Erste Papstreise beendet:Leo XIV. zwischen Ohnmacht, Realität und Leidenschaft
von Jürgen Erbacher
Bei seiner ersten Auslandsreise erfährt Leo XIV. große Sympathie. In der Konfrontation mit der Realität von Krieg, Korruption und Diskriminierung wird er leidenschaftlich.
Papst Leo XIV. befindet sich auf seiner ersten Auslandsreise: Nach Stationen in der Türkei feiert er im Libanon eine große Freiluftmesse mit über 100.000 Gläubigen.
02.12.2025 | 4:30 minMit einem eindringlichen Friedensappell hat sich Papst Leo XIV. am Dienstag aus dem Libanon verabschiedet. Das Kirchenoberhaupt erklärte am Ende eines Gottesdienstes in Beirut:
Der Nahe Osten braucht ein neues Denken, um die Mentalität von Rache und Gewalt zu überwinden.
Papst Leo XIV
Der Weg der gegenseitigen Feindseligkeit und der Zerstörung, deren Folgen wir alles sehen könnten, sei schon zu lange beschritten worden. "Wir brauchen eine Kursänderung", forderte Leo.
Gerechtigkeit für die Opfer der Hafen-Explosion
Dabei mahnte er an, dass die Betroffenen der Explosionskatastrophe 2020 im Hafen von Beirut Gerechtigkeit erfahren müssten. Damals wurden mehr als 200 Menschen getötet und 6.500 verletzt. Bisher wurden die Verantwortlichen nicht ausgemacht. Wenige Meter von der Unglücksstelle entfernt feierte der Pontifex am Morgen einen Gottesdienst mit mehr als 100.000 Teilnehmenden. Einmal mehr versuchte Leo den Libanesen Mut zu machen, trotz dramatischer Wirtschaftskrise, Gewalt und Konflikten, das Gute zu sehen, dass es gebe.
Libanon, steh wieder auf! Sei ein Haus der Gerechtigkeit und Geschwisterlichkeit!
Papst Leo XIV in Beirut
Wie schon am Montag wirkte Leo XIV. gelöst, legte Leidenschaft und Nachdruck in seine Stimme. Das war zu Beginn der Reise in der Türkei noch anders. Da wirkte er oft angespannt, nervös.
Erster Stopp Türkei: Bei seiner Auslandsreise hat Papst Leo XIV. die Sultan-Ahmed-Moschee – auch bekannt als Blaue Moschee – in Istanbul besucht. Auf das zuvor angekündigte Gebet verzichtete er.
29.11.2025 | 2:05 minInterreligöses Treffen übt Kritik an Israel
Beim interreligiösen Treffen am Montagabend beschworen Vertreter von 18 Glaubensgemeinschaften das gute Miteinander der Religionen im Land. Dabei gab es auch kritische Töne gegenüber dem Nachbarn Israel. So forderte etwa der Vizevorsitzende des Obersten Islamischen Schiitenrates, Ali al-Chatib, den Papst auf, sich für ein Ende der israelischen Angriffe auf den Libanon einzusetzen.
Die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz greift vom Süden des Libanon aus immer wieder Israel an. Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 beschoss die Hisbollah Israel vom Norden her. Es kam zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Seit einem Jahr gilt ein Waffenstillstand, doch Israel fliegt weiter gezielte Angriffe auf die Hisbollah im Libanon, zuletzt acht Tage vor Eintreffen des Papstes im Land.
Erst vor kurzem hat das israelische Militär den Hisbollah-Generalstabschef in Beirut getötet.
24.11.2025 | 0:18 minLeo XIV appelliert an die Jugend
Bei einer Begegnung mit mehreren tausend jungen Menschen in der Katholiken-Hochburg Bkerke nördlich von Beirut zeigte er am Montagabend Verständnis für den Frust vieler junger Menschen. "Vielleicht bedauert ihr, dass ihr eine Welt geerbt habt, die von Kriegen zerrissen und von sozialen Ungerechtigkeiten entstellt ist." Doch Leo XIV stiftet Optimismus.
Ihr habt mehr Zeit [als die Erwachsenen], um zu träumen, zu organisieren und Gutes zu tun. Ihr seid die Gegenwart, und in euren Händen wird schon die Zukunft gestaltet! Und ihr habt die Begeisterung, um den Lauf der Geschichte zu verändern!
Papst Leo XIV in Bkerke
Botschaften zwischen den Zeilen
Trotz aller Begeisterung und positiver Stimmung, gerade die Ansprache an die Jugend zeigt einmal mehr, wie sehr zwischen den Zeilen der Papst seine Botschaften versteckt. Wenn er etwa davon spricht, dass die Ursachen der Verwundungen "über die nationalen Grenzen hinausgehen und mit sehr komplexen sozialen und politischen Dynamiken verflochten sind". Er nennt aber nicht Ross und Reiter.
Das zeigte sich auch bei anderen Gelegenheiten. Während sein Vorgänger die Gräueltaten des Osmanischen Reichs an den Armeniern zu Beginn des 20. Jahrhunderts mehrfach als Völkermord bezeichnete, sprach Leo XIV. vom mutigen christliche Zeugnis, "das das armenische Volk im Laufe der Geschichte oft unter tragischen Umständen gegeben hat".
Papst Leo XIV. hat sich für ein friedliches Zusammenleben aller Menschen im Libanon starkgemacht. In dem von Krieg und Krisen gebeutelten Land wird der Besuch als Zeichen der Hoffnung auf Frieden und Stabilität gesehen.
01.12.2025 | 2:41 minEs bleibt die Hoffnung
Der Papst hat keine Macht, außer seine Worte. Die politischen Teile bei den Reisen sind daher meist kurz, der Akzent liegt auf der Begegnung mit den Menschen. Leo wie seine Vorgänger versuchen Veränderungen von unten her anzustoßen. Mit Blick auf den Libanon wird der Papst kurzfristig wenig erreichen können. Viele Libanesen rechnen sogar in naher Zukunft mit einer Eskalation des Konflikts mit dem Nachbarn Israel. Die Hoffnung ist aber, dass der Besuch langfristig zu einer Stabilisierung im Land beitragen kann.
Jürgen Erbacher ist Leiter ZDF-Redaktion Religion und Leben.
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