Klimawandel, Löhne, Energiepreis:Was die Obstpreise klettern lässt
von Britta Hilpert
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Rund 12 Euro für ein Kilo Kirschen, 6 Euro für Zwetschgen - bei den Preisen ist das Sommerobst fast ungenießbar. Was sind die Gründe? Und welche Rolle spielt der Klimawandel?
Klimawandel, höhere Löhne und steigende Energiekosten treiben die Obstpreise auf neue Rekordwerte.
Quelle: dpa
"Vor zwei Jahren haben wir deutlich mehr Erdbeeren verkauft", erzählt Mustafa Coban, "mittlerweile weniger, weil es eben auch deutlich teurer geworden ist." Was er erzählt, erzählen alle auf dem Hamburger Großmarkt.
Rolf Dehmel zum Beispiel, Traditions-Fruchtgroßhändler, sagt, die Mindestlöhne und die Transportkosten trieben den Preis: "Alle zwei bis drei Monate geht es ein Stück höher. Und das kann man nicht alles auf die Erzeuger abwälzen."
Energie und Löhne treiben die Preise
Ursula Schockemöhle beobachtet für die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) am Großmarkt Angebot und Nachfrage. Sie bestätigt, dass Energie und Löhne die wichtigsten Faktoren beim Preis sind. Gerade beim personalintensiven Beerenobst ist die Gewinnmarge mittlerweile so gering, dass nun der Klimawandel die Bauern dazu treibt, diesen Anbau aufzugeben.
"Hagel ist ein ganz wichtiger Faktor. Das gilt für Beeren-, Stein- und Kernobst", sagt sie mit Blick auf Zwetschgen und Kirschen. "Es gibt ja jetzt auch im Alten Land immer mehr Flächen mit Hagelschutznetzen. Und Kirschen sind in ganz Deutschland größtenteils unter Dach, um solche Ernteeinflüsse wie Hagel zu reduzieren."
Obstbauer: "Äpfel bekommen Sonnenbrand"
In der Tat fallen immer mehr Plastikplanen in der Fachwerk- und Obstbaumidylle im Alten Land auf - Obstanbau wird technischer, teurer, auch wegen des Klimawandels. Noch werden, wie früher, die Apfelbäume in Handarbeit kurz vor der Ernte ausgedünnt, damit nur die besten Äpfel in der Sonne reifen.
Doch die Sonne meint es inzwischen oft zu gut. Ulrich Harms, Obstbauer in siebter Generation, zeigt uns ein rotbackiges Exemplar mit brauner Stelle. "Die Äpfel bekommen Sonnenbrand", erklärt er, "bei 30 Grad Wärme und voller Sonne wird die Schale 40 bis 50 Grad warm." Und das hält sie nicht aus.
Wasserbedarf im Alten Land steigt
Immer öfter kommt das vor, erzählt Harms. Was hilft, ist Wasser und das hat Hamburgs Süden noch genug. Alle 18 Meter steht eine Sprinkleranlage. Sie hilft nicht nur gegen Hitze und Trockenheit, sondern auch gegen Spätfröste. Wasserberieselung in Frostnächten bewahrt die Blüten vor dem Erfrieren. "Die Spätfröste waren im Hamburger Bereich schon immer ein Problem", erzählt Harms. "Aber weil die Vegetation immer früher beginnt, müssen wir nun öfter beregnen." Vier Wochen früher blüht es - und damit ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass eine einzige Frostnacht alles zerstört.
In diesem Jahr gelang es, die Blüten zu retten und so hängen die Bäume voll. Über ihnen spannen sich Netze gegen Vögel oder Planen gegen Hagel. Auch Harms hatte sie bis kurz vor der Ernte über seine jungen Kirschen und Zwetschgen gespannt.
Klimaveränderung ermöglicht Pfirsich-Anbau
Für das Alte Land berge der Klimawandel auch Chancen: war es bisher eher ein Randgebiet des Apfelanbaus, rücke man jetzt in die Mitte, so Harms: "Durch die längere Vegetation, die wir jetzt seit ungefähr zehn Jahren haben, können wir beim Apfel spätere Sorten anpflanzen. Sorten, die einen längeren Sommer brauchen."
Auch Pfirsiche, zum Beispiel. Professor Roland Weber von der Obstbauversuchsanstalt freut sich, dass seine "Royal Glory" Pfirsiche ihrem Namen Ehre machen: rotgolden und prall hängen sie da - aber rund die Hälfte auf dem Versuchsfeld im Freien hat kleine Löcher: "Hier sehen wir einen Befall durch die Kirschessigfliege", erklärt er - die neue Geißel der Obstbauern. Seit wenigen Jahren in Deutschland, verbreitet sie sich schnell.
"Sie ist nun mal auf wärmere Temperaturen im Sommer fokussiert und mildere im Winter. Das heißt sie kann bei uns jetzt gut gedeihen." Sie bohrt sich in reife Früchte, andere Schädlinge folgen.
Klimawandel ändert die Spielregeln
Zwei Grad wärmer ist es nun im Alten Land, der Klimawandel verändert alles, sagt der Professor. Er erklärt es so: "Wir befinden uns, wenn man so will, in einem Spiel. Und mitten im Spiel ändern sich die Spielregeln. Aber wir wissen nicht, welche Regeln gelten. Das ist nicht so einfach." Der Forscher lächelt - er findet es spannend. Doch nicht jeder im Obst-Anbau oder -Verkauf sieht es ebenso.
Britta Hilpert leitet das ZDF-Studio in Hamburg.
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