Späterer Unterrichtsbeginn: Vorteil für die Konzentration?
Biorhythmus von Jugendlichen:Früher Schulbeginn führt zu "sozialem Jetlag"
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Um 8 Uhr beginnt in den meisten Schulen in Deutschland der Unterricht. Zu früh, sagen nicht nur die Schüler, sondern auch Wissenschaftler. Gleitzeit könnte eine Alternative sein.
Warum sich der Schlafrhythmus bei Jugendlichen verschiebt und warum ein späterer Unterrichtsbeginn für bessere Hirnleistung sorgen kann. 14.01.2025 | 6:25 min
Kurz vor 8 Uhr am Morgen ist in den Schulen in Deutschland fast überall dasselbe zu sehen: schleppender Gang, die Augen bleiben kaum auf. Viele Jugendliche kommen jeden Morgen übermüdet in die Schule.
Jugendliche werden in der Pubertät zum Spättyp
Schuld daran sind nicht lustlose oder feierwütige Heranwachsende, sondern ein veränderter Biorhythmus in der Pubertät, erklärt Schlafforscher Michael Feld. Der innere Rhythmus, der sogenannte Chronotyp, verändere sich in der Pubertät.
Jugendliche würden zum sogenannten Spättyp. Sie werden später müde und müssen morgens länger schlafen. Laut Schlafmediziner Feld sind Schülerinnen und Schüler morgens müder als vor oder nach der Pubertät. Daher ist es nicht verwunderlich, dass jugendliche Schüler morgens weniger leisten können.
Der Schlaf wird von Nervenzellen im menschlichen Gehirn gesteuert. Dabei regeln Hormone den Schlafrhythmus. Zeitlich gesteuert wird das von den sogenannten zirkadianen Rhythmen.27.05.2024 | 1:28 min
Pubertät verlängert die REM-Schlafphase
Michael Feld macht in der Pubertät verstärkt auftretende Hirnprozesse während der REM-Schlafphasen für die Veränderung des Chronotyps verantwortlich. In der Kindheit gebildete Nervenverknüpfungen werden während der Pubertät wieder gelöst und neu verknüpft.
Diese Prozesse spielen sich hauptsächlich in den REM-Schlafphasen, also den Traumschlafphasen ab. Da diese Schlafphasen in den frühen Morgenstunden ablaufen, müssten Pubertierende länger schlafen.
Wenn ich den Schulbeginn früh lasse, schneide ich dem Jugendlichen sozusagen seine Hirnreifungsphasen ab.
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Michael Feld, Schlafmediziner
Doch nicht nur der Hirnreifungsprozess der Jugendlichen kann beeinträchtigt werden. Feld erklärt, dass Schlafmangel in der Folge auch zu Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht oder Depressionen führen kann. Denn neben der Schlaftiefe würden auch wichtige Schlafstunden fehlen.
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Zu wenig Schlaf verschlechtert Bildungseffektivität
Anders als in Deutschland ist in vielen skandinavischen Ländern ein späterer Unterrichtsbeginn völlig normal. In Finnland belegten Untersuchungen eindeutig, wie ineffektiv zu früher Unterricht ist.
Schülerinnen und Schüler wurden in der ersten Stunde mit Hirnstrommessern verkabelt. Viele Schüler befanden sich trotz offener Augen noch im Schlafstadium.
Chronobiologe Till Roenneberg sieht einen Zusammenhang zwischen dem frühen Schulstart und den schlechten Ergebnissen bei der Pisa-Studie. Schülerinnen und Schüler aus den skandinavischen Ländern belegen dagegen im internationalen Vergleich seit Jahren Spitzenpositionen.
Das ist sozialer Jetlag. Dies hat mit pädagogischer Effizienz nichts zu tun und ist zudem biologische Diskriminierung.
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Chronobiologe Till Roenneberg, Ludwig-Maximilians-Universität München
Schlaf ist der organisierte Ruhe- und Erholungszustand unseres Körpers. Durch ihn laden wir neue Energie auf. 22.03.2023 | 6:07 min
Gleitzeit in der Schule als Alternative
Auch in Deutschland gibt es Schulen, die bereits vom starren Unterrichtsbeginn um acht Uhr abgewichen sind. Zum Beispiel das Dalton Gymnasium in Alsdorf. Hier können die Oberschüler in einem Gleitzeitsystem selbst wählen, wann sie zur Schule gehen. Sie müssen lediglich genügend Anwesenheitsstempel in ihrem Kontrollheft nachweisen.
Ein Drittel des Lernstoffs bringen sich die Jugendlichen in zur Verfügung gestellter Unterrichtszeit und den üblichen Freistunden selbst bei. So wird die Flexibilität und Eigenverantwortung der Schüler gefördert und der Frontalunterricht findet in kleineren Gruppen statt.
Auch wenn die meisten Schülerinnen und Schüler das Gleitzeitsystem befürworten, bleibt das Alsdorfer Modell in der deutschen Schullandschaft eine Ausnahme. Und Reformen, die dies ändern, sind vorerst nicht abzusehen.
Schlafmangel und Schlafstörungen können lebensgefährlich sein. Für Terra Xplore zeigt Jasmina Neudecker im Selbstexperiment, was passiert, wenn ihr Körper 36 Stunden schlaflos bleibt.13.05.2024 | 27:03 min
Quelle: dpa
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