Wie Vertrauen in Politik entsteht - Psychologie gibt Antworten
Kolumne
Terra X - die Wissens-Kolumne:Regierungsstart mit skeptischem Vertrauen?
von Lea Dohm
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Vertrauen in Politik entsteht nicht durch Worte, sondern durch erlebte Wirksamkeit. Was psychologische Forschung über politischen Vertrauensaufbau verrät.
Markus Söder (CSU) sagte in einer Pressekonferenz am vergangenen Montag, der Regierungsstart sei "gut gelungen", die Stimmung in der Bevölkerung sei "grundsätzlich positiv und erwartungsvoll". Eine erwartbare und zuversichtliche Einschätzung. Doch in erster Linie kommt es natürlich darauf an, was tatsächlich getan wird. Wie kann es der neuen Regierung also gelingen, stabiles Vertrauen in der Bevölkerung zu gewinnen? Zeit für einen politpsychologischen Faktencheck!
In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Was Vertrauen aus psychologischer Sicht bedeutet
Vertrauen meint in der Psychologie die bereitwillige, risikobehaftete innere Vorleistung, einer Person, Organisation oder Institution eine positive Zukunftserwartung entgegenzubringen, um dadurch sicherer im eigenen Handeln zu werden. Vertrauen wir der eigenen Regierung, sind wir als Bürger*innen eher bereit, politische Entscheidungen mitzutragen und uns aktiv zu beteiligen. Es ist daher wichtig und ein zentrales politisches Thema.
Diskurs ist ein wesentlicher Bestandteil von Demokratie. Wenn verschiedene Perspektiven nicht mehr konstruktiv aufeinandertreffen, wird es schwierig, gemeinsame Lösungen zu finden.08.05.2025 | 57:40 min
Vertrauenskrise: Ein deutsches Dauerproblem
Das Vertrauen in politische Institutionen und Prozesse ist in Deutschland seit Jahren eher niedrig - nur ca. ein Drittel der Bürger*innen zeigt laut Erhebungen der EU-Kommission grundsätzliches Vertrauen. Zeitweise war es zuletzt sogar rückläufig, am stärksten übrigens bei muslimischen Befragten. An dieser Tendenz sind die migrationsfeindlichen Narrative einiger demokratischer Parteien beteiligt.
Wenn Misstrauen zur politischen Strategie wird
Gleichzeitig ist der Wunsch nach politischer Stabilität in Deutschland angesichts vielfältiger Verunsicherungen hoch. Verständlich - schließlich hat etwa die AfD zuletzt immer weiter an Stimmen gewonnen. Ein geringes Vertrauen in die Politik ist auch demokratisch gefährlich. Mit gutem Grund bemühen sich rechtsextreme Parteien darum, das Misstrauen in die Politik (und assoziierte Institutionen wie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk) weiter zu befeuern, um damit Unzufriedenheit zu schüren und demokratische Prozesse zu schwächen.
Was heißt es, "an die Demokratie zu glauben"? Besteht die Gefahr, dass sie langsam verschwindet?31.05.2024 | 41:13 min
Wie Vertrauen zurückgewonnen werden kann
Umso sinnvoller ist es, dass die Regierungskoalition sich bemüht, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Wenig hilfreich erweisen sich dafür zum Beispiel eine sogenannte Klientelpolitik oder intransparente Lobbyeinflüsse - jüngst von Lobbycontrol kritisiert bei Katherina Reiche, Karsten Wildberger und Wolfram Weimer. Zur Stärkung des Vertrauens erscheint es hier für die Regierung sinnvoll, von Beginn an offen Stellung zu möglichen Interessenkonflikten zu beziehen und diese aufzulösen.
Transparenz stärkt Integrität
Ebenfalls problematisch auf das Vertrauen wirken sich auch Skandale und Vertuschungen in der Vergangenheit einzelner Regierungsmitglieder aus (siehe Cum-Ex oder Maskendeal). Eine transparente Aufklärung und gegebenenfalls das Ziehen personeller Konsequenzen stärken in solchen Fällen das Vertrauen in eine integre Regierung.
Mit Cum-Ex verbindet man den wohl größten Steuerraub der Geschichte. Er blieb viele Jahre unentdeckt, bis einige mutige Menschen die Wahrheit ans Licht brachten.16.04.2025 | 91:10 min
Demokratie braucht Mitgestaltung
Neben all der aufzuarbeitenden Kritik: Besonders hilfreich für Vertrauensaufbau und zudem ein wirksames Gegengift für Politikverdrossenheit sind aus psychologischer Sicht kollektive Wirksamkeitserfahrungen für so viele Menschen wie möglich. Menschen vertrauen eher in eine Demokratie und setzen sich für sie ein, wenn sie sie aktiv und mit spürbarer Wirkung mitgestalten können.
Partizipation als Zukunftsaufgabe
Das ist nicht erst mit der neuen Regierung ein gewichtiges Argument dafür, die Möglichkeiten der Bürger*innenbeteiligung auszubauen, beispielsweise durch Bürger*innenräte, deren Empfehlungen bestenfalls real handlungsleitenden Charakter haben. Denn insbesondere in Zeiten multipler äußerer Krisen reicht es nicht, Demokratie mit Wahlrecht gleichzusetzen. Das Potenzial für machbare und wirksame Partizipation ist sehr viel höher. Die Lösungen, die sich daraus ergeben und Menschen spürbar weiterhelfen, wirken zugleich dem verbreiteten Gefühl entgegen, dass sich "sowieso nichts ändert".
... ist Dipl.-Psychologin und Transformationsberaterin bei der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) e.V. sowie Mit-Initiatorin der Psychologists for Future (Psy4F) e.V.. Sie ist außerdem tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapeutin mit einiger klinischer Erfahrung und Fach- und Sachbuchautorin. Für Menschen, die sich verletzlich und nahbar zeigen können, hat sie große Sympathien.
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