Kletterhalle in der Kirche: Hier kann man beten und klettern
Belgien:Wie Kletterer eine Kirche retteten
von Jan Neflin, Brüssel
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Um ihre Kirche vor dem Verfall zu retten, fand eine Brüssler Kirchengemeinde einen ungewöhnlichen Untermieter. Zu Besuch in einer Kirche, in der gebetet und geklettert wird.
In der Brüsseler Kirche Saint-Antoine wird an über 18 Meter hohen Wänden geklettert. In der spirituellen Kulisse zwischen Buntglasfenstern. Gleichzeitig ist nebenan Gottesdienst.12.08.2025 | 2:04 min
Man kennt es auch aus Deutschland: Kirchen werden umfunktioniert, zu Restaurants, Kitas oder sie verfallen schlichtweg, weil die Gemeinde sie nicht halten kann. Gottesdienste? Fehlanzeige. Nicht so im Brüssler Stadtteil Forest: Hier hat eine kleine Kirchengemeinde eine Möglichkeit gefunden, ihre finanziellen Probleme zu lösen und trotzdem weiterhin Gottesdienste abhalten zu können.
Nachdem die über 100 Jahre alte Haupthalle der Kirche des heiligen Antonius zu Padua mehr und mehr zu verfallen gedroht hatte, schlossen die Gläubigen eine Abmachung mit den Betreibern einer Kletterhalle: Die Kletterer übernehmen die Instandhaltung der Kirche und reparieren das baufällig gewordene Dach, dafür dürfen sie das Hauptschiff für die kommenden 30 Jahre als Kletterhalle nutzen.
Das Bergsteigen im Elbsandsteingebirge in Sachsen zählt jetzt zum immateriellen Kulturerbe. Die Kletterer erhoffen sich durch den Titel mehr Aufmerksamkeit für ihre Belange, wie der Schutz von Natur und Umwelt.14.03.2024 | 1:58 min
Sonntag in Brüssel: Klettern in der Kirche
Gottesdienste finden trotzdem noch jeden Sonntag statt - nun aber in einer Seitenkapelle, nicht mehr im großen Hauptraum.
Und so wird in der Kletterhalle "Maniak Padoue" bis zu 20 Meter in die Höhe geklettert, direkt vor den historischen Buntglasfenstern. Es ist ein besonderer Ort, auch für Vadym, der jeden Sonntag hierherkommt: "Für mich ist das so etwas wie mein Gottesdienst, nur dass ich nicht religiös bin, sondern klettere." Der Ort übe dabei eine besondere Magie auf ihn aus:
Die riesigen Fenster bringen einen zum Nachdenken, auch über spirituelle Dinge.
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Vadym, Hobby-Kletterer
Gemeindemitglied Pascaline hingegen besucht schon seit 34 Jahren Gottesdienste in der Kirche des heiligen Antonius. Sie erzählt uns, früher sei die Gemeinde noch größer gewesen und habe sich vor allem aus italienisch- und spanischstämmigen Menschen zusammengesetzt. Heute sei die inzwischen vor allem afrikanisch geprägte Gemeinde kleiner, aber auch familiärer geworden.
Sie wollen den Mitgliederschwund nicht hinnehmen und greifen zu ungewöhnlichen Mitteln.11.04.2023 | 28:56 min
Baufälliges Dach störte Gottesdienste
Mit der Zeit habe die Messe immer mehr unter dem undichten Dach und dem eindringenden Regen gelitten. Erst mit der Eröffnung der neuen Kletterhalle im Sommer 2023 habe sich die Situation zum Positiven geändert:
Das hat uns auch die Kraft gegeben, hier weiterhin regelmäßig unsere Messen zu feiern.
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Pascaline, Gemeindemitglied
Auch wenn die Gemeinde ihre Gottesdienste nicht mehr in der großen Halle, sondern nur noch in einer kleinen Seitenkapelle der Kirche abhält, sind sie hier froh über den ungewöhnlichen Nachbarn, der neue Besucher anlockt, eine monatliche Miete zahlt und die Kirche damit finanziell absichert.
Kirche musste entweiht werden
Obwohl beide Aktivitäten Wand an Wand stattfinden, gibt es keine direkte Verbindung zwischen den Gebäudeteilen. Um die große Halle für die Kletterhalle freizugeben, musste sie erst entweiht werden. Außerdem wurde die Seitenkapelle - damit diese weiter für Gottesdienste nutzbar bleiben konnte - mithilfe einer Steinwand von der restlichen, der Haupthalle der Kirche getrennt.
Castel Gandolfo bei Rom ist die historische Sommerresidenz der Päpste. Nach 12 Jahren kehrt mit Papst Leo wieder ein Pontifex zurück – die Anwohner sind begeistert.16.07.2025 | 2:04 min
Kirchen anders nutzen: Ein Modell für die Zukunft?
Doch auch wenn dem Raum offiziell keine spirituelle Funktion mehr hat - der Anschein des sakralen Orts bleibt bestehen, wie Luca, der in der Halle Kletterrouten entwirft und umsetzt, gegenüber ZDFheute erklärt: "Ich gewöhne mich langsam daran, aber manchmal denke ich dann doch: Hätte ich mir das vor vier oder fünf Jahren vorstellen können in einer Kirche zu arbeiten?"
In Schweden soll eine russisch-orthodoxe Kirchengemeinde enteignet werden, weil sie unter dem Verdacht unorthodoxer Spionagemethoden steht: Belauscht ihr Kirchturm einen Flughafen?