Brustkrebs: Mammografie-Skandal betrifft tausende Spanierinnen

Gesundheitssystem unter Druck:Wie in Spanien bei der Brustkrebs-Vorsorge geschlampt wurde

von Brigitte Müller, Madrid

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Mindestens 2.000 Frauen wurden offenbar nach Vorsorgeuntersuchungen in Andalusien nicht über ein mögliches Brustkrebsrisiko informiert. Betroffene Frauen schlagen Alarm.

aufnahme eines mammographie-screenings

Die Mammografie ist ein Verfahren zur frühzeitigen Erkennung von Brustkrebs. Je früher der Brustkrebs erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen. (Symbolbild)

Quelle: dpa

Alle zwei Jahre, so die Regelung, sollen Frauen zwischen 50 und 69 Jahren in Spanien die Möglichkeit für eine Mammografie bekommen. Das öffentliche Gesundheitssystem setzt auf Früherkennung.

Doch bei dem Verein von Frauen mit Brustkrebs in Sevilla, AMAMA, häuften sich zuletzt Klagen von Frauen, die nach einer Mammografie erst mehrere Monate oder gar über ein Jahr später über einen nicht eindeutigen Befund informiert wurden.

Symbolbild Mammographie

Laut Bundesamt für Strahlenschutz wird die Brustkrebs-Sterblichkeit durch Mammografie-Screenings deutlich verringert. Brustkrebs gilt als meist verbreitete Krebsart bei Frauen.

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Langes Warten auf Mammografie-Termin

Andere bekamen erst gar keinen Termin für die Röntgenaufnahmen - wertvolle Zeit, in der ein Tumor wachsen und streuen kann. Bei einer Demonstration Anfang Oktober schließlich wurde der Skandal öffentlich.

Ich dachte immer, ich sei ein Einzelfall. Nun weiß ich, wir sind viele.

Silvia Carmona, Betroffene

Silvia Carmona aus der südspanischen Stadt Huelva bemerkte im April 2024 einen Knoten in der linken Brust, ihr Hausarzt überwies sie für eine Mammografie an das zuständige Krankenhaus. Knapp ein Jahr später wartete sie immer noch auf einen Termin, bezahlte schließlich einen Ultraschall aus eigener Tasche. Ihre Befürchtung hatte sich bestätigt: Krebs im Stadium Zwei.

Noch am selben Tag ging sie in die Notaufnahme ins Krankenhaus, zwei Wochen später wurde ihr die Brust amputiert. Seitdem fragt sie sich, ob der Tumor bei einer früheren Diagnose besser behandelbar gewesen wäre.

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Untersuchungsergebnisse verspätet oder gar nicht erhalten

Bei AMAMA gehen täglich dutzende E-Mails und Anrufe ein, von Frauen, die zu spät von ihrer Krebskrankheit erfuhren oder das Ergebnis der Vorsorgeuntersuchung noch gar nicht kennen.

In den Krankenhäusern von Sevilla und anderen Orten Andalusiens liegen laut Behörden mindestens 2.000 auffällige Mammografie-Ergebnisse, von denen die Patientinnen noch nichts wissen - die endlosen Wartelisten für die Untersuchungen nicht eingeschlossen. Nun melden sich auch Frauen aus anderen Regionen.

Es geht um Leben, nicht um Fälle.

Plakataufschrift bei einer Demonstration Sevilla

Je mehr über den Skandal bekannt wird, desto mehr Beunruhigung ist in der Bevölkerung Andalusiens zu spüren. Frauen- und Patientenorganisationen fordern eine externe Überprüfung der Krankenhäuser, um das tatsächliche Ausmaß der Versäumnisse zu erfahren.

Auf dem Bild sieht man eine Frau bei der Mammographie Kontrolle

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Schwerwiegende Fehler bei Brustkrebs-Früherkennung

Auch der Ombudsmann der Region, der für die Klagen aus der Bevölkerung zuständig ist, hat eine Untersuchung veranlasst und spricht von schwerwiegenden Fehlern bei der Krebsvorsorge, die das Ziel der Früherkennung infrage stellen.

Zu wenig Ärzte, Fach- und Verwaltungspersonal sind wohl der Hauptgrund für diese Nachlässigkeit, denn auch im Gesundheitssystem fehlt das Geld. Zudem gab es offenbar Probleme mit der Digitalisierung der Aufnahmen und Befunde.

Sarah, eine der Protagonistinnen des 37GradLeben-Films "Krebskrank und Kinderwunsch?". Sie hat eine Glatze und hält einen Strauß weißer Tulpen vor ihre nackte Brust.

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Die andalusische Regierung bemüht sich um Schadensbegrenzung, die andalusische Gesundheitsministerin trat zurück, Ministerpräsident Juan Manuel Moreno kündigte einen millionenschweren Sofortplan an, um das Fachpersonal zu verstärken und die Digitalisierung zu verbessern.

Verspätungen auch bei anderen Diagnosen

Anästhesisten, Chirurgen und vor allem Radiologen sind jedoch schwer zu finden. Besonders Radiologen übernehmen bereits Doppelschichten, damit die Wartelisten nicht noch länger werden. Für den Präsidenten der Andalusischen Ärztegewerkschaft SAM, Rafal Ojeda, ist es ein grundlegendes Problem:

Die Ärzte im öffentlichen Gesundheitssystem werden bei hoher Arbeitsbelastung schlecht bezahlt und gehen woanders hin.

Rafal Ojeda, Präsident der Andalusischen Ärztegewerkschaft SAM

Es gebe schon seit Jahren Verspätungen auch bei andern Diagnosetests, insbesondere bei Darmspiegelungen.

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Brigitte Müller, Madrid
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Mit den chaotischen Verhältnissen bei der Krebsversorgung hat der Unmut einen neuen Höhepunkt erreicht, die nächste Demonstration ist bereits angekündigt. Und die wird wohl sehr groß werden - in der Hoffnung, dass sich endlich etwas ändert.

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Quelle: dpa

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