlobeli hat international für Aufmerksamkeit gesorgt. Mehr als 20 Länder, darunter Deutschland und Frankreich, forderten die georgische Regierung zur Freilassung von Amaghlobelis auf.
In den vergangenen zwölf Monaten sind insgesamt 67 Medienschaffende bei ihrer Arbeit getötet worden, berichtet die Organisation “Reporter ohne Grenzen“. Hunderte wurden inhaftiert.
09.12.2025 | 0:23 minDie 50-Jährige ist eine der bekanntesten Journalistinnen in ihrem Land. Vor mehr als 20 Jahren gründete sie das Medienunternehmen "Batumelebi", das für sich in Anspruch nimmt, unabhängig zu berichten. In Georgien ist das keineswegs selbstverständlich.
Mit ihrem Team recherchiert Msia Amaghlobeli zu Korruption und Amtsmissbrauch - zeitweise arbeiteten mehr als 50 Mitarbeitende in der Redaktion.
Msia zählt zu den Pionierinnen des unabhängigen Journalismus im Land. Und für Herrscher, die immer autoritärer werden, stellt wahrer Journalismus eine Bedrohung dar.
Irma Dimitradze, Journalistin "Batumelebi"
Pressefreiheit in Georgien massiv bedroht
Die Arbeitsbedingungen für unabhängige und kritische Journalistinnen und Journalisten in Georgien haben sich in den vergangenen Monaten massiv verschlechtert. Seit der umstrittenen Parlamentswahl im Herbst 2024, bei der die Regierungspartei "Georgischer Traum" die Parlamentsmehrheit trotz Manipulationsvorwürfen für sich reklamierte, geht die georgische Staatsmacht immer rabiater gegen Kritiker vor.
Am 3. Oktober feiert Deutschland die Einheit - ein Symbol für Demokratie und Meinungsfreiheit. Doch wie stabil ist dieses Grundrecht heute noch? Was darf man in Deutschland noch sagen?
03.10.2025 | 53:20 minEine Vielzahl von Oppositionspolitikern sitzt im Gefängnis, auch Verhaftungen von Journalisten sind in Georgien keine Seltenheit mehr.
"Wir sehen, wie wichtig Medien sind und wie wichtig es dem "Georgischen Traum" ist, den Informationsraum im Prinzip komplett zu dominieren", meint Stefan Meister, der die Lage in Georgien seit Jahren für die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) beobachtet.
Regierungskritiker bemängeln Russlandnähe der Regierung
Das Vorgehen der georgischen Regierung erinnert Beobachter an einen Kurs, den Georgiens Nachbar Russland seit Jahren eingeschlagen hat: ein massives Vorgehen gegen kritische Stimmen, Einschüchterungen, Verhaftungen.
Am 03. Mai ist der internationale Tag der Pressefreiheit. Wie steht es um die Freiheit und Sicherheit von Medienschaffenden? Einen Einblick bietet die afghanische Journalistin Zahra Joya.
02.05.2025 | 1:54 minIrma Dimitradze, die seit der Gründung für "Batumelebi" arbeitet, spricht von einer ständigen Bedrohung für kritische Journalisten in Georgien. "Natürlich gibt es eine gewisse Angst", meint sie.
Aber wir lassen uns nicht einschüchtern und arbeiten weiter - wir sind Kämpfer, so leben wir.
Irma Dimitradze, Journalistin "Batumelebi"
Sacharow-Preis für Msia Amaghlobeli
Msia Amaghlobeli gilt vielen Georgiern als Paradebeispiel für diese Einstellung. In Straßburg wird ihr heute, neben ihrem ebenfalls inhaftierten belarussischen Kollegen Andrzej Poczobut, der Sacharow-Preis verliehen. Es ist die höchste europäische Auszeichnung für Menschenrechte.
Persönlich in Empfang nehmen kann Amaghlobeli ihren Preis nicht - wohl weniger wegen einer Ohrfeige, sondern weil sie Journalistin in Georgien ist.
Felix Klauser berichtet für das ZDF-Studio Moskau über Russland, den Kaukasus und Zentralasien.
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