Fahrrad fahren: Langsamer Ausbau der Infrastruktur in Deutschland
Nationaler Radverkehrsplan:Luft nach oben bei deutscher Radinfrastruktur
von Arta Ramadani
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Deutschland soll bis 2030 zum Fahrradland werden, das sieht der nationale Radverkehrsplan von 2002 vor. Die Umsetzung kommt, trotz guter Absichten und Pläne, nur schleppend voran.
Bis 2030 soll Deutschland Fahrradland werden, so der nationale Radwegeplan der Bundesregierung. Doch beim Radwege-Ausbau gibt es große regionale Unterschiede. 03.06.2025 | 1:39 min
Fahrradfahren ist für viele Menschen ein Symbol für Freiheit, Unabhängigkeit und Lebensfreude. So auch für Reiner Geisen, der 5.000 Kilometer pro Jahr mit seinem Fahrrad zurücklegt. Er lebt in rheinland-pfälzischen Neuwied, das in den 70er Jahren als reine Autostadt gebaut wurde.
Die Mobilitätsvorstellungen haben sich im Laufe der Jahre zwar geändert. In Neuwied werden Radfahrer aber auch heute noch vor viele Herausforderungen gestellt:
Es gibt so gut wie keine durchgehende Verbindung auf wichtigen Achsen.
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Reiner Geisen, Rentner und ADFC-Aktivist
Immer wieder höre der Radweg auf, beklagt Geisen. "Man muss über die Straße fahren, mitten im Straßenverkehr. Das ist das größte Problem."
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Ausbau von Radwegen scheitert an Geld und Personal
Reiner Geisen war selbst viele Jahre als Stadtplaner tätig und weiß, wie schwierig es ist, Radwege auszubauen. Oft mangele es an Geld, aber auch an Fachpersonal, um schnelle Erfolge zu erzielen.
In einigen Bundesländern Radverkehr als Priorität
Länder wie Baden-Württemberg und Bremen haben in einigen Kommunen und Gemeinden eine Priorisierung auf den Radverkehr gelegt. Sie gelten als Vorreiter, wenn es darum geht, den Ausbau und die Förderung des Radverkehrs auszubauen.
Fahrradwege
Deutschland liegt beim Blick auf das gesamte Radwegenetz im europäischen Vergleich auf Rang 5. Die European Cyclists' Federation (ECF) hat das Verhältnis der ausgebauten Radinfrastruktur zu öffentlichen Straßen berechnet. In Deutschland liegt es bei 33,6 Prozent. Heißt: Es gibt etwa dreimal so viele Straßen wie Radwege.
Allerdings: Eingerechnet sind dabei auch Fahrradspuren, die auf Straßen nur markiert sind, und außerdem Wege, die sich Radler mit Fußgängern teilen müssen. Schaut man ausschließlich auf reine Fahrradwege, dann liegt das Verhältnis demnach bei nur noch neun Prozent. In Dänemark sind es fast 28 Prozent, in den Niederlanden sogar 70,5 Prozent.
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Länder wie Rheinland-Pfalz oder das Saarland sind dagegen insgesamt langsamer in der Umsetzung. Begrenzte finanzielle Mittel und bürokratische Hürden sind hier oft das Problem. "Gerade Pirmasens oder Neuwied, die haben es sehr schwer. Sie haben wenige Mittel, um die Infrastruktur auszubauen", sagt Prof. Claudia Hille, Radverkehrsexpertin an der Hochschule Karlsruhe.
Vielen Kommunen fehlt das Personal
Es müsse mehr getan werden, "wenn die Leute aufs Rad gebracht werden wollen". In einigen kleineren Kommunen, etwa in Ostdeutschland, gibt es nur eine einzige Person, die verantwortlich ist für den Radverkehr, daneben aber auch für den Fußverkehr und für die Ortsmittengestaltung. Das sei eine zu große Belastung für eine einzelne Person, so Mobilitätsexpertin Hille.
Von der ersten Idee, über die Planung bis hin zur Realisierung vergehen manchmal mehrere Jahre. Daran krankt es.
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Prof. Claudia Hille, Hochschule Karlsruhe
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Für eine erfolgreiche Verkehrsplanung sei es dagegen oft von Vorteil, spezialisierte Fachkräfte einzusetzen, um die verschiedenen Aufgaben effizient und qualitativ hochwertig zu bewältigen, so Mobilitätsexperten. "Was wir sehen, ist, dass wir an vielen Stellen Personalprobleme haben, uns fehlen Fachkräfte", sagt Hille.
Mittel für Radverkehr deutlich reduziert
350 Millionen Euro sind derzeit vorgesehen für den Ausbau des Radverkehrs in Deutschland für 2025. Vor zwei Jahren waren es noch 550 Millionen. Die Mittel sind die letzten Jahre deutlich reduziert worden.
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"Der nationale Radverkehrsplan ist ein Bundesinstrument und kommt von der Bundesebene", erklärt Claudia Hille. "Wenn wir uns die Finanzlage anschauen, dann hat sie sich nicht gut für den Radverkehr entwickelt."
Der europäische Tag des Fahrrads wird bereits seit 1998 jährlich am 3. Juni begangen. Er soll das Bewusstsein für das gesunde und umweltfreundliche Fortbewegungsmittel schärfen. Seit 2018 ist der 3. Juni gleichzeitig auch Weltfahrradtag.
Was eine gute Radinfrastruktur ändert
Mehr Geld, mehr Personal und der politische Wille zu mehr Fahrradkultur würden den Prozess beschleunigen. Ziele des nationalen Radverkehrsplans sind unter anderem: mehr Menschen aufs Rad zu bringen, die CO2-Bilanz zu verbessern und die Gesundheit zu stärken:
Jeder investierte Euro in Radinfrastruktur, der bringt ungefähr 20 Euro Nutzen, also positiven Nutzen im Bereich Staukostenreduzierung, Gesundheitskostenreduzierung, Klimakostenreduzierung.
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Prof. Claudia Hille, Hochschule Karlsruhe
Es sei wichtig, dass Politik, Länder und die Kommunen weiterhin gemeinsam daran arbeiten, die Mobilitätsziele zu erreichen, sagt Hille. "Wir haben einen ökonomischen Nutzen. Das versprechen wir uns vom Ausbau der Radinfrastruktur."
Das Potenzial ist riesig: Dreimal mehr Radverkehr bis 2035 würde den Treibhausgasausstoß im Verkehr spürbar senken, so eine Studie. Dafür müsste der Ausbau aber in Fahrt kommen.