Kokain von Südamerika nach Europa: Wenn U-Boote Drogen schmuggeln
Von Südamerika nach Europa:"Narco-Subs": Wenn U-Boote Drogen schmuggeln
von Dominik Kotzur, Rio de Janeiro
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Die Kokainproduktion boomt, die Nachfrage weltweit steigt und die Schmuggler versuchen weiter, unter dem Radar zu bleiben. Mit Drogen-U-Booten gelingt ihnen der Transport.
In Lissabon erklärten Behörden aus Spanien und Portugal, wie Schmuggler mit U-Booten agieren. Zuvor war eines mit sieben Tonnen Kokain an Bord beschlagnahmt worden.
Quelle: dpa
Ein kleiner Raum mit dreckigen Matratzen und einem Ventilator, nebenan sind eng verpackte, orangefarbene Pakete bis an die Decke gestapelt. Überall liegen Abfälle, Plastikcontainer, Hygieneprodukte und Kleidung. So sieht es auf einem "Narco-Sub" aus, wie Videoaufnahmen der portugiesischen Marine zeigen.
Dieses U-Boot, beladen mit 6,5 Tonnen Kokain, wurde vor einigen Monaten auf dem Weg nach Europa abgefangen. Auch wenn es 2025 weitere Beschlagnahmungen gab, bleiben viele der Drogen-Boote unentdeckt.
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Was sind "Narco-Subs"?
Schon seit Jahrzehnten benutzen kriminelle Organisationen "Narco-Subs", um Drogen zwischen Süd- und Mittelamerika zu transportieren. Aktuelle Daten zeigen, dass immer mehr Boote auf ihrem Weg nach Europa abgefangen werden.
Die meisten abgefangenen "Narco-Subs" sind keine richtigen U-Boote. Sie tauchen nicht komplett ab, ein kleiner Teil bleibt immer an der Wasseroberfläche. Die U-Boote werden in primitiven Werften in den dichten Regenwäldern Südamerikas gebaut und gelangen über Flüsse ins offene Meer.
Sie sind getarnt mit Farben, die an die Gewässer angepasst sind, in denen sie navigieren - im Atlantik grau und im Pazifik türkis. Die Boote bestehen überwiegend aus Holz und Fiberglas, um nicht vom Radar aufgefangen zu werden. Weil sie flach im Wasser liegen und kaum eine Bugwelle erzeugen, sind sie nur schwer zu erkennen. Die Bauweise folgt immer der gleichen Logik: Die Herstellung muss so günstig wie möglich sein.
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Kriminelle Organisationen sind Polizei oft einen Schritt voraus
"Sobald die Behörden mit neuen Methoden aufkommen, um die U-Boote abzufangen, erfinden die Schmuggler neue Wege, um unentdeckt zu bleiben", sagt Sam Woolston von InSight Crime, einer gemeinnützigen Medienorganisation, die sich auf organisierte Kriminalität in Lateinamerika und der Karibik spezialisiert.
Als man in Kolumbien anfing, das Wärmesignal der Boote zu verfolgen, haben die Schmuggler provisorische Hitzeschilde angebracht, um sich zu tarnen.
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Sam Woolston, Medienorganisation InSight Crime
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Die Routen weiten sich aus
Obwohl die meisten U-Boote nach wie vor im Pazifik abgefangen werden, gewinnen die Atlantikrouten zunehmend an Bedeutung. In den letzten Jahren wurden geheime Werften in Brasilien, Venezuela, Guayana und Suriname entdeckt. Kriminelle Organisationen streben damit die lukrativen Märkte in Europa an: "So viel Kokain wie heute wurde noch nie produziert", betont Janaina Maldonado vom German Institute for Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg.
Die Nachfrage ist so hoch wie nie zuvor, vor allem in Europa, wo der Markt rasant wächst.
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Janaina Maldonado, German Institute for Global and Area Studies
Ende Mai wurde ein "Narco-U-Boot" vor der brasilianischen Küste mithilfe von Satellitenbildern und künstlicher Intelligenz abgefangen - ein Erfolg. "Doch ich glaube nicht, dass es eine Rolle spielt", sagt Sam Woolston.
Denn auf jeden technologischen Fortschritt folgt eine Gegenmaßnahme oder eine Anpassung der Schmuggelrouten.
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Sam Woolston, Medienorganisation InSight Crime
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Soziale Maßnahmen und internationale Verantwortung
"Man darf nicht vergessen, dass viele der Menschen, die diese U-Boote bauen, verzweifelt sind", bekräftigt Woolston. Die Verbesserung von Arbeits- und Bildungschancen in abgelegenen, armen Küstenregionen - also genau dort, wo die U-Boote gebaut werden - könnte daher weitreichende Auswirkungen haben. Die Menschen erhalten Alternativen, den kriminellen Organisationen fehlen Arbeitskräfte, und die Produktion wird teurer, so Woolston. Außerdem müsse Europa Verantwortung übernehmen.
Wir müssen unseren fairen Anteil leisten und die Bekämpfung des organisierten Verbrechens in Lateinamerika finanzieren, weil wir die Kriminalität mitverantworten.
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Sam Woolston, Medienorganisation InSight Crime
Es gibt bereits internationale Kooperationen: Viele Operationen, die zur Beschlagnahmung geführt haben, sind das Ergebnis multilateraler Einsätze. Trotzdem spüren besonders südamerikanische Länder die Auswirkungen des Drogenhandels.
Quelle: dpa
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