Ahrtal im Aufbruch: Wie die Region nach der Flut neu auflebt

Vier Jahre nach der Katastrophe:Wie das Ahrtal nach der Flut neu auflebt

von Kai Remen
|

Vier Jahre nach der Flut: Das Ahrtal liegt noch teils in Trümmern - doch Hoffnung und Hilfsbereitschaft lassen es langsam neu erwachen.

Vereinzente Schaufenster informieren über den Wiederaufbau, in Ahrweiler finden gegenwärtig Bauarbeiten statt.
Vor vier Jahren war die Flutkatastrophe an Ahr, Swist und Erft, bei der 180 Menschen ums Leben kamen und viel zerstört wurde. Neben Zuversicht herrscht auch heute noch viel Frust.14.07.2025 | 1:39 min
Noch sind die Räume leer, trotzdem merkt man Serdar Franke einen gewissen Stolz an, wenn er durch seinen künftigen Laden führt. Im Herzen von Ahrweiler will er eine Kaffeerösterei eröffnen und damit Teil des Wiederaufbaus sein.
Möglich ist das wegen finanzieller Unterstützung der Stadt. Die übernehme zwei Jahre lang einen Teil der Kaltmiete. Nur deshalb wage er das Investment und ziehe nach vielen Jahren wieder zurück ins Ahrtal, erzählt Serdar Franke.
Flutkatastrophe: Das Ahrtal 4 Jahre danach
Vor vier Jahren zerstörte die Ahrtal-Flut weite Teile der anliegenden Gemeinden. Mima-Reporterin Christel Haas war beim Gedenken in Dernau dabei.14.07.2025 | 9:28 min

Wichtige Bahnstrecke im Ahrtal saniert

Sein Geschäft "RöstAHRoma" ist nur ein Beispiel von vielen, wie das Ahrtal vier Jahre nach der Jahrhundertflut wieder auf die Beine kommt. Fährt man durch die Region, sieht man Baustellen, Bagger, Handwerker - sieht, dass es vorangeht.

  • Am 14. Juli 2021 und in der Nacht auf den 15. Juli fielen in Teilen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen innerhalb von 24 Stunden 100 bis 150 Liter Regen pro Quadratmeter.
  • Flüsse stiegen extrem schnell an, es kam zu massiven Überflutungen.
  • Allein im Ahrtal starben 135 Menschen.
  • 42.000 Menschen waren von der Flut betroffen, 17.000 verloren ihr Hab und Gut.
  • Etwa 9.000 Gebäude und mehr als 100 Brücken im Ahrtal wurden stark beschädigt oder zerstört.

Fast symbolisch präsentiert die Bahn am Montag ihre Fortschritte an der wichtigen Strecke zwischen Walporzheim und Ahrbrück. 22 Bahnbrücken wurden hier neu gebaut oder saniert. Die Tunnel sind wieder einsatzfähig.
Fußgängerzone in Bad Neuenahr-Ahrweiler
Vierter Jahrestag nach der Flutkatastrophe vom 14. auf den 15. Juli 2021. Hier stapelte sich der Unrat, heute herrscht wieder normaler Alltag.
Quelle: Imago

Vor einem Monat wurde zudem mit der Weinbaubrücke in Dernau die erste kommunale Autobrücke im Ahrtal eingeweiht. Michael Ebling, Innenminister von Rheinland-Pfalz, verkündete im SWR-Interview stolz:

Gemessen an dem, was man sonst in Deutschland an Zeit braucht, geht es hier verdammt schnell vorwärts.

Michael Ebling, Innenminister von Rheinland-Pfalz

Finanzierung: Milliardenhilfen für das Ahrtal

Das sehen nicht alle Bewohner so. Noch immer sind einige Häuser nicht an das Telefon- und Kabelnetz angeschlossen, Gas- und Kerosinpipelines müssen verlegt werden, Schulen neu geplant und gebaut werden und der Hochwasserschutz ist allgegenwärtiges Thema. Sie würde sich auch wünschen, dass manches einfacher und schneller passiere, erklärt die Landrätin Cornelia Weigand, aber:

Normalerweise plant man ein großes Schulgebäude oder eine Brücke. Wir planen das jetzt zehn-, fünfzehnfach gleichzeitig. Dafür ist die Gesetzeslage nicht gemacht.

Cornelia Weigand, Landrätin in Ahrweiler

Hinzu kommt die Finanzierungsfrage. Bis Mitte Juni hat das Land Rheinland-Pfalz über alle Förderbereiche hinweg Hilfen von insgesamt rund 3,06 Milliarden Euro bewilligt. Bereits 2,06 Milliarden Euro wurden davon ausgeschüttet.
Der Ort Mayschoß im Jahr 2021 und im Jahr 2023
Im Juli 2021 wurden viele Orte im Westen Deutschlands überflutet.15.07.2023
Doch oftmals sei die Frage, was finanzierter Wiederaufbau sei und was Zukunftsinvestition, erklärt die Landrätin. Für letztere brauche es andere Fördertöpfe und damit "Zeit, die wir im Moment eigentlich nicht haben".

Emotionale Verarbeitung der Katastrophe

Angst, dass es zu einer nächsten Flut kommen könnte, hat Kaffeeröster Serdar Franke nicht. Anderen Menschen im Ahrtal geht es anders. Da ist Willi, der bei jedem Starkregen an die schreckliche Nacht vor vier Jahren denkt und hofft, dass die Kanalisation funktioniert.
Überschwemmtes Ahrtal
Überschwemmtes Ahrtal, 2021.
Quelle: ZDF

Oder Margret, die erzählt, dass die Katastrophe noch immer tägliches Gesprächsthema sei. Oder Silke, die sich gut an den Geruch und die Angst um ihre Kollegin, die direkt am Fluss arbeitete, erinnert.
Dass auch vier Jahre später die emotionale Bewältigung laufe, sei verständlich, erklärt die Seelsorgerin Manuela Kremer-Breuer. Direkt nach der Flut habe die akute Nothilfe im Fokus gestanden. Erst jetzt hätten viele Betroffene die Möglichkeit, auf sich zu schauen. Ihre Angebote und Kurse für Betroffene seien aktuell "immer ausgebucht".

Freiwillige Helfer halten das Ahrtal am Leben

Fährt man heute durch das Ahrtal und kommt mit den Menschen ins Gespräch, ist da aber noch etwas anderes. Dankbarkeit für die vielen freiwilligen Helfer, die noch immer auf den Baustellen arbeiten. Aktuell findet zum dritten Mal das Fluthilfecamp der Jugendbauhütten statt. Freiwillige Helfer packen unter dem Motto "We AHR back - Denkmalretter im Einsatz" an.
Flutkatastrophe: Das Ahrtal 4 Jahre danach
Das Ahrtal (Dernau) vier Jahre nach der Flutkatastrophe.
Quelle: action press

Auch sie sind der Grund, warum man immer mehr Optimismus spürt. Die Touristen kehren zurück und mit ihnen auch die Hoffnung, dass man die Region noch schöner aufbaut, als sie vorher war. Und so lebt das Ahrtal vier Jahre nach der Katastrophe in einer Gleichzeitigkeit - zwischen dem erinnernden, trauernden Blick zurück und dem optimistischen, dankbaren Blick nach vorn.
Kai Remen ist Reporter im ZDF-Landesstudio Rheinland-Pfalz.

Mehr zum Thema