Berlin: Palliativmediziner wegen 15-fachen Mordes vor Gericht

Prozess vor Berliner Landgericht:15-facher Mord? Palliativarzt vor Gericht

|

Er habe sich als "Herr über Leben und Tod" aufgespielt: In Berlin hat der Prozess gegen einen Palliativarzt begonnen. Der Mann soll zwölf Frauen und drei Männer getötet haben.

Die Prozessbeteiligten (l-r), die Rechtsanwälte des Angeklagten, Klaudia Dawidowic, Ria Halbritter und Christoph Stoll, sowie die Vorsitzende Richterin Sylvia Busch (M) und Staatsanwalt Philipp Meyhöfer (2.v.r.)
Ein Palliativarzt steht vor Gericht, weil er 15 Patienten getötet haben soll, 71 weitere Verdachtsfälle werden noch überprüft. In Berlin hat der Prozess heute begonnen.14.07.2025 | 1:33 min
Wegen 15-fachen Mordes an Patientinnen und Patienten muss sich seit Montag ein Palliativarzt vor dem Landgericht in Berlin verantworten. Der Prozess begann mit der Verlesung der Anklageschrift. Der 40-Jährige soll zwischen September 2021 und Juli 2024 in Berlin zwölf Frauen und drei Männer getötet sowie anschließend in einigen der Wohnungen Feuer gelegt haben, um seine Taten zu verdecken.
Am ersten Prozesstag schwieg er zu den Vorwürfen. "Unser Mandant wird zunächst keine Erklärung abgeben", sagte Verteidiger Christoph Stoll.

Palliativarzt vor Gericht: Ermittlungen laufen weiter

13 Angehörige von Gestorbenen sind nach Gerichtsangaben bislang als Nebenkläger vertreten. Drei von ihnen sind persönlich erschienen. "Geliebte Angehörige sind zu Tode gekommen. Das wollen sie hier verhandelt wissen", sagte einer der Nebenkläger-Anwälte. Die Angehörigen seien teils traumatisiert. Es bestehe großer Aufklärungsbedarf.
Die Staatsanwaltschaft Berlin wirft dem promovierten Mediziner Mord aus Heimtücke und sonstigen niedrigen Beweggründen vor. Sie hat zunächst in 15 Fällen Anklage erhoben. Parallel laufen jedoch die Ermittlungen weiter. Aktuell gibt es noch 71 Fälle, in denen ein Anfangsverdacht besteht. Auch der Tod der krebskranken Schwiegermutter des Arztes gehört dazu, wie Sprecher Sebastian Büchner sagte.
Pfleger schiebt ältere Frau in Rollstuhl über einen Gang. Die Gesichter der Protagonisten sind nicht zu erkennen. Links daneben: Lichtschematische Darstellung eines Fingerabdrucks.
Die Opfer waren hilflos - betagt, krank oder geschwächt. Drei Mitarbeiter eines Pflegeheims hatten vergangenes Jahr mehrere Heimbewohner getötet.02.12.2024 | 23:50 min

Staatsanwaltschaft überprüft noch 71 Fälle

Insgesamt hat die für den Fall eingerichtete Ermittlungsgruppe Hunderte Unterlagen von Patienten des Mediziners ausgewertet. Bislang wurde in 15 Fällen veranlasst, dass Leichen ausgegraben und rechtsmedizinisch untersucht wurden. In einem Fall stehe solch eine Exhumierung noch aus, so Büchner.
Der Angeklagte habe unter Missachtung des Lebens und der Selbstbestimmung gehandelt und sich als "Herr über Leben und Tod" aufgespielt, hieß es in der von Staatsanwalt Philipp Meyhöfer verlesenen Anklage.
Er habe seine Patientinnen und Patienten unter dem Vorwand ärztlicher Fürsorge aufgesucht und Hausbesuche angekündigt. Dabei habe er bereits eine Tötungsabsicht gehabt. Der Angeklagte habe "bewusst ausgenutzt, dass ihm als Arzt vollstes Vertrauen entgegengebracht wurde", sagte Meyhöfer.

Anklage: Arzt verabreichte Medikament, das zu Atemstillstand führt

Der Mediziner, der unter anderem bei einem auf Palliativversorgung spezialisiertem Kreuzberger Pflegedienst angestellt war, verabreichte den Patientinnen und Patienten der Anklage zufolge ohne medizinische Indikation ein Narkoseeinleitungsmittel und anschließend ein Medikament, das die Muskeln entspannt.
In einem Gerichtssaal in Frankreich stehen der Gerichtspräsident und die Anwälte hinter ihren Tischen. Vor ihnen stehen kistenweise Akten.
In Frankreich soll der Arzt Le Scouarnec knapp 300 Patienten sexuell missbraucht haben, darunter viele Kinder. Schuldbewusstsein: Fehlanzeige. Mehrere Stellen haben über Jahrzehnte weggeschaut.28.05.2025 | 2:14 min
Dieses sogenannte Muskelrelaxans führte jeweils zu einer Lähmung der Atemmuskulatur und dann innerhalb weniger Minuten zu Atemstillstand und Tod. Meyhöfer zufolge wusste der Mediziner von dieser Wirkung und davon, dass die Medikamente ohne Beatmung unweigerlich zum Tod führen würden.
Dem Staatsanwalt zufolge waren in einigen wenigen Fällen sogar Angehörigen vor Ort, während der Angeklagte die tödlichen Medikamente verabreichte. In mindestens fünf Wohnungen legte er den Ermittlern zufolge Feuer, um seine Taten zu vertuschen.

Verhandlung soll bis 2026 andauern

Das Gericht hat für den Prozess zunächst 35 Verhandlungstermine bis zum 28. Januar 2026 geplant. Zu jedem Fall gibt es mehrere Zeugen, insgesamt könnten rund 150 Menschen vor Gericht gehört werden.
Die Staatsanwaltschaft strebt gegen den 40-Jährigen neben einer Verurteilung die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und eine anschließende Sicherungsverwahrung an. Außerdem soll der Arzt ein lebenslanges Berufsverbot bekommen.
Quelle: dpa, AFP
Thema

Mehr zu Kriminalität