Fahrraddiebstahl boomt: Das Geschäft mit geklauten Fahrrädern
Fahrraddiebstahl boomt:Das Millionengeschäft mit geklauten Rädern
von Megan Ehrmann
|
Alle zwei Minuten wird in Deutschland ein Fahrrad gestohlen - ein lukratives Geschäft. Immer wieder tauchen die Räder dann auf ausländischen Verkaufsplattformen auf.
Alle zwei Minuten wird hierzulande ein Rad geklaut, teilweise auf Bestellung. Die Reporterinnen heften sich an ein gestohlenes Fahrrad und enthüllen mehr als einen Diebstahl. 30.07.2025 | 28:20 min
Das brandneue 2.000 Euro teure Gravelbike von Jonathan Schreiber wird mitten am Tag auf dem Gelände seines Arbeitgebers in Bonn gestohlen. Kurze Zeit später findet er es auf OLX.pl wieder - einer polnischen Plattform ähnlich der deutschen Seite Kleinanzeigen.
Kurz danach verschwinden am selben Ort zwei weitere hochwertige Räder, die bei demselben Verkäufer in Polen auftauchen. Ob teure Rennräder, E-Bikes oder Pedelecs - mit organisiertem Fahrraddiebstahl lassen sich inzwischen enorme Summen umsetzen.
Gestohlene Fahrräder: Schadenssumme auf Rekordhoch
Laut dem Gesamtverband der Versicherer (GDV) ging die Anzahl gestohlener Räder im Jahr 2024 zwar zurück, trotzdem stieg der entstandene Schaden durch Fahrraddiebstahl auf 160 Millionen Euro an. Diese Summe berücksichtigt jedoch lediglich versicherte Fahrräder. Deutschlandweite Zahlen für alle angezeigten Fahrraddiebstähle, die auch unversicherte Fahrräder einbezieht, gibt es vom Bundeskriminalamt bislang nicht.
Es erfolgt keine zentrale Erfassung oder bundesweite Koordinierung zu Fällen von Fahrraddiebstählen.
„
Sprecher BKA
Unsere Anfrage bei allen 16 Landeskriminalämtern ergibt: Die bundesweite Schadenssumme durch Fahrraddiebstahl ist mit 340 Millionen Euro deutlich höher als bislang angenommen. Im Durchschnitt sind das 1.373 Euro pro Fahrrad. Eine Summe, die bislang in keiner polizeilichen Kriminalstatistik auftaucht.
Zwar sinkt die Zahl an Fahrraddiebstählen, doch die Schadenshöhe steigt: Organisierte Bandenkriminalität hat es gerade auf E-Bikes abgesehen - und verkaufen sie ins Ausland.30.01.2025 | 4:26 min
In vier Bundesländern liegt der finanzielle Schaden sogar über dem durch gestohlene Autos. In Baden-Württemberg ist er fast doppelt so hoch:
31,5 Millionen Euro Schaden durch Fahrraddiebstahl
16,2 Millionen durch KFZ-Diebstahl.
Polizei: Organisierte Tätergruppen
Eine Ermittlerin der Polizei Kiel unterscheidet verschiedene Tätergruppen. Zum einen spricht sie von Beschaffungskriminalität, also von Personen, die aufgrund einer Suchterkrankung Fahrräder stehlen und sie schnell zu Geld machen wollen. Es gebe aber auch Menschen, die bis zu fünf Fahrräder am Tag klauen und dann an einen Hehler weiterverkaufen.
Und wenn die dann einen Hehler haben, der vielleicht durch mehrere solcher Personen beliefert wird, dann schafft er es natürlich schon in kurzer Zeit, auch 10-20 Fahrräder zu sammeln.
„
Ermittlerin Polizei Kiel
Sie spricht von einem System, das immer weiter wachse. Teure Fahrräder würden von kleinen Fischen geklaut und über Zwischenhändler weiterverkauft. Sobald sich die gestohlenen Räder nicht mehr in Deutschland befänden, seien ihr als Ermittlerin die Hände gebunden. Die Fälle landeten dann bei der Staatsanwaltschaft, die unter Umständen ein Rechtshilfeersuchen in Betracht zieht.
Stiftung Warentest hat 19 unterschiedliche Fahrradschlösser geprüft - und teilweise geknackt. Welche Schlösser schnitten am besten ab.20.02.2025 | 4:39 min
Schleppende Strafverfolgung im In- und Ausland
Im Fall von Jonathan Schreiber aus Bonn werden die Ermittlungen bereits nach drei Wochen eingestellt. Der Grund laut Staatsanwaltschaft: Eine zu geringe Wahrscheinlichkeit, den Täter zu ermitteln, bei zu intensivem Zeit- und Kostenaufwand.
Doch mit Hilfe weniger Tools lassen sich die Identität des Verkäufers und somit der Standort des gestohlenen Fahrrads schnell ermitteln. Wir geben uns bei dem mutmaßlichen Hehler als interessierte Käufer aus und können nachweisen, dass es sich um die gestohlenen Fahrräder aus Bonn handelt. Die polnische Polizei stellt sie dennoch nicht sicher - Der mutmaßliche Hehler verkauft weiterhin unbehelligt Fahrräder.
Die Ermittlungsbehörden kommen bei der Aufklärung und Strafverfolgung offensichtlich nicht hinterher. Proessor Christian Matzdorf, Dozent für Kriminalistik, hat das Massendelikt Fahrraddiebstahl analysiert. Er kritisiert, dass die gemeinsame Strafverfolgung beim Fahrraddiebstahl innerhalb Europas nur sehr eingeschränkt funktioniere. Er sieht noch eine weitere Gefahr: Die Transportwege und Strukturen seien auch geeignet "…für Drogen, Waffen oder für andere Dinge, die illegal ins Land oder ins Ausland geschafft werden sollen." Für ihn steht fest:
Nicht einzuschreiten unter der Prämisse, da kommt nichts mehr raus, das ist nicht der richtige Weg. Fahrraddiebstähle gehören angezeigt, sie gehören verfolgt, auch strafrechtlich verfolgt.
Fahrräder sind oft leichte Beute für Diebe. Mit diesen Tipps können auch günstige Schlösser beim Schutz helfen. Und mit der richtigen Versicherung werden Schäden komplett ersetzt.