Mutmaßlicher Anschlag in München:Wie Zeugen und Betroffene die Tat erlebten
von Caroline Drees
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Der Schock sitzt tief bei den Augenzeugen, Helfern und Betroffenen des mutmaßlichen Auto-Anschlags in München. Die Gedanken sind aber auch schon bei politischen Reaktionen.
Ein Kinderwagen liegt umgefallen neben gelben Warnwesten auf dem Boden. Ein einzelner Schuh zwischen zwei Pfützen. Rettungsdecken und eine rote Verdi-Fahne, zerknautscht auf der Straße. Lauter kleine gelbe Schilder mit Zahlen darauf markieren die Gegenstände als Spuren am Tatort. Einsatzkräfte der Polizei fotografieren sie und sammeln sie anschließend in großen blauen Plastiktüten.
Polizei: Viele Menschen teils schwer verletzt
Mitten in Münchens Studentenviertel ist am Donnerstagvormittag ein Auto in eine Demonstration gerast. Viele Personen sind laut Polizeiangaben teils schwerverletzt. Der Fahrer, festgenommen.
"Ich habe es gehört, wie das Auto beschleunigt. Wenn ein Auto in eine Menge reinfährt, das ist laut, das hört man", erzählt Augenzeugin Alexa Gräf. Franz Schütz, stellvertretender Geschäftsführer von Verdi München hat den Demonstrationszug geleitet: "Einige Meter hinter mir gab es einen Knall und dann sind ganz schnell die Leute weggelaufen, haben 'Anschlag' gerufen. Man sah ein Fahrzeug in der Menge, und dann waren da auch sofort Verletzte am Boden. Die Leute haben gleich geholfen, so gut es ging."
Ministerpräsident Markus Söder: Mutmaßlicher Anschlag
Laut dem bayerischem Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) handelt es sich um einen mutmaßlichen Anschlag. Nicht mal einen Monat nach der Messerattacke in Aschaffenburg erneut eine Gewalttat, die die Menschen in Schock versetzt. Wieder sind Kinder unter den Opfern.
"Schon ein beklemmendes Gefühl - auch mit den Vorgeschichten aus den letzten Wochen und Monaten. Da fragt man sich, wie das jetzt weitergeht", meint Daniel Pförtsch, der nur ein paar hundert Meter von dem Vorfall entfernt war.
"Man ist fassungslos. Man funktioniert einfach nur", sagt Franz Schütz. Der Besitzer eines afghanischen Restaurants in der Nähe des Tatorts sagt, er verstehe nicht, warum das passiert sei. Seine Hände zittern. "Das ist nicht Menschsein. Das ist Wahnsinn."
Der Tatort befindet sich am Stiglmaierplatz in der Münchner Innenstadt.
Quelle: ZDF
Betroffene in Erstbetreuung
Während sich auf der regennassen Straße das Blaulicht spiegelt, die Szene großräumig abgesperrt ist, werden Augenzeugen von der Polizei befragt und einem Kriseninterventionsteam (KIT) betreut. "Wir können das Ereignis nicht wegmachen, aber wir versuchen Halt zu geben. Leitplanken. Wie geht es jetzt weiter in den nächsten Stunden und Tagen", sagt Stephan Jansen, Leiter des KIT.
Jeder gehe mit so einer Belastungssituation ganz anders um, so Jansel. Wichtig sei, dass man jede Emotion, auch in den nächsten Tagen, zulasse. Dass man Geduld mit sich habe. "Menschen, die jetzt vor diesem Ereignis weglaufen, die bekommen vielleicht in den Folgetagen Probleme."
Sorge vor gesellschaftlicher Spaltung
Inzwischen hat die bayerische Zentralstelle für Extremismus und Terrorismus der Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Der weiße Mini Cooper wird abtransportiert. Seine Windschutzscheibe ist eingedrückt, wo das rechte Vorderlicht war, nur noch ein Loch.
Wie es jetzt weitergeht, fragen sich die Menschen vor Ort. "Wie kann man das eindämmen? Und gleichzeitig aber auch Menschlichkeit bewahren? Natürlich den Opfern gegenüber, aber auch in der Gesellschaft. Dass sie nicht weiter verroht. Dieses Klima der absoluten Konfrontation, dieses nicht mehr Zusammenfinden, das macht einem schon Sorgen", sagt Daniel Pförtsch.
Einfluss auf die Bundestagswahl
Es war noch keine Zeit, zu verarbeiten, was passiert ist, und doch machen viele sich schon Gedanken über die politischen Reaktionen. So kurz vor der Bundestagwahl. "Das ist natürlich für Rechtspopulisten nochmal eine Befeuerung. Dass sie in ihrer Politik bestärkt werden", meint Franz Grigger. "Was die Politiker vorschlagen, das muss gemacht werden. Es muss irgendwas passieren", sagt der Besitzer des afghanischen Restaurants. "Dass man so etwas instrumentalisiert finde ich sehr tragisch", sagt Oliver Langhals.
Während die Sirenen noch zu hören sind, brennen bereits erste Kerzen am Straßenrand, ein paar Blumen daneben.
Caroline Drees ist Redakeurin im ZDF-Landesstudio Bayern.
Quelle: dpa
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