Ahrtal: Wie ist die Lage vier Jahre nach der Flutkatastrophe?

Vier Jahre nach der Ahrflut:Wie Familie Golly die Flut im Ahrtal meistert

von Julia Schröter
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Bei Familie Golly aus Ahrweiler stand das Wasser durch die Ahrflut im ganzen Erdgeschoss, dort blieb kein Raum ohne Schäden. Vier Jahre später ist das Gröbste geschafft.

Frau und Junge bei der Gartenarbeit.
Viele Helfer kamen unmittelbar nach dem Hochwasser, um Familie Golly zu helfen. Jetzt sind sie wieder da, um den Garten gemeinsam anzulegen: "Wir pflanzen die Zukunft."27.06.2025 | 18:04 min
Max Golly und seine Mutter Katja Kohler-Golly haben morgens das gleiche Ziel: Das Are-Gymnasium im Landkreis Ahrweiler. Max geht in die 9. Klasse, seine Mutter ist am "Are" Lehrerin für Englisch und Französisch.
Seitdem ihre alte Schule durch die Flut zerstört wurde, lernen und unterrichten sie in einer Container-Schule: Mehrere Komplexe aus hellgrünen Baucontainern neben einem Industriegebiet außerhalb von Bad Neuenahr.

Wir sind immer noch im Krisenmodus, aber das ist jetzt unser tägliches Normal geworden.

Katja Kohler-Golly, Flutopfer

Ahrtal: Schüler gewöhnen sich an neue Lernumgebung

Die Klassenräume sind hellhörig, im Sommer ist es oft sehr warm, im Winter schnell kalt. Dennoch: Max geht gern hier zur Schule. Der 15-Jährige und die meisten seiner Mitschüler haben sich an die Lernsituation gewöhnt.

Es macht uns nicht wirklich viel aus, ob wir in einem richtigen Schulgebäude sind oder in Containern.

Max Golly, Flutopfer

Im Herbst 2027 soll es dann zurück in die Stadt gehen. Dann - so die Planung - soll das alte Are-Gymnasium fertig renoviert sein.  
Thorsten Rech und Christel Haas
Im Ahrtal "ist viel geschafft, aber die vielen Sachen die noch nicht fertig sind, nerven langsam", erklärt Thorsten Rech, Gastronom aus Mayschoß unserer ZDF-Reporterin Christel Haas. 11.07.2025 | 5:22 min

Ahrtal-Flut: Erdgeschoss stand unter Wasser

Bei den Gollys zuhause sieht man mittlerweile nichts mehr von den Folgen der Flut, obwohl das Erdgeschoss ihres Hauses etwa 1,5 Meter unter Wasser stand: Ein Arbeitszimmer, die Küche, das Esszimmer, das Gäste-WC und das Wohnzimmer - alles voller dreckigem Wasser.

  • Am 14. Juli 2021 und in der Nacht auf den 15. Juli fielen in Teilen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen innerhalb von 24 Stunden 100 bis 150 Liter Regen pro Quadratmeter.
  • Flüsse stiegen extrem schnell an, es kam zu massiven Überflutungen.
  • Allein im Ahrtal starben 135 Menschen.
  • 42.000 Menschen waren von der Flut betroffen, 17.000 verloren ihr Hab und Gut.
  • Etwa 9.000 Gebäude und mehr als 100 Brücken im Ahrtal wurden stark beschädigt oder zerstört.

Die Küche war damals noch ganz neu und musste komplett herausgerissen werden, auch aus dem Ess- und Wohnzimmer mussten alle Möbel auf den Müll. Auch das Arbeitszimmer von Katja Kohler-Golly stand unter Wasser, persönliche Dokumente, private Fotos - alles wurde unwiederbringlich von der Flut zerstört. Außerdem war der komplette Keller voller Schlamm.
Familie Golly aus Ahrweiler
Max, Katja, Jörg, und Emma Golly hinter ihrem Wohnhaus in Ahrweiler.
Quelle: Privat

Familie Golly war für Hochwasser-Katastrophe nicht ausreichend versichert

Die Familie war, wie so viele, nicht ausreichend gegen Elementarschäden versichert. Finanzielle Hilfe beim Wiederaufbau haben sie von der ISB bekommen, der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz.
Von Gutachtern, Krediten zur Zwischenfinanzierung und viel Bürokratie hat sich Jörg Golly seinen Optimismus nicht nehmen lassen, es zusammen mit seiner Familie zu schaffen. Jetzt, nach vier Jahren, steckt die Familie gerade in der Schlussabrechnung mit der ISB. Jörg Golly sieht sich kurz vor dem Ziel und spricht von einem Marathon, bei dem sie jetzt auf Kilometer 40 sind.

Ich bin mit dem Inbegriff des Optimismus verheiratet.

Katja Kohler-Golly, Ehefrau

Hochwasserschutz
Jahrhundert- oder doch eher Jahrzehntfluten? Der Hochwasserschutz ist dennoch vielerorts mangelhaft. Sogar im leidgeplagten Ahrtal werden wieder Häuser in Überschwemmungsgebieten gebaut.25.09.2024 | 1:52 min

Katja Kohler-Gollys Heimatgefühl ist nach der Flut noch stärker

Ihr Mann war immer überzeugt, dass sie als Familie den Wiederaufbau schaffen und sie habe sich dann mitreißen lassen. Inzwischen, sagen die Gollys, sind sie mit dem Haus gegen alles versichert, was an Schäden denkbar ist und die Versicherung sei auch bezahlbar, trotz der Nähe zur Ahr.
Der Gedanke, dass sich solch eine Flut wiederholen könnte, ist im Hinterkopf trotzdem da. Ebenso wie die Erinnerung daran, wie viel Kraft die Jahre danach gekostet haben.
Winzer im Ahrtal
Die Winzer im Ahrtal schauen zuversichtlich auf den Jahrgang ihres Weines. Auch zwei Jahre nach dem Hochwasser sind noch Flutschäden zu sehen, doch davon lassen sie sich nicht unterkriegen. 04.07.2023
Noch eine Flut würden sie psychisch und physisch nicht verkraften, sagen Katja und Jörg und haben - zumindest scherzhaft - mit den Nachbarn schon einen Plan B entwickelt:

Wenn in zehn Jahren nochmal eine Flut kommt, dann kaufen wir ein Bergdorf in der Toskana.

Jörg Golly, Flutopfer

Dennoch: Die Gollys sind geblieben. Ahrweiler ist und bleibt ihr Zuhause. Auch wegen der vielen Freunde, die sie hier haben. So geht es auch Max und der 9-jährigen Emma.

Sohn Max Golly wollte gern wieder nach Hause

Als die Familie nach der Flut eine Zeit lang woanders gewohnt hat, hat Max sich zum Geburtstag gewünscht, dass er wieder nach Hause kann. Und so entschied die Familie, zurückzuziehen, obwohl das Haus noch eine Baustelle war.

Ein Heimatgefühl hatte ich schon vor der Flut, aber jetzt ist das noch viel stärker, weil wir das jetzt alles gemeinsam wieder aufgebaut haben.

Katja Kohler-Golly, Flutopfer

Auf dem Bild ist eine historische Brücke im Ahrtal zu sehen.
Experten zufolge sind noch schlimmere Fluten im Ahrtal möglich, als im Juli 2021. Platz für den Fluss zu schaffen ist aber nicht einfach. Ein Problem: historische Brücken, die in der Flutnacht gefährlich wurden.07.07.2023

Ahrtal-Flut bleibt Teil der Familiengeschichte

Es war eine nervenaufreibende Zeit, sagen sie, und es ist auch noch nicht vorbei, bei der Schule etwa. Aber privat sind sie wieder da, wo sie mal waren - auch wenn die Flut, so glauben sie, wohl immer ein Teil von ihnen bleiben wird.

Das Land Rheinland-Pfalz und der Bund gewähren staatliche Förderung beim Wiederaufbau. Über die Investitions- und Strukturbank RLP werden Aufbauhilfen von bis zu 80 Prozent der Reparatur- bzw. Wiederaufbaukosten gezahlt.

Sehen Sie hier die ZDF-Reportage-Reihe "Menschen im Ahrtal

Frau vor Haus mit Graffitis.
19:53 min

Doku | Menschen im Ahrtal – vier Jahre nach der Flut:Abschied von der Ahr

von Marion Geiger & Julia Schröter
Zwei Winzerinnen im Weinberg
14:20 min

Doku | Menschen im Ahrtal – vier Jahre nach der Flut:Chance auf Neustart

von Marion Geiger & Julia Schröter
Frau und Junge bei der Gartenarbeit.
18:04 min

Doku | Menschen im Ahrtal – vier Jahre nach der Flut:Ein Dank an alle Helfer

von Marion Geiger & Julia Schröter

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