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Drogenhandel in Frankreich:Kokain an allen Fronten
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Konsumierende und Dealer werden immer jünger. Auf dem Land sind harte Drogen schnell verfügbar. In Frankreich tobt eine Debatte darüber, wie der Handel gestoppt werden kann.
In Morlaix, einem 15.000-Einwohnerort in der Bretagne, nimmt der Kokainkonsum zu. Die Stadt versucht eine Ausweitung des Drogenproblems zu verhindern.
Quelle: ZDF
Viele Teenager sind dem süßen Versprechen gefolgt. Im Jugendzentrum von Morlaix gibt es Crêpes. Die jüngsten sind zwölf Jahre alt, kommen häufig aus schwierigen Verhältnissen. Rosa Tablet trifft sich mit Freundinnen schon seit einigen Jahren im Zentrum. An der Wand hängen Plakate, die vor Suchtgefahren warnen. Die angehende Abiturientin kennt Mitschüler, die harte Drogen konsumieren: "Es gibt diese großen Partys. Da wird dieses Zeug genommen."
Aus meinem Freundeskreis kenne ich eher Joints. Bis jetzt sind wir noch nicht mit Kokain in Berührung gekommen.
Rosa Tablet, Schülerin
Initiativen wie dieses Zentrum bemühen sich, dass das auch so bleibt. Denn zu oft geraten Menschen in Frankreich in eine gefährliche Abwärtsspirale.
Morlaix: Kokain auf dem Vormarsch
Im abgelegenen 15.000-Einwohnerort in der Bretagne ist Kokain auf dem Vormarsch. Der Zugang zur illegalen Droge ist auf dem Land leichter geworden. In den französischen Großstädten ist der Markt übersättigt: Banden konkurrieren um Viertel. Schießereien versetzen die Nachbarschaft in Aufregung. Mehr als 100 Tote und 300 Verletzte im Zusammenhang mit Drogenhandel verzeichnet Frankreich für 2024 laut Innenministerium. In Morlaix kannte man diese Entwicklung nur aus den Medien. Inzwischen aber dealen auch hier 14- und 15-Jährige auf offener Straße. Im Jugendzentrum versuchen sie früh auf die Gefahren hinzuweisen:
"Wir klären die Teenager über die Risiken auf, genauso wie die Risiken von Alkohol. Wir erklären ihnen, dass man schnell abhängig werden kann", sagt Frank Salaün, Direktor des Jugendzentrums.
Der Drogenhandel in Frankreich weitet sich auch auf kleinere Städte wie Morlaix aus.
Quelle: ZDF
Ein Gramm Kokain - 65 Euro
Neben der Suchtgefahr spricht Salaün auch von finanziellen Abhängigkeiten. Konsumierende geben viel Geld aus. Ein Gramm Kokain kostet in Frankreich im Schnitt 65 Euro. In Morlaix hat die Polizei vor Kurzem zwei Umschlagplätze zerschlagen, einen davon in einem Park. Den anderen im Foyer eines sozialen Wohngebäudes. Anwohnende alarmierten die Polizei, sagt Jean-Paul Vermot. Der Bürgermeister von Morlaix führt schnelles Durchgreifen auch auf Videoüberwachung zurück. Die Bilder von Umschlagplätzen zeigten, dass Konsumierende aus allen Gesellschaftsmilieus kämen.
Wir haben ein Dutzend Dealer überführt. Das Problem ist, dass sie immer jünger werden.
Jean-Paul Vermot, Bürgermeister von Morlaix
Im November 2024 gab es erstmals in der Gemeinde einen Schusswechsel zwischen Jugendlichen zweier Banden. "Wir sind hier Feuerwaffen nicht gewohnt. Mit dem steigenden Drogenhandel in Kleinstädten kommt auch die Gewalt zu uns. Wir müssen sie schnell stoppen", so der Bürgermeister. Seit Jahresbeginn sei in Morlaix etwas Ruhe eingekehrt. Vermot gibt aber auch zu, dass sich Gewaltszenen jederzeit wiederholen können.
Eigentlich ist Morlaix eine ruhige Kleinstadt, aber mit dem zunehmenden Drogenproblem steigt auch die Zahl der Gewaltverbrechen an.
Quelle: ZDF
Fachleute sprechen von einer "Uberisierung" des Problems - ein Wortspiel mit dem Namen des Fahrdienstes "Uber". Und eine Anspielung darauf, dass harte Drogen "bequem" per Taxi bzw. Uber geliefert werden. Kokain, Heroin und Co. sind in den entlegensten Ecken des Landes rasch verfügbar. Die großen Netzwerke beliefern Dealer auf dem Land. In den Häfen an der Atlantikküste kommt es zu immer größeren Funden von Kokain in Containern aus Süd- und Mittelamerika.
Was tut Frankreichs Regierung?
Die französische Regierung versucht mit immer neuen Vorschlägen und Kampagnen zu signalisieren, die Ursachen in den Griff zu bekommen. Justizminister Gerard Darmanin möchte inhaftierte Drogenbosse stärker isolieren. Die Idee: Die Spitzen der kriminellen Banden sollen nicht mehr aus dem Gefängnis heraus Geschäfte koordinieren können. Fachleute halten die Politik für ungenügend.
Wir sind in einem Rechtsstaat, der vorgibt gegen organisierte Kriminalität vorzugehen. Aber Menschen sterben. Das ist nicht hinnehmbar.
Fabrice Rizzoli, Forscher an Sciences Po Paris
2024 wurde von französischen Behörden doppelt so viel Kokain wie im Vorjahr beschlagnahmt. In Morlaix setzen sie auf Prävention, damit Gewaltszenen nicht zur Normalität werden. Psychiaterin Catherine Simon sagt: "Das Thema ist komplex. Wir müssen die medizinische, soziale und wirtschaftliche Tragweite des Konsums verstehen, um den jungen Menschen zu helfen".
In ihrem Team im Suchtzentrum von Morlaix arbeiten auch Psychologinnen und Sozialarbeiterinnen. Immer mehr Kokainabhängige geben sich bei ihnen in Behandlung. Was ihnen Hoffnung mache: Immerhin werde das Problem jetzt angesprochen - in ihrer Gemeinde in der Bretagne und von der Regierung in Paris.
Quelle: dpa
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