Afghanin zurück bei Taliban: "Für mich wäre es leichter zu sterben"
Afghanin zurück bei Taliban:"Für mich wäre es leichter zu sterben"
von Julia Theres Held
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Zahlreiche Afghaninnen und Afghanen mit Aufnahmezusage für Deutschland wurden zuletzt aus Pakistan nach Afghanistan abgeschoben. ZDFheute konnte mit einer von ihnen sprechen.
Die Lage der Frauen in Afghanistan hat sich unter dem Regime der Taliban dramatisch verschlechtert. (Symbolbild)
Quelle: Imago
Es sei alles ganz schnell gegangen am Mittwoch vergangener Woche, berichtet die Afghanin Fahima. Ohne Vorwarnung seien die pakistanischen Behörden gekommen und hätten sie aus der Unterkunft gezerrt, in der sie seit 18 Monaten auf ihre Ausreise nach Deutschland gewartet habe.
Gemeinsam mit ihren vier Kindern habe man sie und andere Geflüchtete auf Pickups verfrachtet, zuerst in ein Abschiebelager gebracht und dann über die Grenze nach Afghanistan. "Meine Hände zittern immer noch vor Angst", so die 38-Jährige, als das ZDF sie per WhatsApp erreicht. "Seit vier Tagen bin ich so verzweifelt, dass ich fast ununterbrochen weine und bete."
Hier gibt es keinerlei Sicherheit für unser Leben. Für mich wäre es leichter zu sterben als weiterhin diese Situation zu erleben.
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Fahima
In Afghanistan hat sich laut Amnesty International unter den Taliban die Rechtslage drastisch verschlechtert. Willkürliche Urteile, Folter und Hinrichtungen seien Alltag.15.08.2025 | 0:26 min
Razzien in Pakistan: Bundesregierung in "großer Sorge"
Auch wenn die Festnahmen und Abschiebungen afghanischer Geflüchteter immer wieder von den pakistanischen Behörden angekündigt worden waren, hatte sich die Bundesregierung vergangene Woche überrascht gezeigt. "Das Auswärtige Amt beobachtet die Situation afghanischer Staatsangehöriger aus den Aufnahmeprogrammen der Bundesregierung in Pakistan mit großer Sorge", so das Ministerium.
Es sei das Ziel, den Schutz und die Sicherheit dieser besonders gefährdeten Personen zu gewährleisten und ihnen, soweit sie durch pakistanische Behörden bereits nach Afghanistan abgeschoben wurden, eine Rückkehr nach Islamabad unter Einhaltung der pakistanischen aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen zu ermöglichen.
2.400 Afghaninnen und Afghanen mit Aufnahmezusagen warteten lange in Pakistan - darunter auch Fahima. 25 Familien und Einzelpersonen klagten gegen das Auswärtige Amt.20.06.2025 | 3:01 min
Der Asylrechtsanwalt Mathias Lehnert kritisierte jüngst im ZDF: "Die Bundesregierung hat diese Abschiebungen sehenden Auges in Kauf genommen."
Hätte sie [die Bundesregierung] sich an ihre Aufnahmezusagen gehalten, wie es sich für einen Rechtsstaat gehört, wären diese Menschen jetzt in Sicherheit und müssten nicht in Afghanistan um ihr Leben fürchten.
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Mathias Lehnert, Asylrechtsanwalt
Afghanin berichtet: Sicherheitskräfte gingen brutal vor
Die pakistanischen Sicherheitskräfte seien brutal vorgegangen, erzählt Fahima. "Die Razzia war ein Albtraum. Polizistinnen schlugen viele Frauen mit Stöcken. Direkt an der Grenze hat eine pakistanische Soldatin meine Tochter geschlagen, und ich konnte nichts dagegen tun."
Gewaltsam habe man sie und die Kinder gezwungen, aus dem Hotel zu kommen. Es sei ihnen nicht einmal erlaubt worden, Kleidung, Geld oder andere wichtige Dinge einzupacken.
Die Kinder waren sehr verängstigt. Selbst einmonatige Babys und ältere Frauen waren nicht sicher. Wir wurden beleidigt und erniedrigt.
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Fahima
Inzwischen seien sie in Kabul in einer Unterkunft, die sie aus Sicherheitsgründen nicht genauer beschreiben könne, so Fahima. Sie seien zusammen mit anderen Abgeschobenen untergebracht. Fremde kämen und gingen, niemand wisse, wer sie seien. Ihre drei Töchter und ihr Sohn - 17, zwölf, sieben und sechs Jahre alt - seien voller Angst. "Vor allem die Mädchen fürchten, dass sie geholt, verkauft und zwangsverheiratet werden."
Die afghanische Journalistin Zahra Joya lebt unfreiwillig in London. 2020 gründete sie eine Nachrichtenagentur, die über das Leben von Frauen und Mädchen in Afghanistan berichtet. 03.05.2025 | 1:21 min
Fahima: Deutsche Behörden haben sich nicht gemeldet
Ihr Ehemann, ein Polizist, war nach der Machtübernahme der Taliban verschwunden. Fahima vermutet, dass er getötet wurde. Ohne ihn, sagt sie, seien sie und die Kinder in Afghanistan völlig schutzlos: "Außerdem sind unsere Gesichter nach der Berichterstattung in den Medien bekannt. Wenn die Taliban uns finden, dann ist klar, welches Schicksal uns erwartet."
Bei ihr gemeldet hätten sich die deutschen Behörden nicht, so Fahima, die in den Monaten in Pakistan fast fließend Deutsch gelernt hatte. Ohnehin glaube sie nicht mehr an Zusicherungen aus Deutschland. "Wir hatten ein festes Versprechen. Aber es waren nur leere Worte. Mit unserem Schicksal wurde gespielt."